Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Eilbek


Stadtteil Eilbek in der NS-Zeit

Wie in vielen anderen Hamburger Stadtteilen fanden auch in Eilbek in den Jahren vor der nationalsozialistischen Machtübernahme Demonstrationen von rechten wie von linken Parteien und Organisationen statt.

Direkte Konfrontationen wie in Barmbek oder Hammerbrook kamen weniger häufig vor. Dazu trug die vor dem Zweiten Weltkrieg in weiten Bereichen bürgerlich geprägte Bevölkerungsstruktur Eilbeks bei, die nicht zuletzt auch an den damaligen Wahlergebnissen sichtbar wird. Bei den letzten Reichstagswahlen am 6. November 1932 vor der Machtübergabe an die Nationalsozialisten erreichte die NSDAP mit 35,9% in Eilbek ein deutlich besseres Ergebnis als in Hamburg insgesamt (27,2%). Auch die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) schnitt in Eilbek mit 12,2% weitaus besser ab als in ganz Hamburg (9,3%).

Demgegenüber konnten SPD und KPD in Eilbek nur einen unterdurchschnittlichen Wähleranteil auf sich vereinigen. Bei diesen Wahlen sind besonders die Abweichungen der NSDAP und der KPD in Eilbek gegenüber Hamburg insgesamt auffällig.

Reichstagswahlergebnisse 5. November 1932 und 5. März 1933 im Vergleich

Deutsches Reich                Hamburg insgesamt                                                       Eilbek

November                       März          November    März          November       März

NSDAP                           33,1%        43,9%           27,0%        38,8%             35,9%                                        48,0%

DNVP (1932)

Kampffront Schwarz-

Weiß-Rot (1933)             8,5%          8,0%             9,3%          8,0%               12,2%                                        10,0%

Zentrum                          11,9%        11,2%           1,7%          1,9%               1,6%                                        1,6%

SPD                                 20,4%        18,3%           28,6%        26,9%             23,7%                                        21,3%

KPD                                16,9%        12,3%           21,9%        17,6%             12,6%                                        9,7%

Deutsche Staatspartei     0,9%          0,8%             5,4%          3,5%               6,5%                                        3,6%

(Quelle: Statistische Mitteilungen über den hamburgischen Staat Nr. 30 (1932) und Nr. 31 (1933))

 

Die Nationalsozialisten gewannen bereits im November 1932 in Eilbek einen Stimmenanteil, der ihre relative Stärke in Hamburg um ein rund Drittel überstieg und auch über dem Ergebnis im Deutschen Reich lag. Stark schnitt auch die DNVP ab. NSDAP und DNVP vereinigten 48,1% der Stimmen auf sich. Demgegenüber erreichte das zerstrittene Lager der Arbeiterparteien SPD und KPD zusammen mit der liberalen Deutschen Staatspartei nur einen Stimmenanteil von 42,8%. Das zeigt, dass in Eilbek rechte bis antidemokratische Tendenzen schon vor der Machtübergabe an die Nationalsozialisten mehrheitlich vertreten waren. Bei diesen Wahlergebnissen ist es nicht verwunderlich, dass in Eilbek schon im November 1932 besonders viele schwarz-weiß-rote Fahnen aus den Fenstern hingen. Damit sollte die Ablehnung der Weimarer Demokratie und ihrer als „Schwarz-Rot-Senf“ diffamierten schwarz-rot-goldenen Flagge demonstriert werden.

Bei den Wahlen am 5. März 1933 zeigte sich in Eilbek die breite Zustimmung zur NSDAP noch deutlicher. Während sie im Deutschen Reich gegenüber den Wahlen im November 1932 rund 10 Prozentpunkte zugewann, stieg ihr Anteil in Eilbek um über 12 Prozentpunkte. Auch die Kampffront Schwarz-Weiß-Rot – ein Zusammenschluss aus DNVP, Stahlhelm und Landbund –, die nur zu den März-Wahlen antrat, schnitt in Eilbek deutlich besser ab als im Reich. Zusammen gewannen diese beiden Parteien dort mit 58% der Stimmen fast das Doppelte der Arbeiterparteien und der Deutschen Staatspartei.

SPD und KPD verloren in Eilbek im März 1933 weitere Stimmenanteile, ob­wohl sie im November 1932 ohnehin schon unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielt hatten. Der Rückgang der SPD bewegte sich in dem Maße wie im Deutschen Reich und in Hamburg insgesamt. Die Verluste der KPD, die ab Februar 1933 schweren Verfolgungen, Demonstrations- und Publikationsverboten ausgesetzt war, hielten sich in den Grenzen, die auch im Deutschen Reich und in Hamburg insgesamt zu beobachten waren. SPD, KPD und Deutsche Staatspartei konnten im März 1933 in Eilbek nur noch ein gutes Drittel der Stimmen auf sich vereinigen.

Der Grad der Verankerung der Nationalsozialisten in den unterschiedlichen Wohngebieten Eilbeks lässt sich neben den Wahlergebnissen auch an einer Statistik erkennen, die unter dem Stichtag 1. Mai 1935 die Zugehörigkeit der Schülerinnen und Schüler zur Hitler-Jugend-Bewegung (JV, JM, HJ und BDM) in den Hauptschulklassen ausweist. Von den insgesamt 212 Schülern der Schule Ritterstraße 44 gehörten 109 oder 51,4% nationalsozialistischen Organisationen an. Diese Schule bezog ihre Schüler zu großen Teilen aus dem „Auenviertel“. Damit nahm sie unter 234 erfassten Volksschulen in Hamburg den 30. Platz ein. Die Schule Roßberg 45 rangierte mit 38,4% an 75. Stelle. Ganz anders die Schule Wielandstraße 7 im Bereich der Arbeiterwohnstraßen. Dort gehörten 1935 nur 15,6% der Schülerinnen und Schüler zu den HJ-Organisationen.

Die NSDAP etablierte sich ab 1933 immer stärker in Eilbek. Das Clubheim des Vereins „Sport und Spiel“ am Hammer Steindamm 49/51 wurde 1934 „Verkehrslokal der Hitler-Bewegung“. In den ab 1935 von den Nazis herausgegebenen „Gaunachrichten“ wird auf einer ganzen Seite die NSDAP-Organisation in Eilbek vorgestellt. Der NSDAP-Kreis Eilbek verfügte über acht Ortsgruppen (Ortsgruppen Convent, Hirschgraben, Hasselbrook, Roßberg, Rückert, Klant, Fichte, Auen). Neben dem Kreisleiter und dessen Stellvertreter wurden 22 Funktionsträger namentlich ausgewiesen, wie z. B. der Propagandaleiter, der Kreis-Schulungsleiter, der Kreisvertreter der NS-Volkswohlfahrt und des NS-Lehrerbundes, der Kreis-Filmwart, der Kreis-Funkart, die NS-Frauenschaft, die Hitler-Jugend u. a. m. Es mutet lächerlich an, wie detailliert alles vorgegeben wurde, z. B. in der Ankündigung des „Ausmarsches“ am Sonntag, 24. Februar 1935:

„Ausmarsch der Politischen Leiter, Walter und Warte. Antreten 7.30 Uhr, Blumenau 172. Großer Dienstanzug mit Brothbeutel und Feldflasche, Mütze mit Sturmriemen.“

Die Ortsgruppen veranstalteten regelmäßig Schulungen zu Themen wie: „Ideale der nationalsozialistischen Weltanschauung“ oder „Staat und Volk: Die Totalität der Bewegung“. Größere Versammlungen fanden in den „Eilbecker Bürgersälen“ statt, z. B. am 27. Februar 1935 eine Ansprache des Gauleiters Karl Kaufmann auf einer „Massenkundgebung“. Die Gebäude der „Eilbecker Bürgersäle“ befanden sich in der Wandsbeker Chaussee 68/74. Darin untergebracht war seit 1913 auch ein Kino mit wechselnden Namen, wie ab 1937 das „Regina“ mit fast 800 Plätzen.

Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Trotz der für die Gegnerinnen und Gegner der neuen Machthaber bedrückenden po­litischen Atmosphäre und trotz des feindlichen Umfeldes nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten Ende Januar 1933 entwickelte sich auch in Eilbek politischer Widerstand. Er wurde sowohl von kritisch eingestellten Sozialdemokraten als auch von Kommunisten getragen. Dieses Buch enthält Biographien von Eilbeker Widerständlern aus beiden Parteien, die ihren Einsatz mit dem Leben bezahlten. In Eilbek waren auch Sozialdemokraten und Kommunisten gegen den Nationalsozialismus aktiv, denen keine eigene biographische Darstellung gewidmet ist, weil sie entweder nicht in Eilbek wohnten oder aber den Nazi-Terror überlebten.

Am 23. Juni 1933 wurde der Eilbeker SPD-Distriktsvorsitzende Walter Schmedemann verhaftet. Nach seiner Haftentlassung am 22. Juli 1933 sammelte er neben der kleinen Zahl aktiver Eilbeker Parteigenossen auch frühere Bezirksführer aus anderen Stadtteilen um sich und begann, die illegale Parteiarbeit zu organisieren. Die Gruppe traf sich regelmäßig konspirativ zu Wanderungen, einer Maifeier und zu Versammlungen im Freien. Sie sammelte Beiträge zur Finanzierung der illegalen Arbeit. Eilbek war zum Zentrum des SPD-Widerstandes in Hamburg geworden. Die von den Eilbekern wöchentlich hergestellte Untergrundzeitung „Rote Blätter“ wurden in etwa 5.000 Exemplaren gedruckt und an viele Hamburger Distrikte verschickt, darüber hinaus nach Bremen, Hannover und Hildesheim. Die Gruppe brachte gefährdete Mitglieder nach Dänemark in Sicherheit und verteilte Berichte des Prager SPD-Exilvorstandes (SoPaDe). Sie stand damit im Gegensatz zur Mehrheit des SPD-Landesvorstandes, der unter allen Umständen an einem legalen Kurs gegenüber der NS-Regierung festhalten wollte. Im Herbst 1933 wurde Walter Schmedemann zum führenden Kopf des über Eilbek hinausreichenden SPD-Widerstandes. Ende 1934 kam die Gestapo neun Personen der Widerstandsorganisation auf die Spur. Schmedemann wurde im November 1934 verhaftet, zu zwei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt, nach der Haftverbüßung in das KZ Sachsenhausen überstellt und dort bis zum 15. Oktober 1938 gefangen gehalten. Mit Kriegsbeginn nahm die Gestapo Schmedemann ab 1. September 1939 bis 11. November 1939 fest und lieferte ihn erneut ins KZ Sachsenhausen ein. Er überlebte das „Dritte Reich“ und amtierte später als Zweiter Bürgermeister und Gesundheitssenator in Hamburg. Auf die Rolle des in der Illegalität vermutlich zeitweisen Distriktsvorsitzenden, Emil Göthel, wird in dessen Biographie in diesem Band gesondert eingegangen. Walter Schmedemann nennt in seinem Bericht über „Die Tätigkeit der Eilbeker Genossen in der Widerstandsbewegung nach dem Verbot der SPD im Jahre 1933“ insbesondere Fritz Krüger und Berthold Wiele als zwei von vielen SPD-Genossen, die der illegalen sozialdemokratischen Widerstandsorganisation angehörten. Berthold Wiele starb am 26. November 1944 im Alter von 29 Jahren als Soldat des Bewährungsbataillons 999. Über die näheren Umstände seines Todes

ist nichts bekannt. Wiele war Mitglied der SPD, der SAJ und des Reichsbanners. Für seine Widerstandstätigkeit wurde er zu vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. „Vorbereitung zum Hochverrat“ war der Vorwurf, der ihm „Schutzhaft“, Untersuchungshaft, Zuchthaus und von 1934 bis 1938 Inhaftierung im KZ Sachsenhausen einbrachte (Prozess Mehnke und Genossen, Wellke und Genosssen). Soweit bisher bekannt, wohnte Berthold Wiele jedoch nicht in Eilbek, sondern in Eimsbüttel.

In den Jahren 1932 und 1933 berichteten die Norddeutschen Nachrichten und das Hamburger Fremdenblatt über Aktionen von Kommunisten gegen Nationalsozialisten in Eilbek. Laut Norddeutsche Nachrichten vom 1. Dezember 1933 sollen am Abend des 14. Februar 1933 etwa 20 bis 30 Kommunisten mehrere Male in das SA-Lokal in der Schellingstraße 17 geschossen haben. Nach dem Zeitungsbericht wurde nur der Wirt Habermann durch einen leichten Streifschuss am Hinterkopf verletzt. Das Hanseatische Sondergericht – so die Zeitung – verurteilte die Angeklagten Wucherpfennig, Holm, Dahms, Ohlson, Sander, Sonntag und Prinz zu Zuchthausstrafen zwischen neun und fünfzehn Jahren. Weitere Angeklagte erhielten geringere Zuchthaus- und Gefängnisstrafen. Gegen den Hauptbeschuldigten Hugo Feddersen war bereits vorher in einem anderen Verfahren (Kopka-Prozess) die Todesstrafe beantragt worden. Angeblich beging Hugo Feddersen daraufhin Selbstmord. (…)

Anfang 1934 berichtete das Hamburger Fremdenblatt vier Tage in Folge über einen Prozess vor dem Hanseatischen Sondergericht, dem eine Tat in Eilbek zugrunde lag. Danach war am frühen Morgen des 12. Oktober 1932 der Polizeihauptwachtmeister Laukenmann in einer als Schutzhütte bezeichneten Holz­baracke im Eilbekpark (heute: Bürgerpark) angeschossen worden.

Er erlag am folgenden Tage im Krankenhaus St. Georg seinen schweren Verletzungen. Angeklagt wegen gemeinschaftlichen Mordes wurden die 20-jährigen Arbeiter Severin Prinz und Paul Irmscher, wegen Begünstigung bzw. der Anstiftung zum Waffendelikt der 27-jährige Arbeiter Heinrich Hartwig, der 27-jährige Kraftwagenführer Wilhelm Jung, der 21-jährige Maurer Wilhelm Bethke und der 25-jährige Seemaschinist Ernst Karstädt. Als sich Severin Prinz und Paul Irmscher gegen 4 Uhr am 12. Oktober 1932 in der Schutzhütte trafen, führten beide Pistolen mit sich. Mit weiteren Genossen sollten sie bei einem Streik in der Jutespinnerei in Billstedt eingesetzt werden. Als Polizeihauptwachtmeister Laukenmann auf seiner Runde die beiden jungen Männer in der Schutzhütte vorfand, hätten sich die drei zunächst unterhalten. Als Severin Prinz und Paul Irmscher auf eine entsprechende Aufforderung keine Papiere vorzeigen konnten, sollten sie zur Polizeiwache mitgehen. Bei der folgenden körperlichen Durchsuchung fand der Polizeibeamte Laukenmann in der Tasche von Severin Prinz einen Ladestreifen. Paul Irmscher bedrohte den Polizisten daraufhin mit der Pistole. Als dieser sich wehren wollte, löste sich ein Schuss. In dem folgenden Gemenge feuerte Severin Prinz einen zweiten Schuss ab. Nach der Tat flüchteten Prinz und Irmscher. Paul Irmscher wurde wegen vollendeten Totschlags zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe und andauerndem Ehrverlust, Severin Prinz wegen versuchten Mordes zu insgesamt fünfzehn Jahren Zuchthaus und zehn Jahren Ehrverlust verurteilt. Nach mehreren Zwischenstationen, von denen nur das Zuchthaus Waldheim in Sachsen bekannt ist, wurde Paul Irmscher im Oktober 1943 in das KZ Neuengamme überstellt. Im Zuge der Räumung des KZ Neuengamme in den letzten Tagen des „Dritten Reiches“ wurde auch er nach Lübeck transportiert. Paul Irmscher kam am 3. Mai 1945 in der Neustädter Bucht beim Untergang des Frachtschiffes „Thielbek“ ums Leben. Severin Prinz überlebte die Zeit des Nationalsozialismus.

Am 17. April 1933 kam es, wie das Hamburger Fremdenblatt berichtete, in einem Lokal in der Schellingstraße zwischen Angehörigen der NSDAP und des Arbeiter-Turn- und Sportbundes zu einer Meinungsverschiedenheit, in deren Verlauf die Nationalsozialisten mit Stühlen und Biergläsern beworfen wurden. Ein SS-Mann schoss – so der Zeitungsbericht – in Notwehr aus seiner Pistole. Das Ergebnis: fünf Festnahmen.

Der 1886 geborene und am 18. August 1944 im KZ Buchenwald ohne Gerichtsverfahren auf Befehl Adolf Hitlers erschossene Ernst Thälmann, Vorsitzender der KPD von 1925 bis 1933, war langjähriger Eilbeker. Er besuchte in Eilbek zunächst die Knabenschule Kantstraße 6, später die Schule Roßberg 45, im Anschluss an die siebenklassige Volksschule die Selecta, eine Abschlussklasse für begabte Schüler, die ihnen den Übergang zu höheren Bildungseinrichtungen ermöglichte. Dennoch ist in der vorliegenden Veröffentlichung keine Thälmann-Biographie enthalten. Für Ernst Thälmann liegen bereits Stolpersteine in der Tarpenbekstraße 66 und seit Sommer 2012 auch links vor dem Portal des Hamburger Rathauses.

 

Jüdische Bürgerinnen und Bürger in Eilbek

Neben der Verfolgung der politischen Gegner und der Zerschlagung ihrer Organisationen konzentrierten sich die Nationalsozialisten auf die Diskriminierung und Verfolgung der jüdischen Bürgerinnen und Bürger. Im Juni 1933 lebten im damaligen Hamburger Stadtgebiet nach einer Berechnung von Uwe Lohalm 16973 Juden. Das entsprach einem Bevölkerungsanteil von 1,4%. In Eilbek wohnten nur 166 Juden, das entsprach einem Bevölkerungsanteil von nur 0,3%. Jüdische Einwohnerinnen und Einwohner waren also in Eilbek weit unterrepräsentiert. Anders als im Grindelviertel, dem Zentrum jüdischen Lebens in Hamburg, war die Anwesenheit der jüdischen Bürgerinnen und Bürger in Eilbek praktisch nicht bemerkbar. Eine Ausnahme bildete das Kaufhaus „Amles“ an der Wandsbeker Chaussee 154–156. Der etwas ungewöhnliche Name des Kaufhauses war Hamburgerinnen und Hamburgern in den umliegenden Stadtteilen gut bekannt. Max Markus, der Eigentümer des Kaufhauses, hatte den Namen seiner einzigen Schwester Selma umgedreht und so den Namen des Kaufhauses erfunden. Auch dieses Kaufhaus wurde, wie wir aus dem Buch „Kindheit und Jugend unter Hitler“ von Loki und Helmut Schmidt wissen, während des Pogroms im November 1938 angegriffen. (…)

 

„Fremdarbeiter“ in Eilbek

Durch die Umstellung auf Kriegswirtschaft und den Einzug deutscher Arbeiter zur Wehrmacht entstand in Deutschland mit Kriegsbeginn ein wachsender Arbeitskräftebedarf, der nicht durch den vermehrten Einsatz von Frauen ausgeglichen werden konnte. Schon vor 1939, in weit stärkerem Umfang aber nach Kriegsbeginn, wurden in Deutschland ausländische Arbeiterinnen und Arbeiter in der Landwirtschaft, auf dem Bau, im gewerblichen Bereich und in der Eisen- und Metallindustrie benötigt. Ging es zunächst noch darum, Arbeitskräfte aus befreundeten Ländern anzuwerben, wurden später Arbeiterinnen und Arbeiter insbesondere aus osteuropäischen Ländern nach Deutschland verschleppt und zur Arbeit gezwungen.

In Eilbek lassen sich sieben Standorte nachweisen, an denen ausländische Arbeiter bzw. Arbeiterinnen untergebracht waren. Teils arbeiteten sie freiwillig in Hamburg, teils mussten sie Zwangsarbeit verrichten.

1941 arbeiteten mindestens 12 Italiener bei der Waagenfabrik Vogel & Halke, Hammer Steindamm 21–27, heute: seca Deutschland. Bereits seit 1938 waren Arbeiter aus dem verbündeten und von hoher Arbeitslosigkeit belasteten Italien von Deutschland angeworben und dort eingesetzt worden. Die näheren Umstände des Arbeitseinsatzes bei Vogel & Halke sind nicht bekannt. Die zeitliche Nähe lässt vermuten, dass ein Zusammenhang mit deutschen Forderungen vom Februar 1941 nach 200.000 italienischen Arbeitern als Gegenleistung für die Fort­führung der militärischen Unterstützung durch die deutsche Regierung bestand.

An der früheren Pappelallee 38 lag das Karosseriewerk Wilhelm Hermann. Auf dem Betriebsgelände dieses Unternehmens bestand im April 1943 ein Arbeitslager. Die Anzahl der dort untergebrachten Personen, ihre Nationalität und ihren Status kennen wir nicht.

An der Wandsbeker Chaussee 16 existierte 1942 ein Lager für holländische Arbeitskräfte. Niederländische Arbeiter kamen ähnlich wie die aus Belgien zunächst infolge ökonomischer Not, später aufgrund von Zwangsmaßnahmen nach Deutschland.

Ein weiteres Lager befand sich im ehemaligen Eilbeker Bürgersaal, in dem sich zeitweise mindestens 12 belgische Arbeiter aufhielten. Ob sie „Fremd-“ oder Zwangsarbeiter waren, wissen wir nicht.

Bei der alteingesessenen Eilbekerinnen und Eilbekern noch gut in Erinnerung befindlichen Brotfabrik Julius Busch an der Conventstraße 8–12 arbeiteten mindestens 26 ausländische Arbeitskräfte unbekannter Nationalität. Auch ihren Status kennen wir nicht.

In der Klempner-Firma H. Dabruntz, Eilenau 3, existierte 1944 ein so genanntes Gemeinschaftslager für „freie Ausländer“, in dem neun Personen ebenfalls unbekannter Nationalität untergebracht waren.

 

Zerstörung Eilbeks im Zweiten Weltkrieg

Eilbek gehört zu den durch Bombenopfer und Zerstörungen mit am stärksten betroffenen Stadtteilen.

Bereits im September 1941 erlitt der Stadtteil einen ersten Großschaden durch Luftminen, die den Raum Wielandstraße, Schellingstraße und Kantstraße trafen. 66 Getötete und mehr als 170 Verletzte waren zu beklagen.

Schon zu Beginn der auf Hamburg ausgeführten schwersten Luftangriffe in der Geschichte des Luftkrieges, die vom 25. Juli bis zum 3. August 1943 andauerten und unter dem Codenamen „Operation Gomorrha“ abliefen, wurde Eilbek in der Nacht von Samstag, dem 24., auf Sonntag, den 25. Juli, schwer getroffen und ein Drittel des Stadtteils zerstört. Die folgenden massiven Bombenangriffe der amerikanischen und insbesondere der englischen Luftwaffe in der Nacht vom 27. auf den 28. Juli 1943 vernichteten Eilbek völlig. In seinem Buch „Feuersturm über Hamburg“ bezeichnet Hans Brunswig den Stadtteil Eilbek ebenso wie Hammerbrook, St. Georg, Hamm, Rothenburgsort, Hohenfelde sowie teilweise Barmbek und Wandsbek als „Totalschadensgebiet“. Der sehr dicht bebaute Stadtteil glich nach der Zerstörung einer Steinwüste. (…)

Text von Ingo Wille entnommen aus seinem Buch: Stolpersteine in Hamburg. Biographische Spurensuche. Hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung und dem Institut für die Geschichte der deutschen Juden. Hamburg 2014.