Fritz Janik
(7.7.1902 in Görlitz - 3.11.1992)
Dr. med.
Wohnadressen (Hamburg): Kindtsweg 5, Lohmannsweg 23, Rodigallee 62
Wirkungsstätten: u.a. Gesundheitsamt Hamburg-Harburg, Gesundheitsamt bei der deutschen Stadtverwaltung im von der Wehrmacht besetzten Warschau, Gesundheitsamt Hamburg-Wandsbek, Gesundheitsbehörde Hamburg
Fritz Wilhelm Karl Janik verließ 1921 die Oberrealschule in Görlitz mit dem Abitur. Danach absolvierte er zunächst eine kaufmännische Ausbildung und arbeitete anschließend bei einer Bank, um sich das Medizinstudium zu finanzieren. 1927 begann er zu studieren, erst in Freiburg, dann in Rostock. Darauf folgend war er als Medizinalpraktikant an der Universität Rostock und dem Allgemeinen Krankenhaus St. Georg in Hamburg tätig. Privat gehörte er von etwa 1925 bis 1927 dem Friedrich-Naumann-Bund an, benannt nach dem ersten Vorsitzenden der Deutschen Demokratischen Partei. Im Dezember 1933 erhielt Janik die Approbation als Arzt und wurde im Januar 1934 an der Universität Rostock promoviert. Noch im selben Jahr begann er als Assistenzarzt am Bakteriologischen Institut der Universität Rostock und wechselte 1935 zwecks Ausbildung zum Amtsarzt an das Staatliche Gesundheitsamt Hamburg. Parallel besuchte er die Staatsmedizinische Akademie Berlin-Charlottenburg und bestand dort 1936 die Amtsarztprüfung. Im selben Jahr wurde er zum Physikus im hamburgischen Staatsdienst ernannt. 1938 übernahm er die Leitung des Gesundheitsamts Hamburg-Harburg. Spätestens 1939 erfolgte seine Beförderung zum Medizinalrat, spätestens 1941 zum Obermedizinalrat.[1]
Staatliche Gesundheitsämter waren erst im NS-Staat durch das „Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens“ zum 1.4.1935 eingerichtet worden und dienten, so der Arzt und Historiker Johannes Donhauser, „in erster Linie zur Umsetzung der biologistischen, selektionistischen und rassistischen NS-Bevölkerungspolitik.“[2] Auch Fritz Janik war in seiner Funktion als Amtsarzt sowohl an den Zwangssterilisationsverfahren auf Basis des seit Januar 1934 geltenden NS-Gesetzes „zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ beteiligt als auch an den Patientenmordaktionen des NS-Regimes zur „Vernichtung unwerten Lebens“, denen Kinder und Erwachsene ausgeliefert waren.
Im Zwangssterilisationsverfahren des 1910 in Emmerich geborenen, in Hamburg lebenden Kellners und Fahrstuhlführers bei Karstadt Arnold Heinrich Verfürth beispielsweise spielte Janik eine aktive Rolle. Er beantragte als Amtsarzt beim Hamburger Staatlichen Gesundheitsamt Verfürths Unfruchtbarmachung beim „Erbgesundheitsgericht“ (EGG) wegen „chronischem Alkoholismus“ und „Neigung zu asozialen Handlungen“. Bei Letzterem handelte es sich um keine gesetzlich festgelegte Indikation für eine Zwangssterilisation. Doch galt auch „Asozialität“ im NS-Regime als vererbbar und verstärkte die Diagnose. Im Mai 1935 beschloss das EGG auf der Basis von Janiks Ausführungen die Sterilisation des zweifachen Familienvaters „gegebenenfalls auch gegen seinen Willen“ wegen „Trunksucht auf erblicher Veranlagung“. Arnold Heinrich Verfürths Ehefrau Gertrud, geborene Monien, hatte bereits kurz vorher in einem Schreiben an das Gericht Janiks Diagnose energisch abgestritten, da sie nur auf Verleumdungen basierte, und er selbst legte auch mit dieser Begründung offiziell Widerspruch gegen die Entscheidung ein. Mit Erfolg: Ende Januar 1936 lehnte das nun zuständige Hamburger Erbgesundheitsobergericht (EGOG) Janiks Antrag ab. In seiner Begründung führte das Gericht aus, dass sich in der Verhandlung bei Verfürth „keine Spuren alkoholischer Zerrüttung“ zeigten. Auch wenn „gewisse Anhaltspunkte für eine Trunksucht des Verfürth gegeben sind“, so das EGOG, würden diese nicht ausreichen, um einen schweren Alkoholismus festzustellen. Anders als ebenfalls von Janik behauptet, ließe sich auch bei dem Vater und den Brüdern Verfürths nicht feststellen, dass diese „Trinker“ seien. Janik gab jedoch nicht auf und ließ sich „die Sache“ auf Wiedervorlage 1. Dezember 1936 legen, um dann neue Informationen von der „Trinkerfürsorge“ zu bekommen. In der Folge sorgte er mit einem weiteren Gutachten dafür, dass das Hamburger Amtsgericht Arnold Heinrich Verfürth im November 1937 unter vorläufige Vormundschaft stellte, gefolgt von einer zeitlich unbefristeten Entmündigung im Januar 1940.[3] Damit hatten Betroffene nicht mehr die Möglichkeit, ihren Aufenthaltsort selbst zu bestimmen. In der NS-Zeit dienten beide Maßnahmen unter anderem dazu, Menschen auch gegen ihren Willen in eine geschlossene Fürsorgeanstalt einzuweisen.
Darüber hinaus war Janik auch in die sogenannten Reichsausschussverfahren involviert, die zwischen 1939 und 1945 die Tötung geistig und körperlich behinderter Säuglinge und Kleinkinder zur Folge hatten. Ab Mitte 1939 begann ein neugegründeter „Reichsausschuß zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden“ die Zusammenarbeit von Reichsministerien mit lokalen Gesundheitsbehörden, Gesundheitsämtern und Kinderfachabteilungen zu koordinieren, um in einem festgelegten Verfahren das Lebensrecht von Kindern zu bestimmen und die außerhalb von Anstalten lebenden behinderten Kinder in „Kinderfachabteilungen“ beforschen und als „unwertes Leben“ töten zu lassen. In Hamburg wurde eine solche Kinderfachabteilung im Kinderkrankenhaus Rothenburgsort eingerichtet. Nach einem als „streng vertraulich“ gekennzeichneten Runderlass des Reichsausschusses vom 18. August 1939 mussten Hebammen und Ärzt:innen „verdächtige Kinder“ dem jeweils zuständigen Gesundheitsamt melden. Die dort beschäftigten Amtsärzte, zu denen in Hamburg auch Fritz Janik gehörte, sollten die Meldepflicht überwachen und wenn nötig Druck auf die Eltern ausüben. Sie mussten zudem die ausgefüllten Meldebogen an den Reichsausschuß weiterleiten.
Für Hamburg lassen sich zumindest zwei Fälle belegen, bei denen Fritz Janik als Amtsarzt beim Gesundheitsamt Hamburg-Harburg an der Kinder-„Euthanasie“ beteiligt war. Am 28. Juni 1945 schrieb der Chefarzt der Kinderklinik im Hamburger Universitätskrankenhaus Eppendorf Rudolf Degkwitz dem Hamburger Oberregierungsrat Lothar Danner, Polizeipräsidium, Folgendes:
„Im Spätsommer oder Herbst 1942 wurde ich von einer Familie Flohr, Bauunternehmer aus Harburg, Lohmannsweg, angerufen, dass ihr Kind von dem damaligen Amtsarzt im Gesundheitsamt Harburg in das Rothenburgsorter Kinderkrankenhaus eingewiesen sei, weil dort von Berlin aus Einrichtungen getroffen wären, um solche Kinder mit besonders guter Erfolgsaussicht zu behandeln. Es handelte sich um ein Kind mit Wasserkopf, dass von Professor Brütt und mir zweimal operiert worden war. Die Eltern des Kindes wiesen mir gegenüber telephonisch aufs heftig (sic!) dieses Ansinnen zurück, weil ,man ja wisse, was dort mit den Kindern geschähe’. Ich rief daraufhin den Amtsarzt Dr. JANNICK (sic!) in Harburg an und fragte, was es mit dieser Einweisung für eine Bewandtnis habe. Dr. Jannick (sic!) erklärte, mir das nicht am Telephon sagen zu können, und riet mir, den Senator Ofterdinger anzurufen, der es mir aber auch nicht am Telephon sagen könne und meinte, ich müßte doch wissen, worum es sich da handele. Ich habe dann persönliche Informationen eingezogen und hörte, daß mit der Zustimmung von Herrn Ofterdinger geistig nicht vollwertige Kinder in Rothenburgsort durch Herrn Bayer umgebracht würden. […] Ein Gesetz, das Ärzten erlaubt, Menschen umzubringen, ist in keinem Gesetzblatt erschienen. Besonders verwerflich erscheint mir, dass die Einweisung solcher Kinder unter Täuschung der Eltern geschah, wie das im Falle Flohr der Fall war. Ich möchte Ihnen daher eine Anzeige über diese Angelegenheit und bitte Sie, eine Untersuchung vornehmen zu lassen.“[4]
Im Rahmen seines Entnazifizierungsverfahrens verdrehte Janik dagegen auf geradezu infame Weise die Sachverhalte, um sie als positives Beispiel für seine eigene Widerständigkeit und Integrität zu nutzen: „Die Begründung meiner Einspruchsschrift möchte ich schließlich noch auf den Fall des Kindes Cornelia Flohr ausdehnen, der Herrn Professor Dr. Degkwitz auch persönlich bekannt ist. Cornelia Flohr wurde mit einem schweren Leiden in einer Universitätsklinik in Hamburg behandelt, ihr drohte aufgrund einer bei der Gesundheitsverwaltung Hamburg eingegangenen Anzeige die Euthanasie. Im Widerstreit mit meiner dienstlichen Pflicht habe ich den Vater des Kindes darüber belehrt, wie er sich gegenüber etwaigen amtlichen Zwangsmaßnahmen verhalten sollte, um sein Kind dem Angriff zu entziehen. Ich habe dann die Angelegenheit selbst dienstlich so behandelt, dass der Eingriff schließlich unterblieb. Der Vater des Kindes, Dipl.-Ing. Flohr, Hamburg-Harburg, Akazienallee, kann die Richtigkeit meiner Angaben bezeugen.“[5] Eine Aussage des Vaters liegt allerdings nicht vor.
Der zweite Fall betrifft die am 4. Juni 1940 in Hamburg-Harburg geborene Helga Deede. Als sie im Alter von drei Monaten erstmals an Krämpfen litt und ihre geistige Entwicklung stagnierte, suchten ihre Eltern mit ihr das Gesundheitsamt Harburg auf. Hildegard Thevs, die Helga Deedes Biografie verfasste, schrieb dazu: „Dort eröffnete ihr eine Ärztin – nach Erinnerung der Mutter nicht der Amtsarzt selbst –, dass sie Helga ,nach Berlin’ melden müsse und das Kind in eine Anstalt kommen werde. Tatsächlich meldete Janik Helga Deede, dem Amtsweg entsprechend, an den ,Reichsausschuss’ nach Berlin.“ Im Oktober 1944 erhielten die Eltern die Nachricht, „von Berlin“ sei Bescheid gekommen, Helga in das Kinderkrankenhaus Rothenburgsort zu bringen. Das taten die Eltern – und erfuhren nur wenige Tage später, am 30. Oktober 1944, dass ihre Tochter gestorben sei. Die Stationsärztin der chirurgischen
Abteilung des Kinderkrankenhauses, Gisela Schwabe, hatte sie mit einer hohen Dosis Luminal getötet.[6] Dass Janik noch weitere Kinder, aber auch Erwachsene den Patientenmordaktionen auslieferte, ist angesichts der vorliegenden Beispiele nicht unwahrscheinlich.
Wie überzeugt er von der nationalsozialistischen „Rassenhygiene“ war, zeigt sein im Januar 1943 in der Fachzeitschrift Der Öffentliche Gesundheitsdienst veröffentlichte Aufsatz mit dem Titel „Zur Frage der Sozialen Hygiene“. Darin bezeichnet er die „Rassenhygiene“ – also die Vernichtung „unwerten Lebens“ und Förderung angeblich „rassisch wertvoller“ Erbanlagen in der Bevölkerung – als das Fundament der Gesundheitspolitik und damit auch der Gesundheitsfürsorge und schlägt vor, statt „soziale Hygiene“ künftig die Begriffe „sozialbiologische Hygiene“ oder „volksbiologische Hygiene“ zu verwenden.[7]
Politisch gehörte Janik seit dem 4.11.1933 der SA an und fungierte als Arzt für mehrere „Stürme“, Organisationseinheiten aus bis zu 240 Männern. Zuletzt hatte er den Rang eines Sanitätssturmführers inne. 1936 trat er in die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) ein und zum 1.5.1937 sowohl in die NSDAP (Mitgliedsnummer 4229146) als auch in den NS-Ärztebund. Von 1937 bis 1939 gehörte er zudem dem NS-Altherrenbund an, 1942/43 dem Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA), einer von der NSDAP betreuten Organisation.[8] Damit beteiligte sich Janik sowohl aktiv als auch durch das Entrichten von Mitgliedsbeiträgen gleich an einer ganzen Reihe nationalsozialistischer Organisationen.
Ob Janiks Mitgliedschaft im VDA mit seinem Karrieresprung zusammenhing, lässt sich nicht belegen, aber vermuten, denn im März 1943 wurde er zum Amtsarzt und Leiter des Gesundheitsamts bei der deutschen Stadtverwaltung in Warschau im von Deutschland besetzten Polen („Generalgouvernement“) ernannt.[9] Laut dem polnischen Radiologen Marian Rogalski, der in jener Zeit am Karol-und-Maria-Krankenhaus in Warschau tätig war, hatte Janik vorher bereits die Funktion eines Amtsarztes in Krakau inne.[10] Dem Historiker Donhauser zufolge fungierten die neu errichteten Gesundheitsämter im besetzten Polen als „Exerzierfeld für Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, wo sie bar jeglicher normativen Grenzziehung ihre Programme zur Menschenvernichtung unter dem Deckmantel seuchenpolizeilicher Maßnahmen umsetzen konnten.“[11]
Kurz vor oder mit Beginn des Warschauer Aufstands – der militärischen Erhebung der Polnischen Heimatarmee Armia Krajowa gegen die deutsche Besatzungsmacht vom 1. August bis 2. Oktober 1944 – floh Janik in das 50 Kilometer entfernte Sochaczew.[12] Von dort aus organisierte er Anfang September 1944 den Abtransport zahlreicher medizinischer Geräte aus Warschauer Krankenhäusern. Über diesen Raub berichtete Marian Rogalski ausführlich: „Anfang September 1944, nachdem die Deutschen das Karol-und-Maria-Krankenhaus, in dem ich arbeitete, geräumt hatten, befand ich mich im Wolski-Krankenhaus in der Plocka-Straße 26 in Warschau. Dort kam Dr. Janik mit zwei Lastwagen, einer Eskorte von acht SS-Männern [und] einem Trupp polnischer Arbeiter an und verlangte, dass ich ihn als Experte zur Demontage elektromedizinischer Geräte in den Krankenhäusern begleite.“[13] Aus mindestens fünf Warschauer Krankenhäusern, so Rogalski, ließ Janik Röntgengeräte, Sterilisationsapparate, Lampen aus Operationssälen und vieles mehr abtransportieren. Anschließend sei die gesamte geraubte Ausrüstung verpackt und mit der Aufschrift „Dr. Janik“ versehen zum Westbahnhof transportiert und in Waggons verladen worden. Wohin die Geräte gebracht wurden und was mit ihnen geschah, ist nicht bekannt. Nach einer groben Schätzung, gab Rogalski abschließend zu Protokoll, „betrug der Wert der weggeschafften Geräte nach den Preisen von 1939 zwischen 600.000 und 800.000 Zloty“,[14] nach heutigem Umrechnungskurs (April 2025) zwischen 143.000 und 192.000 Euro.
Nach seiner Tätigkeit in Warschau und wahrscheinlich noch 1944 wurde Janik zum Leiter der im damaligen Schlesien gelegenen „Ausweichstelle“ Warmbrunn (heute Cieplice Śląskie-Zdrój in Polen) der Hauptabteilung Gesundheitswesen in der Regierung des „Generalgouvernement“ ernannt.[15] In dem Ort, der damals um die 6000 Einwohner:innen hatte, befand sich auch ein Außenlager des KZ Groß-Rosen.
Mitte April 1945 fuhr Janik zudem im Auftrag des Reichsinnenministeriums nach Dänemark zwecks „Betreuung der deutschen Flüchtlinge“.[16] Dabei handelte es sich um Deutsche hauptsächlich aus Ostpreußen, Pommern und den baltischen Ländern, die die Wehrmacht zwischen dem 11. Februar und dem 5. Mai 1945 über die Ostsee in das von NS-Deutschland besetzte Dänemark brachte.
Nach Kriegsende übernahm Janik umgehend wieder die Leitung des Gesundheitsamts Harburg. Damit wurde er Nachfolger Otto Buurmanns, der diese Position ab 1944 inne hatte, von 1941 bis 1943 stellvertretender Leiter der Gesundheitsabteilung in der Regierung des „Generalgouvernements“ war und nun zum Leiter der Abteilung Gesundheit im niedersächsischen Sozialministerium befördert wurde.[17] Doch am 25. August suspendierte die Britische Militärregierung Janik wegen seiner NS-Belastung von seiner ärztlichen Praxistätigkeit und entließ ihn aus dem Beamtenverhältnis.[18]
Im Rahmen des Entnazifizierungsverfahrens, das mit Abgabe seines ausgefüllten Entnazifizierungsfragebogen Ende Juli 1945 begonnen hatte, reichte Janik zahlreiche Leumungszeugnisse ein, die ihn entlasten sollten, unter anderem vom einstigen Reichstreuhänder für die öffentlichen Versicherungsanstalten beim Generalgouvernement für die deutsch besetzten polnischen Gebiete Heinrich Niehuus, dem beim Gesundheitsamt bei der deutschen Stadtverwaltung von Warschau für die „Aufsicht über das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen der polnischen Krankenhäuser der Stadt Warschau“ zuständigen Verwaltungsbeamten Bruno Morawietz und dem Leiter des von der deutschen Besatzung übernommenen Hygieneinstituts Warschau Robert Kudicke, der in dieser Funktion „maßgeblich eingebunden war in die Etablierung des Warschauer Gettos“.[19] Janik verfasste zudem selbst mehrere, teilweise ausführliche apologetische Schreiben, in denen er sich unter anderem als unfreiwilliges Mitglied der SA und der NSDAP bezeichnete und behauptete, in Warschau nur zum Wohle der polnischen Bevölkerung tätig gewesen zu sein. Belege der erst genannten Aussage sowie Schreiben von Pol:innen, die die letztgenannte Behauptung bestätigten, fügte er jedoch nicht hinzu.[20]
Am 21. August 1945 erreichte die Britische Militärregierung ein Schreiben „aller in Harburg überprüften Ärzte, die mit Genehmigung der Militärregierung im Amt bleiben können“. Die – allerdings nicht namentlich unterzeichnenden – Verfasser teilten mit, dass Janik ihren Informationen nach „ein fanatischer Nazi“ sei und dies wiederholt bewiesen hätte und forderten seine Entlassung. Am 25. August 1945 folgte Janiks bereits erwähnte Suspendierung und Entlassung. Rund vier Wochen später legte er dagegen Einspruch ein. Das Berufungsverfahren dauerte fast zwei Jahre. In dem Rahmen veranlasste Rudolf Degkwitz, nunmehr Leiter der Hamburger Gesundheitsbehörde, eine Überprüfung der Behauptung Harburger Ärzte von August 1945, nach denen Janik ein „fanatischer Nazi“ gewesen sei. Konkrete Ergebnisse der Überprüfung liegen nicht vor, der Berufungsausschusses bezeichnete die Angelegenheit allerdings am 8. Januar 1947 als „zweifelhaften Fall“, der zunächst nicht bearbeitet würde. Am 7. März 1947 durfte Janik seine ärztliche Praxistätigkeit vorläufig wieder aufnehmen.[21] Nach einer persönlichen Vernehmung am 11. Februar 1948 durch den Berufungsausschuss folgte dieser Janiks Argumentation. Er gab am 18. Februar 1948 der Berufung statt und stufte ihn in Kategorie V, „Entlastete“, ein. In seiner Begründung schrieb der Ausschuss, Janik sei „offenbar unter einem gewissen Druck der SA beigetreten“ und hätte durch „einwandfreie Zeugen nachgewiesen, daß er sich in Polen anständig verhalten“ hätte. Auch sei seine Mitgliedschaft in der NSDAP nur „nominell“ gewesen, da er „politisch nicht aktiv“ war.[22]
Daraufhin beschäftigte die Stadt Hamburg Janik wieder, zunächst vorübergehend beim gerichtsärztlichen Dienst, ab 1950 als Amtsarzt des Gesundheitsamts Wandsbek. 1957 folgte seine Beförderung zum Leiter des Dezernats „Medizinalwesen, Öffentliche Hygiene und Seuchenbekämpfung“ bei der Hamburger Gesundheitsbehörde.[23] Während seiner Dienstzeit war er auch mit dem Contergan-Skandal beschäftigt.[24] Lange Zeit war er zudem neben diversen anderen Funktionen und Ämtern auch auf Bundesebene stellvertretender Vorsitzender des Hamburger Vereins der Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes und Vertreter der Gesundheitsbehörde in der Ärztekammer Hamburg.[25]
Am 31. Juli 1968 ging Fritz Janik in den Ruhestand. In einer ausführlichen Würdigung in der Fachzeitschrift Das Öffentliche Gesundheitswesen bezeichnete sein ehemaliger Kollege Hans Grieve – NSDAP ab 1933 und ehemaliger SA-Sanitätssturmführer, als Amtsarzt beim Hamburger Gesundheitsamt selbst Gutachter in Kinder-„Euthanasie“-Verfahren sowie in den 1960er-Jahren Leiter des Gesundheitsamts Mitte[26] – ihn als „profilierte[n] und vielseitige[n] Medizinalbeamten“ mit „überragenden Fähigkeiten“ und pries seinen „unbestechlichen Charakter, seine Weitsicht und seine umfassenden Kenntnisse“, die ihm ein „hohes Ansehen“ verschafft hätten.[27] Nicht zuletzt hob Grieve Janiks Humor und die „geistreichen Sentenzen“ hervor, die viele seiner Reden „würzten“. Janiks Tätigkeit im besetzten Polen erwähnte Grieve dagegen mit keinem Wort. Laut seinen Ausführungen war Janik vielmehr von 1938 bis 1945 durchgehend Amtsarzt in Harburg – eine klare Lüge.[28] Am 1. Januar 1969 wählte das Deutsche Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose e.V. Fritz Janik zu seinem Generalsekretär.[29] Am 3.11.1992 starb er im Alter von 90 Jahren in Hamburg.
Text: Frauke Steinhäuser