Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Kurt Stawizki Kurt Stawizki (irrtümlicherweise in der Literatur auch als Paul Stawitzki bezeichnet)

(12. November 1900 Kiel - 20. September 1959 Bad Godesberg)
Kriminalrat, SS-Sturmbannführer
Adresse: nicht bekannt
Wirkungsstätte: Stadthaus, Geheime Staatspolizei, Stadthausbrücke 8


Nach dem Besuch der Oberrealschule in Kiel meldete er sich 1918 freiwillig zur Teilnahme am Ersten Weltkrieg. Nach Kriegsende unterstützte er 1919 für einige Zeit das paramilitärische Freikorps Schleswig-Holstein. Danach begann er eine Ausbildung bei der Landesbaukasse in Kiel, wurde aber 1923, kurz vor der Prüfung zum Landessekretär im Zuge der Beamtenabbauverordnung aus dem Dienst entlassen. Stawizki wurde kurzzeitig arbeitslos, fand aber im Januar 1924 eine neue Stelle bei der Hamburger Ordnungspolizei. Vom Unterwachtmeister stieg er bis zum Leutnant auf, wurde aber 1927 nach Differenzen mit seinen Vorgesetzten entlassen. Er trat 1932 der NSDAP und auch der SS bei. Ab Anfang 1933 fungierte er als sogenannter Verbindungsmann zwischen der Polizei und der NSDAP in Kiel. Ungeklärt ist inwieweit Strawizki an dem Mord eines SA Mannes beteiligt war, der angeblich Strawizkis Schmuggelsystem im Hamburger Hafen gedeckt hatte. Ende 1933 nahm Strawizki an einem Lehrgang für Kriminalkommissar-Anwärter des Polizei-Instituts in Berlin teil. Nach absolvierter Prüfung wurde er zunächst als Hilfs-Kriminalkommissar, später als Kriminalkommissar bei der Staatspolizei in Altona eingestellt. 1935 übernahm er die Leitung in Altona, bevor er 1936 zur Staatspolizei nach Oppeln versetzt wurde.

Für den deutschen Überfall auf Polen 1939 wurden unter dem Decknamen „Unternehmen Tannenberg“ Einsatzgruppen des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD aufgestellt, zu denen auch Strawizki zählte. Ab 1939 leitete er Kommando in Zaslawie, später war er für das Grenzpolizei-Kommissariat in Sanok zuständig. 1940 wurde er zum Kriminalrat befördert und hatte offiziell eine Planstelle bei der Hamburger Gestapo inne. Dennoch befand er sich weiterhin im besetzten Polen und war ab Mitte Oktober 1940 beim Kommandanten der Sicherheitspolizei und des SD (KdS) in Krakau eingesetzt, ab 1941 beim Kommando zur besonderen Verwendung (K.z.b.V) in Lemberg. Kurz darauf wurde er Leiter der Gestapo Lemberg die beim KdS angesiedelt war. In dieser Zeit war Strawizki an zahlreichen Gewaltverbrechen, Deportationen von zehntausenden Juden in das Vernichtungslager Belzec, Massenerschießungen und schließlich im Rahmen von „Spurenbeseitigungen“ an Exhumierungen von Massengräbern und Leichenverbrennungen – befehlsgebend oder persönlich beteiligt.

Im Herbst 1943 ging Strawizki zurück nach Hamburg und war bei der Gestapo in führender Position tätig. Zunächst leitete er die Abteilung „Spionageabwehr/ Landesverrat“, dann „Linksopposition“ - zu denen ab 1944 auch die Dezernate „Kommunismus/ Marxismus“ gehörten. Er war maßgeblich an der Zerschlagung von Widerstandsgruppen, wie dem Hamburger Zweig der Weißen Rose (siehe Biografie Elisabeth Lange, www.stolpersteine-hamburg.de) und der „Bästlein-Jacob-Abshagen-Gruppe“ beteiligt. Einer seiner Mitarbeiter war Henry Helms, der auch das Informantensystem um Alfons Pannek aufgebaut hatte. Auf Strawizkis Befehl hin wurden die vier Widerstandskämpfer Gustav und Elisabeth Bruhn, Hans-Heinrich Hornberger und Kurt Schill am 14. Februar 1944 im KZ Neuengamme ohne Verfahren erhängt. (mehr zu den Biogafien unter www.stolperseine-hamburg.de) Strawizki, der in der Hierarchie der SS immer weiter aufgestiegen war, wurde im April 1944 zum SS-Sturmbannführer befördert. Nach dem 20. Juli 1944 und dem versuchten Attentat auf Hitler wurde er in das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) zur „Sonderkommission 20. Juli“ nach Berlin versetzt. Hier war er maßgeblich an Verhören und brutalen Misshandlungen beteiligt und ließ Hinrichtungen von Verdächtigen im KZ Flossenbürg durchführen. Im April 1945 war er für die Exekutionen von rund 15 politischen Häftlingen aus dem Zellengefängnis Lehrter Straße in Berlin-Moabit verantwortlich. Stawizki setzte sich vor Ende des Krieges aus Berlin ab und erhielt von der Gestapo in Flensburg Geld und gefälschte Papiere auf dem Namen Kurt Stein. Er ließ sich im Oktober 1945 in Bad Godesberg nieder und arbeitete von 1953 bis zu seinem Tod unbehelligt bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), u.a. in der dortigen Registratur. In den 1960er Jahren ermittelte die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen Stawizki und warf ihm vor, an der Ermordung von mindestens 160.000 Juden beteiligt gewesen sein Im Zuge weiterer Ermittlungen kam 1970 heraus, dass Kurt Stawizki als Kurt Stein in Bad Godesberg gelebt hatte.

Text: Katharina Tenti