Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Hans Möckelmann

(29.11.1903 Hamburg - 18.1.1967)
Universitätsprofessor, Direktor des Walddörfer-Gymnasiums, Oberschulrat für die Hamburger Gymnasien
Halenreie 44 (Wohnadresse 1953)


Hans Peter de Lorent schreibt in seinem Band 3 der „Täterprofile“ [0] über Prof. Hans Möckelmann unter der Überschrift: „Hinter dem Kampf für die Gleichberechtigung der Frau verbarg sich vielfach krasser Liberalismus, der in seinem Streben nach Loslösung von Familie und Volk rassenpolitisch die stärksten Gefahren in sich tragen musste“:
Zur Gruppe der Personen, die nach 1945 in Hamburg eingestellt wurden und im schulischen Bereich Karriere machten, gehört Prof. Hans Möckelmann. Er war schon 1931 und während der NS-Zeit im Sportbereich als Direktor verschiedener Hochschulinstitute erfolgreich, wurde 1939 außerordentlicher Universitätsprofessor, kurz darauf zur Wehrmacht einberufen, in der er bis Ende des Krieges zum Bataillonsführer und Major befördert worden war. Zwischenzeitlich arbeitete er 1941 ein Jahr im Reichserziehungsministerium in Berlin. Insgesamt eine Karriere, die wesentlich durch die Mitgliedschaft in der NSDAP und der SS sowie den einflussreichen Führer der Deutschen Psychologie während der NS-Zeit und Doktorvater von Hans Möckelmann, Prof. Erich Jaensch, an der Universität Marburg gefördert wurde. Erstaunlich, dass Möckelmann, der sich in Schleswig-Holstein entnazifizieren ließ, in Hamburg 1948 in den Schuldienst kam. Schon zwei Jahre später wurde er zum Direktor des Walddörfer-Gymnasiums berufen, fünf Jahre danach zum Oberschulrat für die Gymnasien in Hamburg.

Hans Möckelmann war am 29.11.1903 in Altona als Sohn des Volksschulrektors Nicolaus Möckelmann zur Welt gekommen. Nach der Volksschule besuchte er das Christianeum, an dem er 1922 die Reifeprüfung bestand. Anschließend studierte er an den Universitäten Hamburg, Berlin und Marburg Geschichte, Deutsch, Psychologie und Leibeserziehung, mit dem Ziel, die wissenschaftliche Prüfung für das höhere Lehramt abzulegen, was er am 17.4.1928 in Marburg erfolgreich tat.
Zwischenzeitlich hatte er 1924 in Hamburg die Turnlehrer-Prüfung bestanden, 1927 die Schwimm- und Ruder-Lehrerprüfung in Berlin.[1] Hans Möckelmann promovierte 1927 in Psychologie[2], sein Doktorvater an der Universität Marburg war Professor Erich Jaensch, der in der NS-Zeit eine bedeutende Rolle spielen sollte. Darauf wird noch einzugehen sein. Die weiteren Stationen sind schnell erzählt. Möckelmann arbeitete 1926 und 1927 als Hilfsassistent bei Prof. Jaensch an der Universität Marburg, wechselte 1928 in den Vorbereitungsdienst des Realgymnasiums in Gießen, aus dem er am 1.1.1929 ausschied, um eine Planstelle als akademischer Turn- und Sportlehrer zu übernehmen, aus der er am 1.7.1931 zum Direktor des Instituts für Leibesübungen im Gießen ernannt wurde. Parallel dazu bereitete er seine Habilitation vor. Im Wintersemester 1932 erhielt er die venia legendi für Psychologie und Pädagogik unter besonderer Berücksichtigung der Leibeserziehung.[3]
Die akademische Karriere war somit planmäßig noch in der Zeit der Weimarer Republik angelegt. Die nächsten Stationen Möckelmanns führten ihn nach Königsberg, wo er ebenfalls das Hochschulinstitut für Leibesübungen als Oberregierungsrat leitete. Anschließend kehrte er zum 1.11.1937 zu Prof. Jaensch an die Universität Marburg zurück, um dort ebenfalls als Oberregierungsrat zu arbeiten.
Die weitere Karriere des Hans Möckelmann wäre ohne seine Hinwendung zum Nationalsozialismus und die besondere Förderung durch Prof. Erich Jaensch nicht möglich gewesen. Jaensch war es auch gewesen, der in einem Schreiben vom 14.10.1937, das er über Rektor Prof. Leopold Zimmerl an den Minister für Wissenschaft und Erziehung nach Berlin geschickt hatte, in dem es bezüglich der Nachbesetzung einer Stelle zum Gebiet „Wissenschaftliche Grundlagen der körperlichen Erziehung“ hieß: „Wir wenden uns an den Herrn Minister mit der ehrerbietigen Bitte, diesen besonders günstigen Bedingungen zu einer bevorzugten Pflege gerade dieses Faches und damit zugleich der Gesamttradition unserer Universität auch weiterhin Rechnung zu tragen und uns … einen Nachfolger zu geben, der das Fach nicht nur in guter, sondern in führender Weise zu vertreten befähigt wäre. Der einzige, der diesen Wünschen in jeder Hinsicht voll und ganz entspricht, ist Oberregierungsrat Dr. Hans Möckelmann, Direktor des Hochschulinstitutes für Leibesübungen in Königsberg. Möckelmann gewinnt nicht nur in immer zunehmendem Maße die Führung in seinem Fache, er ist namentlich auch mit Marburg eng verbunden, in der hiesigen Tradition aufgewachsen und in einem Maße wie kein anderer befähigt sie fortzuführen.“[4]

Möckelmann war zum 1.5.1933 in die NSDAP eingetreten.[5]
Als der Rektor der Marburger Universität, der Jurist Prof. Leopold Zimmerl, der schon im Juni 1931 Mitglied der NSDAP geworden war, sich im Streit mit dem Dozenten- und Gaudozentenbundführer Kurt Düring befand, in dem Zimmerl den Dozentenführer zwang, sein Amt an der Universität Marburg niederzulegen und „seinen vermeintlichen Vertrauten“, Hans Möckelmann, in diese Funktion zu bringen, schien die Auseinandersetzung beendet. „Zimmerl hielt Möckelmann, für dessen Berufung von Königsberg nach Marburg er sich 1937 eingesetzt hatte, für einen ‚aufrechten und anständigen Menschen, mit dem ich sehr gut arbeiten kann‘“.[6]
Rektor Zimmerl sollte sich täuschen. Anne Christine Nagel und Ulrich Sieg stellten in ihrer Geschichte der Philipps-Universität Marburg fest, dass sich Hans Möckelmann, „von Zimmerl zunächst als ‚Retter in der Not‘ begrüßt, nur allzu rasch aus der Perspektive des Rektors als Sympathisant des feindlichen Lagers erwies: Eine heimlich von Dozentenbundführer Möckelmann und Senatsmitglied Siegfried Reicke ins Reichserziehungsministerium nach Berlin unternommene Reise mit dem Ziel, den Rektor von seinem Amt entbinden zu lassen, besiegelte nur wenige Monate später das Ende der ‚Ära Zimmerl‘.“[7] Sie verwiesen darauf, dass Möckelmann die Leitung der Dozentenschaft und des Dozentenbundes seit dem Wintersemester 1938/39 in den Händen hatte.[8]

Hans Möckelmann freilich stellte sein Engagement für den NS-Dozentenbund ganz anders dar, als er sich 1947 in Schleswig-Holstein entnazifizieren lassen wollte. Seine Strategie war, zu behaupten, sich nur in Auseinandersetzungen mit NS-Organisationen oder deren Vertretern befunden zu haben und so verharmloste er auch seine Tätigkeit im NS-Dozentenbund an der Universität Marburg:
„Seit Anfang 1938 beteiligte ich mich an den regelmäßigen Aussprachen des NS-Dozentenbundes, an dem auch Nicht-Parteigenossen teilnahmen. Es war damals noch eine lose Vereinigung ohne Beitrag und Mitgliedskarte. In einem ernsthaften gegenseitigen Konflikt zwischen dem damaligen Rektor und dem NS-Dozentenbundführer wurde ich von beiden Parteien als von außerhalb kommender und darum unbefangener Dozent zum Schlichter gewählt. Der Konflikt der beiden alten Kämpfer endete mit der Entlassung des Dozentenbundführers durch den Gauleiter Weinrich und dem gleichzeitigen mündlichen Auftrag an mich, die Geschäfte bis zur Ernennung des neuen Dozentenbundführers zu verwalten. Da der Auftrag nur wenige Wochen dauern sollte, konnte ich mich ihm nicht entziehen. Als junger Parteigenosse war ich offenbar nicht zuverlässig genug, darum wurde der Marburger Kreisleiter mir übergeordnet. Als sich dann nach einigen Wochen zeigte, dass ein geeigneter Dozentenbundführer nicht so schnell gefunden wurde, stellte ich mein Amt zur Verfügung mit der Begründung, dass es mir zeitlich und sachlich unmöglich wäre, den Kreisleiter ständig in interne und verwickelte Universitätsangelegenheiten einzuweihen. Meine Ablösung erfolgte nicht, die Folge meines Schrittes gab aber dem Kreisleiter Anlass, mich öffentlich zu schneiden und mir überall Schwierigkeiten zu bereiten. Erst als ich im Juni 1939 zu einer militärischen Übung einberufen wurde und durch den nachfolgenden Krieg wurde ich von diesem Posten befreit.“[9] Die Macht in seiner Funktion als Dozentenbundführer hatte Möckelmann nicht beschrieben. Er wies allerdings im Weiteren darauf hin, wie seine Beziehungen zum Reichserziehungsministerium entstanden waren, bei dem er die Abberufung des Rektors der Universität Marburg erreicht hatte: „Während meiner Tätigkeit in Königsberg und Marburg seit 1936 wurde ich als ständiger wissenschaftlicher Berater vom Reichserziehungsministerium herangezogen.“[10]
Wer im Entnazifizierungsausschuss sollte später die Möglichkeit haben, hier Nachprüfungen anzustellen oder Zusammenhänge zu verstehen? Hans Möckelmann hatte zielgerichtet seine Karriere geplant und erreichte, an der Universität Marburg am 13.4.1939 zum außerordentlichen Professor ernannt zu werden. Er befand sich im Einflussbereich seines Doktorvaters Prof. Erich Jaensch, der seit 1933 Direktor des Instituts für psychologische Anthropologie an der Universität in Marburg war, seit 1933 Mitglied der NSDAP, seit 1932 förderndes Mitglied der SS und Mitglied des Kampfbundes für deutsche Kultur, seit 1936 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Psychologie und Herausgeber der „Zeitschrift für Psychologie“.[11] Einen mächtigeren Paten hätte sich Hans Möckelmann nicht wünschen können.

Wie sein Mentor orientierte sich Hans Möckelmann auch auf die SS, der er am 28.6.1938 beitrat (Mitgliedsnummer 312299)[12], was er in seinem Entnazifizierungsfragebogen vom 7.9.1947 verfälschte, als er bei Frage 42 „Mitglied der Allgemeinen SS, ja oder nein?“, „nein“ schrieb.[13]
Bevor ich mich dem Entnazifizierungsverfahren zuwende, will ich mich noch einmal mit den inhaltlichen Positionen und Veröffentlichungen von Hans Möckelmann beschäftigen. Diese sollten für Möckelmann auch zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt noch einmal bedeutsam werden.
Möckelmann war vom Entnazifizierungsausschuss in Schleswig-Holstein am 5.12.1947 gebeten worden, die von ihm veröffentlichten Schriften, die er in seinem Fragebogen erwähnt hatte, bei dem Ausschuss einzureichen.[14] Er tat dies, musste nach eigenen Angaben erst einige Bibliotheken anschreiben und legte am 22.1.1948 „die vom Ausschuss angeforderten Schriften mit einer Erläuterung vor“.[15] Hans Möckelmann ging dabei geschickt vor. Er präsentierte zwei Veröffentlichungen aus den Jahren 1929 und 1933, die vor der NS-Herrschaft geschrieben waren und kein NS-Gedankengut enthielten. Er räumte ein, dass „die dritte Schrift, in zwei Teilen erschienen, ‚Die körperliche Erziehung in den Entwicklungsstufen als Grundlage der Jugendführung‘ ,nationalsozialistische Gedanken‘“ enthielten „und könnte bei bloß oberflächlicher Betrachtung und ohne Kenntnis der Zusammenhänge politisch belastend erscheinen“.[16]
Sicherlich standen Hochschullehrer, die veröffentlichen wollten und mussten, vor dem Problem, dass staatliche Stellen und Verlage vor einer Veröffentlichung prüften, ob die Manuskripte der NS-Ideologie entsprachen und diese beförderten. Insofern war der eigene Karrierewunsch gekoppelt an entsprechendes Wohlverhalten.

Möckelmann schrieb dazu:
„Bevor es zur Drucklegung kam, wurde die parteiamtliche Kommission zur Überprüfung des gesamten Schrifttums geschaffen (Amt Rosenberg). Dass ein Buch über Erziehung und Jugendführung ohne irgendwelche Zugeständnisse an die NS-Ideologie die Zensur passieren konnte, war undenkbar. Trotzdem sind diese Zugeständnisse nur äußerer Art. Sie bestehen in einigen Zitaten Hitlers und Erwähnungen des Nationalsozialismus. Baldur von Schirach und Darré wurden je einmal zitiert. Demgegenüber habe ich aber auch keine Bedenken getragen, Roosevelt zu zitieren. Inhaltlich sind die belastenden Zitate unpolitisch.“[17]

Und weiter behauptete Möckelmann:
„Demgegenüber wird jeder nicht bloß oberflächliche Leser feststellen müssen, dass zum Beispiel die Behandlung der Rassenfrage ohne Konzession an die NS-Rassenlehre erfolgte. Man wird vergebens nach antisemitischen Äußerungen, nach einer Verächtlichmachung anderer Rassen und Völker, oder nach der NS-Lehre von der nordischen ‚Hochrasse‘ suchen, während auf jüdische Wissenschaftler Bezug genommen wurde. Einzig und allein die Sorge um die Erhaltung des deutschen Volkstums kommt hier zum Ausdruck.“[18]

Möckelmann schloss damit:
„Sowohl aus meinem bereits eingereichten politischen Entwicklungsweg wie aus meinen Schriften, so glaube ich, geht hervor, dass ich alle Anstrengungen gemacht habe, mir die Freiheit des Gewissens und der beruflichen und wissenschaftlichen Arbeit zu erhalten, auch in der Zeit, wo ich die verhängnisvolle Rolle Hitlers noch nicht durchschaut hatte. Dass ich in meinem politisch ‚gefährlichen‘ Beruf und in meiner Stellung, die ich nicht nationalsozialistischer Gunst verdanke, den Preis äußerer Konzessionen an die Partei zahlen musste, wird niemand bestreiten können, der sich je in ähnlicher Lage durchkämpfen musste.“[19]
Es soll jetzt einmal nachgeprüft werden, ob die Aussagen Möckelmanns in Kenntnis seiner Schriften nachvollziehbar und berechtigt sind.
Nicht eingereicht hatte Möckelmann eine Veröffentlichung aus dem Jahre 1939, „Leibesübungen und körperliche Erziehung“, in der er schrieb: „Die bloße Schau, auch die Einsicht genügen nicht, so notwendig und unentbehrlich sie immer sein mögen, wenn sie nicht mit jener Kraft gepaart sind, die irgendwie immer auf den Grundlagen des Leibes und des an den Leib gebundenen untrügerischen Instinktes fußen. Der Mann des Volkes aber und der Tat vermochte in dem wachen Lebensgefühl, im sicheren Instinkt, in der lauteren Gesinnung, im kraftvollen Tatwillen des rassisch gesunden und volkhaft gebundenen Menschen die untrüglichen Wegweiser für ein Reich neuer Werte aufzudecken.“[20]
Vielleicht NS-Phraseologie, aber aus meiner Sicht in sich konsistent und glaubwürdig formuliert.
Ich vermute, dass Hans Möckelmann seine in meinen Augen am meisten belastende Schrift dem Ausschuss nicht eingereicht hatte: „Die Leibeserziehung der Mädel in den Entwicklungsstufen“.[21] Das Manuskript hatte Möckelmann während seiner einjährigen Arbeit im Reichserziehungsministerium vom 1.4.1941 bis zum 1.4.1942 erstellt und während seiner „Rückkehr ins Feld“ von einer Kollegin, Auguste Hoffmann, redigieren lassen, wie er im Vorwort schrieb. War es Anpassung oder Überzeugung, wenn Hans Möckelmann im Vorwort notierte:
„Nach Ziel und Inhalt hat die Leibeserziehung der Frau ihre feste Grundlage in unserer Weltanschauung, in der Anpassung der erzieherischen Maßnahmen an die naturgegebene, körper-seelische Entwicklung der heranreifenden Mädel aber bleibt sie für den Forscher wie für den Erzieher eine immer-währende Aufgabe.“[22] War es Anpassung an die herrschende Weltanschauung oder die höchst eigene Position von Autor Hans Möckelmann zur Rolle der Frau in der Gesellschaft und der Funktion des Sports für Mädchen und andere? Aus meiner Sicht offenbart sich mehr als opportunistische Anpassung, um die Drucklegung zu erreichen, hier wurde internalisierte Ideologie durchgehend produziert, wie ich an einigen Zitaten belegen möchte:
„In dem Kampf um die Gleichberechtigung auf allen Lebensgebieten, sei es im Beruf, sei es im politischen oder kulturellen Leben, verfiel die Frau nur allzu leicht den liberalistischen Ideen von der Freiheit und den Ansprüchen des Individuums. Auch in den Gebieten, die wie die Politik und der Sport bisher vornehmlich dem Manne vorbehalten waren, versuchte sie, diese zur Geltung zu bringen. (…) Einen besonderen Aufschwung nahm der Sport der Frau aber erst nach dem Ersten Weltkriege. Mit seiner gewaltigen Umgestaltung aller Lebensbedingungen hatte der Krieg eine große Zahl von Frauen ins Berufsleben geführt. Der Tod von Millionen junger Männer entzog gleichfalls vielen Frauen ihre Berufung als Hausfrau und Mutter. Damit leistete der Krieg den liberalistischen Ideen von der Emanzipation der Frau weiteren Vorschub. (…) Aber noch im Jahre 1933, als unter dem Einfluss der nationalsozialistischen Revolution die soldatische Haltung des deutschen Mannes im disziplinierten Marsch der SA wieder auflebte, griff die damit verbundene militärische Strammheit auch auf die marschierenden Mädelgruppen über. Diese Erscheinung, wenn sie auch nicht allgemein und nur von kurzer Dauer war, kennzeichnet aber noch die mechanische Angleichung fraulicher Übungen an die des Mannes.“[23]
Möckelmann machte keine Zugeständnisse an die Propagandaabteilung des Amtes Rosenberg, sondern bediente sich durchgehend der nationalsozialistischen Ideologie, die das Vergangene, die Zeit der Weimarer Republik stets als „liberalistisch“ bezeichnete und ebenfalls durchweg „rassenpolitisch“ argumentierte und auch in Bezug auf die Rolle der Frau NS-Ideologie vertrat:
„Die Entwicklung aber trug ganz den Stempel einer liberalistischen Zeit. Hinter dem Kampf für die Gleichberechtigung der Frau verbarg sich vielfach krasser Liberalismus, der in seinem Streben nach Loslösung von Familie und Volk rassenpolitisch die stärksten Gefahren in sich tragen musste. Von wenigen nur wurden diese Gefahren für den Bestand und die Erhaltung unseres Volkes erkannt.“[24]
Hans Möckelmann zitierte die Richtlinien für die Leibeserziehung in Jungenschulen, an denen er im Reichserziehungsministerium 1941–42 mitgearbeitet hatte. „Erst die biologisch fundierte Weltanschauung des Nationalsozialismus machte den Weg dafür frei, den Menschen in seiner Ganzheit nicht nur zu betrachten sondern auch erzieherisch anzugreifen, ‚um ihn durch die Entwicklung aller Kräfte des Körpers, der Seele und des Geistes zum Dienst in der Gemeinschaft des Volkes fähig und bereit zu machen‘.“[25]
Möckelmann, der diese Schrift seiner Frau widmete, war mit Gertrud Helene Fessmann, Jahrgang 1912, seit dem 9.9.1933 verheiratet und hatte mit ihr vier Kinder (geboren 1935, 1937, 1939 und 1941).[26] „Während man sich in der aktiven politischen Gemeinschaft nach außen hin einsetzt, ist die Frau die Trägerin der kleineren Gemeinschaft der Familie und Sippe, damit die eigentliche Trägerin deutschen Rasse- und Erbgutes. Sie, die der Natur näher steht und mit ihr inniger verwachsen ist als der Mann, hat die Aufgabe, ihre Kinder zu klassischer und blutgebundener Bewusstheit zu führen, in ihnen das Gefühl für Würde und Stolz auf Familie, Sippe und das angestammte Volk zu wecken. Heim und Familie sind die unentbehrlichen Keimzellen des Volkes.“[27]

Das klingt durchaus nach Überzeugung und der Hinweis auf Adolf Hitler ist dann eher eine Beigabe, eine Verstärkung:
„Mit der Forderung des Führers, dass das Ziel der weiblichen Erziehung unverrückbar die kommende Mutter zu sein hat, ist auch das vornehmste Ziel der weiblichen Leibeserziehung gekennzeichnet. Ohne Erhaltung der Art gibt es keinen Fortschritt im Leben des Volkes und in seiner kulturellen Sendung. Nur durch den Willen zum Kinde bleibt ein Volk unsterblich.“[28]

Zur Untermauerung wurde tatsächlich immer wieder Adolf Hitler zitiert, der in „Mein Kampf“ genügend Wiederzugebendes produziert hatte:
„Die körperliche Ertüchtigung ist im völkischen Staat nicht eine Sache des einzelnen, … sondern eine Forderung der Selbsterhaltung des durch den Staat vertretenen und geschützten Volkstums.“[29]
In seinen „Erläuterungen zu den Veröffentlichungen“ hatte Möckelmann behauptet, „die Rassenfrage ohne Konzession an die NS-Rassenlehre behandelt und niemals antisemitische Äußerungen gemacht zu haben“. Auch letzteres ist nicht richtig. Wie zitierte Hans Möckelmann die mit dem jüdischen Psychologen Prof. Karl Bühler verheiratete Psychologin Charlotte Bühler, die in Wien lehrte?
„Die Psychologie jüdisch-liberalistischer Prägung hat die negativen Seiten der Auflösungserscheinungen mit besonderer Vorliebe auszumünzen versucht. Es ist darum kein Zufall, dass in dem Rassengemisch der Großstadt Wien vor dem Anschluss an das Großdeutsche Reich ein fruchtbarer Nährboden für sogenannte ‚interessante Fälle‘ vorhanden war. Jüdische Tagebuchschreiberinnen der Pubertätszeit boten genug solcher Fälle. Auf diesem Hintergrund konnte die weitverbreitete Anschauung von der ‚negativen Phase‘ in der Entwicklung des Mädels entstehen und gedeihen.“ Möckelmann verwies dabei auf die Veröffentlichung von Charlotte Bühler: „Das Seelenleben der Jugendlichen, Jena 1929.“[30]

Der Verweis auf „jüdisch-liberalistische“ Prägung der Psychologie diente möglicherweise dem Opportunismus gegenüber dem zensierenden Amt Rosenberg. Schlimm genug. Möckelmann selbst beschrieb durchaus eine „negative Entwicklungsstufe“ bei den Mädchen:
„In der festen Gemeinschaft unter einer gereiften Führerin gibt es keine passiven Schwermutsstimmungen, keine ungesunden, um das Sexuelle kreisenden Gefühlsanalysen, keine Tatenlosigkeit.“[31] Neben einigen durchaus wichtigen und hilfreichen Hinweisen, was die Entwicklung der Mädchen betrifft, mit notwendigen Folgerungen für den Sportunterricht, machte Hans Möckelmann auch Vorschläge, die viele Mädchen und Frauen im Rückblick auf ihren Sportunterricht vermutlich erstarren lassen:
„Die Willensschulung ist in dieser Phase besonders wichtig, weil das Mädel körperlich und seelisch sensibel ist. Im Hindernisturnen muss es lernen, die Scheu vor dem harten Gegenstand, vor dem anprallenden Stoß zu verlieren, sich körperlich nicht zu verweichlichen. Der Kampf mit dem Hindernis nötigt indes, immer wieder Farbe zu bekennen, sich dem kritischen Blick der Kameradinnen auszusetzen, vor ihnen und sich selbst zu bestehen oder zaghaft auszuweichen. Im fröhlichen Springen am hohen Pferd, Tisch, Kasten und Bock, beim kraftfordernden Klettern, bei den Schwüngen, Auf- und Abgängen am Reck und Barren werden Hemmungen überwunden, die Kraft gesteigert, das Frohgefühl geweckt, eine schwierige Arbeit bewältigt und damit der Anreiz zu neuem Wollen und Wagen geschaffen. Das so erzogene, nicht verweichlichte und empfindsame Mädel wird später mit den mannigfaltigen Spannungen und Widerständen des Lebens auch fertig werden.“[32] Gelobt sei was hart macht. Auch für Mädchen.
Es war sicherlich vielleicht notwendiger Opportunismus gegenüber dem die Veröffentlichungen auch von Wissenschaftlern überwachenden Amt Rosenberg, aber in den Schriften und Reden Möckelmanns wurde deutlich, dass dieser durchaus in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der NS-Ideologie stand. So etwa in der Festrede, die er am 30.1.1939 in der Universität Marburg hielt, als Führer des NS-Dozentenbundes und die er unter den Titel stellte: „Die weltanschaulichen Grundlagen der Leibeserziehung.“[33]
Möckelmann begann, natürlich, mit einer Verbeugung vor der NS-Bewegung:
„Wenn wir heute den Jahrestag der nationalsozialistischen Erhebung feierlich begehen, dann drängt es uns, mit berechtigtem Stolz rückblickend der gewaltigen Leistungen von Führung und Volk in den hinter uns liegenden sechs Jahren zu gedenken. Noch heute durchzittern die weltgeschichtlichen Ereignisse des Jahres 1933 in ihrer elementaren Wucht unser aller Herzen.“[34]

Wie argumentierte Möckelmann und wozu forderte er die universitären Mitarbeiter und Studierenden auf?
„Denn auch die Universität gliedert sich in den gewaltigen Kraftstrom unseres Volkes ein, der sein Leben im Lebenskampf der Völker sichert. Auch sie trägt die Verantwortung für den völkischen Bestand, hat die Aufgabe, in Forschung und Wissenschaft zu den arteigenen Quellen deutschen Geistes vorzudringen und sie für das Leben des Volkes auszuschöpfen. Die Universität freilich, die nur von müder Geistigkeit getragen wäre, würde die Kraft zur Mitarbeit nicht aufbringen. Geistigkeit allein, auch wenn sie durch reines Wollen und lautere Gesinnung geadelt ist, bedarf der Kraft, um von der Erkenntnis zum Bekenntnis, von der Einsicht zur Entscheidung vorzustoßen. Die Kraft zur Verantwortungsfreude und zur einsatzbereiten Entscheidung aber liegt in der leiblichen Sphäre des Menschen verankert.“[35]

Etwas später konkretisierte Möckelmann dies:
„Politisches Wollen ist ohne die Gesundheit, vitale Kraft und Entscheidungsfreudigkeit seiner Führung zur Nichtigkeit und Ohnmächtigkeit verdammt. Diese Erkenntnis hat das deutsche Volk selbst im Weltkrieg mit furchtbaren Opfern an Gut und Blut entgelten müssen. Man stelle den feingeistigen, aber von der Gedankenblässe angekränkelten Reichskanzler von Bethmann Hollweg in seiner Kraftlosigkeit der beherrschten Kraft eines Adolf Hitler und dem vitalen Schwung von Hermann Göring gegenüber.“[36]
Ist es sprachliche Anpassung oder argumentierte hier ein überzeugter, nationalsozialistischer Propagandist?
„Der Leib kann niemals Selbstzweck sein, wozu ihn marxistische Jugendapostel vergangener Zeiten haben stempeln wollen.“[37]
Wie an anderen Stellen auch, berief sich Hans Möckelmann auf „Turnvater“ Jahn: „Es ist kein Zufall, dass der Vorkämpfer für eine rassisch und volkhaft gebundene Weltanschauung zugleich der Schöpfer einer sich auf ihr gründenden Leibeserziehung wurde, Friedrich Ludwig Jahn. Weder in den Zeiten Jahns noch in der heutigen Zeit des Umbruches aller Werte konnte es dem scharfen, zergliedernden Verstande gelingen, die blass und schal, weil artfremd gewordenen Werte zu erneuern, weil er sich zu weit vom lebendigen Menschen losgelöst hatte, von Volkstum und Rasse.“[38] Und: „Er sah das Ziel der Erziehung in der Reinigungskraft, die Menschen des gleichen Blutes durchwaltete und umschlang. Er prägte dafür das die deutsche Sprache glücklich bereichernde Wort: Volkstum.“[39]
Möckelmann behauptete nach 1945, wie schon zitiert, „die Rassenfrage ohne Konzession an die NS-Rassenlehre behandelt“ zu haben. 1939 sagte er in Marburg: „Wenn wir die Rassegesetze und die Gesetze zur Verhütung erbkranken Nachwuchses als den schützenden Damm ansehen, der die Kultur vor klassischer Zersetzung und Überflutung schützt, so gibt die Erziehung und vornehmlich die Erziehung über den Leib ihr die notwendige Pflege und Nachhilfe, die sie zur vollen Entfaltung braucht. Die völkische Forderung, die eine artgemäße Leibeserziehung stets in sich schließt, die Forderung nach Erhaltung der Lebenstüchtigkeit und Wehrfähigkeit seiner Volksgenossen darf für ein kämpferisches Volk nie erlöschen. Leibeserziehung birgt für jeden Einzelnen die Verpflichtung in sich, gegenüber dem Erbstrom seiner Rasse, zu meiden und zu bekämpfen, was den Leib als rassischen Wertträger schädigt. Nur auf dem Boden eines kraftvollen, wohlgebildeten, lebenstüchtigen und disziplinierten Leibes kann klassischer Stolz gedeihen. Aus der Leibestüchtigkeit und Gediegenheit des einzelnen aber wächst der Stolz und der Glaube an die Überlegenheit des eigenen Volkes im Daseinskampf der Völker.“[40]
Hans Möckelmann hielt diese Rede am 30.1.1939. Ende des Jahres sah die Welt anders aus. Möckelmann hatte zum 1.4.1939 an der Universität Marburg eine außerordentliche Professur bekommen und wenige Monate später, am 26.8.1939 wurde er zur Wehrmacht einberufen.[41] In Kenntnis dieser Tatsachen bekommen seine Schlussfolgerungen eine besondere Bedeutung: „Der Kampf ist der Vater aller Dinge. Er ist für ein lebenstüchtiges Geschlecht der Maßstab und Prüfstein der rassischen Vollwertigkeit und damit das Hauptprinzip der Führerauslese. In einem Volke, das so hartnäckig um seinen Bestand ringt, wie das deutsche es muss, darf es kein Lebensgebiet geben, in dem ein unkämpferischer Mensch Führungsansprüche erheben kann. Nach den Worten des Führers ist ‚die Seuche der häufigen und feigen Willens- und Entschlusslosigkeit, alles in allem genommen, hauptsächlich das Ergebnis unserer grundsätzlich verfehlten – weil unkämpferischen – Jugenderziehung, deren verheerende Wirkung sich in das spätere Leben hineinpflanzt‘. (…) Unser Volk braucht, will es bestehen, Führer, die willens und fähig sind, schwerste Verantwortung auf sich zu nehmen, die auch vor größtem Risiko und vor Gefahren nicht zurückschrecken. Daraus folgt für die Erziehung als Führerauslese, dass sie der Jugend Gelegenheit geben muss, sich in wesensähnlichen Situationen zu bewähren, ihr Aufgaben stellen muss, die auch Risiko und Gefahr enthalten. Ohne den leiblichen Einsatz ist auch in einem zivilisierten Volke Führerauslese nicht denkbar. Ohne ihn hätte es den 30. Januar 1933 und eine nationalsozialistische Führung nie gegeben.“[42]
Hans Möckelmann beendete seine Rede mit einem Wort von Friedrich ­Nietzsche: „Man hat auf das große Leben verzichtet, wenn man auf den Kampf verzichtet.“[43]
Den Kampf sollte es bald schon geben. Er brachte aber am Ende nicht das große Leben, sondern das Gegenteil, unvorstellbar viele Tote.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Entnazifizierungsausschuss in Schleswig-Holstein über die ausführlich zitierten Schriften verfügte und sie studiert hatte.
Zum weiteren Werdegang von Hans Möckelmann. Er unterbrach seine Zeit bei der Wehrmacht für ein Jahr, um als Referent im Reichserziehungsministerium in Berlin zu arbeiten. In seinem Lebenslauf bei der Bewerbung für den Hamburger Schuldienst schrieb er dazu: „Während eines Jahres bearbeitete ich dort das Referat Turnlehrerausbildung und -fortbildung und schied dann wegen fachlich-politischer Differenzen aus eigenem Entschluss und gegen den Willen des Ministers aus und wurde vom Heer wieder eingezogen.“[44]
Das las sich 1948 gut, als Hans Möckelmann wieder in den Staatsdienst strebte, wird aber durch kein Dokument belegt. Es war Möckelmanns Strategie, im Entnazifizierungsverfahren sich als in Konflikten mit nationalsozialistischen Stellen befindlich zu präsentieren.
Nach seiner Entlassung aus der Wehrmacht am 14.12.1945 hatte Hans Möckelmann offenbar selbst die Einschätzung gehabt, dass er Schwierigkeiten ­bekommen würde, wieder als Hochschullehrer an einer deutschen Universität antreten zu können. In seinem Lebenslauf für die Wiedereinstellung in Hamburg als Lehrer 1948 schrieb er: „Nach der Katastrophe und meiner Entlassung wurde ich durch das Arbeitsamt als landwirtschaftlicher Gehilfe vermittelt. Mithilfe meiner englischen Sprachkenntnisse, der Dolmetscherprüfung und von Privatunterricht konnte ich meine Familie mit Kindern von 7 bis 13 Jahren bisher notdürftig unterhalten. Allerdings besitze ich nur für meine Person seit 1946 die Zuzugsgenehmigung für Hamburg, während meine Familie, von der ich seit achteinhalb Jahren getrennt leben muss, teils in Bayern teils in Holstein bei Verwandten untergebracht ist.“[45]
Aus diesem Schreiben wird deutlich, wie schwierig die Situation für Hans Möckelmann in dieser Zeit war. Das erklärt möglicherweise auch, warum er im Fragebogen seine Mitgliedschaft in der SS verneinte, die er ausweislich seiner Personalakte an der Universität Marburg noch mit dem Eintritt am 20.10.1938 gemeldet hatte. Aber damals war dies ja noch karrierefördernd, wie seine Ernennung zum außerordentlichen Professor drei Monate später zeigte. In einer Anlage zum Entnazifizierungsfragebogen machte Möckelmann Aussagen zu seinem politischen Entwicklungsgang, die das Ziel hatten, zu verharmlosen und zu relativieren. So schrieb er:
„Bis Mai 1933 habe ich weder einer politischen Vereinigung angehört noch mich am politischen Leben beteiligt. Die Gründe für meine Meldung zum Eintritt in die NSDAP Ende Mai 1933 – die Aufnahme erfolgte 1937 – sind verschiedener Art. Mit der Machtergreifung der NSDAP wurde ich von Berufs wegen sofort in den politischen Strom, der an den Hochschulen besonders heftig tobte, hineingezogen. Im Kampf gegen die das ganze studentische Leben umwälzenden Machenschaften des SA-Hochschulamtes stand ich als jüngster Privatdozent der Universität Gießen völlig allein. Als mir im Verlaufe des Konfliktes mit der NS-Studentenschaft und dem SA-Hochschulamt die praktische Sportausbildung entzogen wurde und eine persönliche Beschwerde beim hessischen Ministerium mit meiner Beurlaubung für das Sommersemester 1933 endete, musste ich mit dem Verlust meiner Stellung rechnen. Das ist einer der Gründe, weswegen ich, gemeinsam mit mehreren Dozenten, mich zur Partei meldete. Ich verschweige allerdings nicht, dass wir die Idee einer Verbindung des nationalen mit dem sozialen Element für richtig hielten und uns einbildeten, durch unseren Beitritt läuternden und mäßigenden Einfluss auf die radikalen und hochschulfeindlichen Parteistellen ausüben zu können.“[46]
Eine häufig benutzte Aussage, zumeist verbunden damit, Gründe einzuräumen, warum man den Weg in die NSDAP fand.
Möckelmann beschrieb auch seinen Weg in das Nationalsozialistische Kraftfahrerkorps (NSKK), freilich mit Hinweis darauf, als Berater und Organisator von sportlichen Wettkämpfen fungiert zu haben, dann ebenfalls seine Mitgliedschaft im Nationalsozialistischen Fliegerkorps (NSFK). Und Möckelmann bemerkte eher en passant: „Allerdings war ich Anfang 1939 genötigt, zur Reiter-SS Beziehungen aufnehmen, weil das mir unterstehende Universität-Reitinstitut kurz vor der Beschlagnahme durch die SA stand. Dadurch, dass ich einem neu zu gründenden studentischen SS-Reitertrupp das Mitbenutzungsrecht gestattete, konnte ich das Reitinstitut dem Zugriff der SA entziehen. Freilich musste ich mich verpflichten, die Gründung und die Führung des Trupps zu übernehmen. Dieser Verpflichtung bin ich nicht nachgekommen, um das Institut nicht in die Abhängigkeit der SS zu bringen. Der Trupp wurde bis zum Kriege nie aufgestellt. Ich selbst allerdings wurde die letzten Monate vor Kriegsausbruch als Staffelbewerber der Reiter-SS geführt, bin aber nicht Mitglied geworden.“[47]
Diese Darstellung ist mehr als zweifelhaft. Möckelmann hatte seine SS-Mitgliedschaft in seiner Personalakte an der Universität Marburg hinterlegt und es gibt im Bundesarchiv eine SS-Offizierskarteikarte, die ihn mit Eintrittsdatum vom 28.6.1938 und der Mitgliedsnummer 312299 ausweist, darüber hinaus ein SA-Abzeichen des SS-Oberscharführers Hans Möckelmann, zugehörig zum Stab SS-Oberabschnitt Fulda-Werra.[48] Während des Krieges gehörte Möckelmann der Waffen-SS an und war dort Sturmbannführer.[49] Für die angestrebte Professur, die Möckelmann zum außerordentlichen Professor an der Universität Marburg machte, war die SS-Mitgliedschaft sicherlich förderlich, im Entnazifizierungsverfahren 1947 in Schleswig-Holstein wäre dies eine schwere Hypothek gewesen. Somit entschloss sich Möckelmann offenbar, eine schwer nachzuprüfende Geschichte aufzuschreiben, die nicht den Tatsachen entsprach und ihn legitimieren sollte, bei der Frage nach einer SS-Mitgliedschaft schlicht und wahrheitswidrig „Nein“ zu schreiben.

Hans Möckelmann ging bei seiner Entnazifizierung strategisch klug vor. In den Erläuterungen zu seinem politischen Werdegang, die er dem ausführlichen Entnazifizierungsfragebogen vom 8.9.1947 beifügte, erklärte er:
„Nach meiner Entlassung vom Heer war meine Dienststelle aufgelöst. Als Parteigenosse konnte ich mit einer Wiedereinstellung zunächst nicht rechnen. Daher meldete ich mich zur landwirtschaftlichen Arbeit in Hamburg-Eidelstedt.“[50]
Möckelmann wohnte zu diesem Zeitpunkt bei seinem Bruder in Hamburg in der Kieler Straße. Vermutlich wusste Möckelmann, dass die Entnazifizierungspraxis in Schleswig-Holstein für belastete Personen günstiger verlief als in Hamburg. Als Grund, sich in Schleswig-Holstein um Entnazifizierung zu bemühen, gab der in Altona geborene Hans Möckelmann an:
„Als gebürtiger Holsteiner – meine gesamte Familie wohnt in Holstein – habe ich das Bestreben, im Lande Schleswig-Holstein eine Anstellung zu finden, die meiner Vorbildung mehr entspricht.“[51]
Geschickt fügte Möckelmann in diesem Schreiben hinzu: „Aus den Zeugnissen von zwei Antifaschisten, mit denen ich seit zwei Jahren fast täglich zusammentraf, dürfte ersichtlich sein, dass gegen meine Mitarbeit am demokratischen Aufbau keine Bedenken vorliegen. Außerdem ermächtigt mich der Ortsdienststellenleiter Eidelstedt der Stadtverwaltung Hamburg, Herr Zimmermann, ein altes aktives Mitglied der SPD und KZ-Insasse, zu der Erklärung, dass er aufgrund unserer zweijährigen Bekanntschaft bereit ist, auf Anforderung sich sowohl gutachterlich zu äußern als auch persönlich vor dem Ausschuss in Kiel mündlich für mich auszusagen.“[52]
Tatsächlich versuchte Hans Möckelmann zuerst in Schleswig-Holstein eine Anstellung zu finden, wie Dr. Strempel vom damaligen Ministerium für Volksbildung, Abteilung Sport am 23.8.1947 an die Kieler Abteilung für Entnazifizierung und Kategorisierung mitteilte: „Herr Dr. Möckelmann hat sich um Verwendung im sportlichen Dienst der Landesregierung Schleswig-Holstein beworben. Im Falle seiner Bestätigung durch die britische C.C. wird seine Verwendung in Erwägung gezogen werden. Es wird gebeten, ihn politisch zu überprüfen.“[53]
Darauf wurde das Entnazifizierungsverfahren in Gang gesetzt und Möckelmann musste nach der Abgabe seines Fragebogens seine Veröffentlichungen einreichen, was ihm „trotz Bemühung bei verschiedenen Bibliotheken nicht vollständig“ gelang.[54]
Am 12.1.1948 legte Möckelmann dann einige der gewünschten Schriften vor. Seinen Fragebogen hatte er unvollständig ausgefüllt, die Mitgliedschaften in der SS und der Waffen-SS verschwiegen, dafür einige entlastende Gutachten von ehemaligen Kollegen im sportwissenschaftlichen Bereich mit eingereicht, die aussagten, dass er „der nationalsozialistischen Bewegung innerlich fremd gegenüberstand“, niemals etwas von einem „besonderen parteipolitischen Interesse geschweige denn von Aktivität“ bemerkbar gewesen sei.[55]
Hans Möckelmann hatte in seiner Erklärung zu seinem persönlichen Entwicklungsgang besonders auf immer wieder auftretende Schwierigkeiten mit Parteidienststellen und insbesondere der SA an den Hochschulen, die die Sportausbildung für sich reklamierte, hingewiesen und geschrieben:
„Zusammenfassend möchte ich feststellen, dass mein Beruf im Gegensatz zu manchem anderen Beamten mich in das politische Getriebe hineinzwingen musste, wenn ich meinen Studenten und mir persönlich die Freiheit und Selbständigkeit der Arbeit und des Gewissens erhalten wollte. Leider habe ich mir besonders unter dem Eindruck der Olympischen Spiele, an denen ich als Abteilungsleiter im internationalen Lager maßgeblich beteiligt war, und besonders beeinflusst durch meine ausländischen Freunde aus den verschiedensten Nationen, welche die damaligen Leistungen des Nationalsozialismus vorbehaltlos anerkannten, den Blick und die richtige politische Einsicht trüben lassen. So kam es, dass ich zwar die Symptome der Krankheit bekämpfte, aber zu spät erkannte, dass das System von Grund auf krank und verdorben war.“[56]
Schon kurz darauf, am 23.2.1948, wurde Hans Möckelmann ohne Berufsbeschränkungen in Kategorie IV eingruppiert.[57]
Offensichtlich verfolgte Hans Möckelmann eine geschickte Doppelstrategie. Er ließ sich in Schleswig-Holstein entnazifizieren und bemühte sich gleichzeitig um eine Einstellung in den Hamburger Schuldienst.
Schon kurz nachdem der Entnazifizierungsbescheid zugestellt worden war, meldete sich Hans Möckelmann schriftlich bei dem für die Gymnasien zuständigen Oberschulrat Heinrich Schröder, den er vorher schon persönlich aufgesucht hatte.[58] Schrieb er in seinem „politischem Entwicklungsgang“ noch, „dass die nationalsozialistische Regierung mir beruflich keine Förderung zuteil werden ließ, ich habe im Gegenteil in meiner fachlichen Arbeit nur Enttäuschungen erlebt. Persönlich habe ich 1929 die gleiche Dienststellung bekleidet wie bei meiner Einberufung 1939“[59], somit die Erlangung einer Professur unmittelbar vor seinem Eintritt in die Wehrmacht verschleierte, legte er in seinem Bewerbungsschreiben den Schwerpunkt auf seine langjährige „praktisch-pädagogische Tätigkeit auf dem Gebiete der Leibeserziehung“ und sein zehnjähriges Wirken „als Direktor der Institute für Leibesübungen von drei Universitäten“ schon seit der Weimarer Republik. Er erwähnte auch seine reichen praktischen Erfahrungen auf allen Gebieten der Sportlehrerausbildung und -fortbildung, „die in meinen Büchern über die Leibeserziehung in den Entwicklungsstufen für Jungen und Mädchen niedergelegt“ sind.[60]
Dass Möckelmann den kritischen Oberschulrat Heinrich Schröder für sich gewann, lag sicherlich an seinem überzeugenden persönlichen Auftreten, aber auch daran, dass Möckelmann sein Abitur am Christianeum absolviert hatte, der Schule, an der Schröder jahrelang als Lehrer tätig gewesen war. Interessant erscheint der handschriftliche Vermerk von Schulsenator Heinrich Landahl vom 4.5.1948 auf dem Bewerbungsschreiben. Landahl schrieb an Schröder: „Ich empfehle Studienrat Schöning gutachterlich zu hören, insbesondere auch über die von M. veröffentlichten Bücher. Sind diese Bücher von uns sachlich und politisch geprüft worden?“[61]
Ich habe in der Biografie über Ernst Schöning dargestellt, dass dieser selbst erheblich in den Nationalsozialismus verstrickt gewesen war und vermutlich auch in dieser Zeit mit Hans Möckelmann in Kontakt gestanden hatte, ebenso wie mit dem Sportfunktionär Carl Diem.[62] Es liegt von Schöning keine gutachterliche Äußerung vor, aber er wird Möckelmann sicherlich positiv bestätigt haben, der ihm dann auch nach seiner Pensionierung als Vertreter Hamburgs in den Sportausschüssen auf Bundesebene nachfolgte. Beeindruckend für Schöning und andere war sicherlich auch Möckelmanns Hinweis in seinem Bewerbungsschreiben:
„Als Leichtathlet, Spieler in Handball, Faustball und Schlagball war ich an zahlreichen Meisterschaftskämpfen beteiligt, wurde mehrfacher südwestdeutscher und Hamburger Hochschulmeister in Einzel- und Mehrkämpfen sowie Mehrkampfsieger auf dem deutschen Lehrersportfest in Frankfurt am Main 1931.“[63]
Der auf Hamburger Lehrer bezogen so kritische Heinrich Schröder, der insbesondere über deren NS-Verstrickung eine breite Expertise besaß, war offenbar von Hans Möckelmann überzeugt. Schon am 1.6.1948 wurde Möckelmann an der Schlee-Schule, einem Gymnasium in Altona, als Lehrer eingestellt.[64] Parallel dazu bemühte sich Schröder beim Hamburger Wohnungsamt um erträgliche Lebensbedingungen, da Möckelmann erklärt hatte, seit Jahren von seiner Familie getrennt zu leben, was sicherlich auch mit seiner mehrjährigen Wehrmachtstätigkeit zu erklären war: „Herr Prof. Möckelmann ist im höheren Schuldienst der Stadt Hamburg beschäftigt und zur Zeit an der Schlee-Schule tätig. Selbst ist er alter Hamburger und hat am Christianeum in Altona seine Reifeprüfung bestanden. Die Schulbehörde bittet, auch den Familienmitgliedern des Herrn Prof. Möckelmann die Zuzugsgenehmigung zu gewähren.“[65]
Wie geschickt Möckelmann agierte, zeigt auch ein Vermerk, den Heinrich Schröder am 8.11.1948 an Senator Landahl richtete. Darin hieß es:
„Prof. Möckelmann war heute bei mir, um mir mitzuteilen, dass gestern der Dekan der Philosophischen Fakultät in Kiel ihn aufgesucht habe und ihm einen Ruf der Fakultät überbracht habe, als Leiter des Instituts für Leibesübungen und als Dozent an die Universität Kiel zu gehen. Wir haben ein dringendes Interesse daran, Herrn Möckelmann in Hamburg zu behalten. In einer Turnlehrer-Versammlung der höheren Schulen in der vorigen Woche, hat er durch einen Vortrag über den Wiederaufbau des Unterrichts in den Leibesübungen so klare Wege gezeigt und den Turnlehrern so gut gefallen, dass wir alles tun müssen, um Herrn Möckelmann in Hamburg zu behalten; zunächst als Fachberater für das höhere Schulwesen, da Herr Schöning Ostern 1949 in den Ruhestand tritt, späterhin vielleicht für andere noch wichtigere Aufgaben.
Herr Möckelmann möchte selbst auch gern in seiner Heimatstadt bleiben, in der er sich zum Beispiel das Studium durch Arbeit als Schauermann im Hafen während der Inflationszeit verdient hat. Was ihn nach Kiel lockt, ist vor allem das Angebot einer Wohnung, in der er dann endlich wieder mit seiner Familie vereinigt werden könnte, die heute noch getrennt in verschiedenen Teilen Deutschlands sich befindet. In Hamburg hat M. nur einen beschränkten Wohnraum in einem Zimmer. Herr Prof. Möckelmann ist eine so hervorragende und seltene Kraft, dass es kaum zu verantworten wäre, wenn er nur der Wohnungsverhältnisse wegen Hamburg wieder verloren gehen würde. Darf ich Sie bitten, beim Präsidenten des Wohnungsamtes in diesem Sinne vorstellig zu werden.“[66]
Wie geschickt und klug Hans Möckelmann agierte und das Spiel zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein beherrschte, zeigte auch ein Schreiben an den Kieler Entnazifizierungsausschuss vom 24.2.1949. Genau einen Tag nach der vorjährigen Eingruppierung in die Kategorie IV bei seiner Entnazifizierung schrieb er:
„Nach meinen damaligen Erkundigungen bei der dortigen Behörde wurde mir geraten, nach Ablauf eines Jahres einen Antrag auf Einweisung in die Kategorie V einzureichen. Darum stelle ich hiermit den Antrag auf Einstufung in die Kategorie V. Ich bemerke, dass ich im Hamburger Schuldienst beschäftigt bin und dass die Hamburger Schulbehörde, Abteilung Oberschulen, über meine Tätigkeit im vergangenen Jahr Auskunft geben kann.“[67] Schon einen Tag später wurde dies in Kiel auf den Weg gebracht, sodass Hans Möckelmann am 30.3.1949 OSR Schröder mitteilen konnte, nunmehr in Gruppe V als „Entlasteter“ entnazifiziert worden zu sein.[68]
Aufschlussreich ist, dass Hans Möckelmann neben Heinrich Schröder auch eine andere wichtige Person in der Schulverwaltung in dieser Zeit für sich einnahm, nämlich den ehemaligen persönlichen Referenten von Senator Landahl und seinerzeitigen Oberschulrat für den Gymnasialbereich, Dr. Hans Reimers. Reimers war aufgrund seiner ausgezeichneten englischen Sprachkenntnisse von Senator Landahl in die Behörde geholt worden, trotz deutlicher NS-Verstrickung, weil er für die Verhandlungen mit der Britischen Militärregierung über wichtige Kompetenzen verfügte. Es dürfte Reimers gefallen haben, dass Hans Möckelmann in der Zeit vom 16.1. bis zum 11.7.1947 an der Sprachschule Rackow an einem Dolmetscherlehrgang für die englische Sprache mit sehr gutem Erfolg eine Prüfung abgelegt hatte.[69]
Hans Möckelmann wurde schon 1950 mit höheren Aufgaben betraut. Neben seiner Fachreferenten-Aufgabe für den Bereich Sport berief die Schulverwaltung ihn zum Oberstudiendirektor am größten Hamburger Gymnasium, der Walddörferschule, zum 1.10.1950.[70]
Nachdem Oberschulrat Heinrich Schröder 1951 überraschend verstorben war, wurde Hans Reimers Personalreferent für den Gymnasialbereich und kümmerte sich im Weiteren darum, dass Hans Möckelmann verbeamtet wurde und auch die seiner Stellung als Oberstudiendirektor angemessene Besoldung erhielt. Vorausgegangen war die geheime Abstimmung über die Schulleitertätigkeit von Hans Möckelmann im Kollegium der Walddörferschule, bei der Möckelmann ein überzeugendes Ergebnis erhielt. 31 Für-Stimmen, bei zwei Nein-Voten und drei Enthaltungen.[71]
In dem Ernennungsvorschlag, den Hans Reimers vorgelegt hatte und der von Senator Landahl am 9.2.1952 unterschrieben worden war, hieß es in der Begründung:
„Prof. Möckelmann hat sich während seiner 15-monatigen Tätigkeit als kommissarischer Schulleiter ausgesprochen bewährt. Das Kollegium hat ihm das volle Vertrauen zu seiner Arbeit ausgesprochen. An der Entwicklung der Leibesübungen in der Schule ist er in Deutschland an führender Stelle beteiligt. Seine menschliche und politische Haltung ist untadelig. Die Ernennung zum Oberstudiendirektor sichert der Hansestadt Hamburg die Dienste eines befähigten Schulleiters.“[72]
Bemerkenswert ist, dass in dem Vorschlagsformular unter Punkt 4 (Frühere Zugehörigkeit zur NSDAP, ihren Gliederungen und angeschlossenen Verbänden) neben „NSDAP 1933, NSDoB 1938, NSKK 1934“ auch angeführt wurde: „SS 1939 förd. Mitgl.“ Das war offenbar die von Möckelmann kolportierte Variante, die nicht den Tatsachen entsprach. Immerhin konnte im Punkt 5 darauf hingewiesen werden, dass Möckelmann vom Entnazifizierungshauptausschuss Kiel am 11.3.1949 in Kategorie V eingruppiert worden war. Damit wurde seine Beförderung vollzogen.[73]

Die Schulleitungsarbeit von Hans Möckelmann an der Walddörferschule kann wohl als erfolgreich bewertet werden. Als Nachfolger des sehr beliebten Schulleiters Heino Hayungs, der die Schule von 1937 bis 1950 leitete, setzte Möckelmann neue Akzente. In der Festschrift zum 75. Geburtstag der Schule, 2005, wurde vermerkt:
„In den 50er Jahren wurde der Ruf der Walddörferschule im Sport fundamentiert. Die Annalen der Walddörferschule quellen für diese Zeit geradezu über von sportlichen Siegesmeldungen. Ein weiterer Schwerpunkt wurde der neue Aufbau des ‚musischen‘ Zweiges, der vom Schulleiter Prof. Hans Möckelmann (1950–55) durch die Anwerbung besonders kompetenter und engagierter Lehrkräfte für Musik, Bildende Kunst und Darstellendes Spiel sowie dadurch vorangetrieben wurde, dass der Schulbehörde das Zugeständnis für die Walddörferschule abgewonnen werden konnte, in den Klassenstufen 11, 12 und 13 im Wechsel eine ‚Musik-‚ eine ‚Kunst- und eine ‚Theaterklasse‘ einzurichten. Diese sogenannten ‚Musenklassen‘ wurden bis zum Abitur, in das sie ihre künstlerische Spezialisierung einbringen konnten, von einem entsprechend fachorientierten Klassenlehrer geführt. Konzerte und Theaterabende für Kunst-Präsentationen prägten fortan, wie schon in den 30er Jahren, das Schulleben. Die Walddörferschule ging mit ihren Orchestern, Chören und Theatergruppen auch auf Tournee, bot aber vor allem in den Walddörfern selbst in ihrer Schulanlage ganz im Sinne ihres Erbauers Fritz Schumacher nun wirklich ‚die Anregung zur Kunst großer Feiern‘“.[74]
Über die Arbeit von Hans Möckelmann wurde in der Festschrift außerdem seine Aussage festgehalten, dass die Schule sich bemüht habe, „trotz aller zeitbedingten Schwierigkeiten mehr zu sein als bloße Unterrichtsstätte. Erziehung und Bildung können nicht innerhalb der kühlen, autoritativen Beziehung von Lehrer zu Schüler fruchtbar werden. Sie müssen, wie der Unterricht, auf dem persönlichen, menschlich-warmen, auf fester innerer Autorität beruhenden Verhältnis zwischen älteren und jüngeren Menschen gegründet sein. Wir sind uns dessen bewusst, dass die engen persönlichen Bindungen bei einem Kollegium von annähernd 60 Lehrern und einer Schülerschaft von 1100 Schülern in überfüllten Klassen nicht mehr in der Weise aufrecht zu erhalten sind, wie sie im Jahre 1930 bestanden, als kaum 200 Schüler mit ihren Lehrern ‚unter Vorantritt der Feuerwehrkapelle‘ in das neue Gebäude im Allhorn einzogen.“[75]
Das klang nach einem erfolgreichen pädagogischen Konzept.

Hans Möckelmann wechselte 1955 als Oberschulrat für den gymnasialen Bereich in die Schulbehörde. Die Wertschätzung am Walddörfer Gymnasium für ihn blieb erhalten:
„Die Stärken dieses Direktors lagen im Bereich des organisatorischen Geschicks und der Fähigkeit Menschen zu führen. Er war ein Mensch, der entschlussfreudig zu seinem Wort stand, und schien ein besonderes Interesse an der jugendlichen Entwicklung gehabt zu haben. Er kam von der Ernst-Schlee-Schule und war sehr vom Geist der Walddörferschule angetan, der sich vor allem durch die starke Betonung des Sports und die künstlerischen Fächer auszeichnete. Obwohl Herr Prof. Möckelmann später in den Beruf des Oberschulrats wechselte, blieb ihm unsere Schule sehr am Herzen und so kam es, dass er kaum eine Aufführung oder ein Konzert unserer Schule versäumte. Für ihn war es, wie sein Nachfolger in einem Nachruf 1967 schrieb, oft reizvoller, jugendliche Laien statt Berufskünstler beim Spielen oder Musizieren zu erleben.“[76]
Auch in der Schulverwaltung wurde Hans Möckelmann weitgehend geschätzt. So vertrat er Hamburg als Schulleiter auf nationalen Konferenzen oder Tagungen. Zum Beispiel fragte der Hamburger Sportbund bei OSR Hans Reimers am 15.9.1953 an, ob Hans Möckelmann nicht für Hamburg auf einer Tagung des Jugendsportbundes Niedersachsen zum Thema „Die staatsbürgerliche Erziehung in Schule und Jugendverbänden“ als Redner zur Verfügung stehen könnte. Oberschulrat Reimers gab dafür vier Tage Beurlaubung.[77]
Die Berufung von Hans Möckelmann erfolgte in der Zeit, als der „Hamburg-Block“ die SPD in der Regierung Hamburgs abgelöst hatte und Prof. Hans Wenke als Schulsenator fungierte.[78] Wie ich in dem zweiten Band der „Täterprofile“ in der Biografie Hans Wenke dargestellt habe, war auch dieser stark NS-belastet, was zum damaligen Zeitpunkt allerdings noch nicht bekannt war.[79]
Schon kurz darauf übernahm Hans Möckelmann die Vertretung Hamburgs bei einer Arbeitstagung deutscher Schulaufsichtsbeamter in Frankreich, die das französische Erziehungswesen studieren sollten. Der verantwortliche Oberschulrat für die Gymnasien, Hans Reimers, der Hamburg auf KMK-Ebene repräsentierte, hatte offenbar den Personalvorschlag gemacht und den Vermerk auch gegengezeichnet.[80]
Als dann Hans Möckelmann von Senator Wenke 16.6.1956 endgültig zum Oberschulrat bestellt wurde, sah das Ernennungs-Formular keine Hinweise mehr auf frühere NS-Zugehörigkeiten vor. Die Auflistung von Möckelmanns beruflichem Werdegang machte den konsistenten Eindruck einer in sich stimmigen Karriere. In der Begründung für seine endgültige Berufung wurde festgehalten:
„Durch seine hervorragenden pädagogischen Fähigkeiten, seine hohe Begabung in organisatorischen Fragen und seine kluge Menschenführung hat er sich ein großes Ansehen bei Lehrern, Schülern und Eltern verschafft. Am 11. November 1955 wurde er mit der Wahrnehmung der Geschäfte eines Oberschulrats für die wissenschaftliche Oberschule betraut und hat sich durch seine ausgleichende, aber bestimmte Art für das Amt eines Oberschulrats vorzüglich bewährt.“[81]
Als Hans Möckelmann am 29.11.1963 seinen sechzigsten Geburtstag feierte, würdigte ihn die Tageszeitung „Die Welt“ unter anderem mit dem Hinweis: „Seiner Initiative ist es zu verdanken, dass in der Hansestadt Geschichtslehrer und Erdkundelehrer im Fach Gemeinschaftskunde zusammenarbeiten und auch Kurse eingerichtet werden, in denen Wirtschaftswissenschaftler und Juristen die Lehrer in neue Aufgaben ihres Faches einführen.“[82]
In seiner Personalakte wurde vermerkt, dass Hans Möckelmann sich im Oktober 1966 einer größeren Operation unterziehen musste, in deren Folge er zum 31.1.1967 pensioniert werden sollte. Hans Möckelmann starb aber schon vorher am 18.1.1967.[83]

Schulsenator Dr. Wilhelm Drexelius kondolierte der Witwe, Gertrud Möckelmann.
„Der plötzliche Tod ihres Gatten ist für die Schulbehörde ein schwerer Verlust. Er wird uns sehr fehlen. Die Hamburger Schulen, und insbesondere die Hamburger Gymnasien, haben ihm viel zu verdanken. Wenn es in Hamburg gelungen ist, die innere Reform der Gymnasien tatkräftig und mit sichtbaren Erfolgen einzuleiten, so lag es wesentlich daran, dass Ihr Gatte die Gabe besaß, Menschen zu überzeugen und für neue Wege zu gewinnen. Die Achtung und die Verehrung, die er bei allen, die ihn kannten, genoss, hatten ihren letzten Grund wohl darin, dass alle spürten, wie sehr ihm die Erziehung und Bildung unsere Jugend eine Herzensangelegenheit war. In ihm verband sich die Klarheit und Sicherheit in der Sache mit einer menschlichen Wärme. Er wird uns allen in Erinnerung bleiben, nicht nur als der Mann, dessen Fähigkeiten und dessen Hingabe an seinen Auftrag die Hamburger Schulen viel zu verdanken haben, sondern auch als ein Mensch, der uns alle durch die Lauterkeit und Vornehmheit seines Wesens in seinen Bann zog.“[84]
Die 1950er und die beginnenden 1960er Jahre hatten vieles vergessen lassen und zugedeckt. Hinzu kam, dass eine respektable und entschieden auftretende Persönlichkeit wie die des Oberschulrats Prof. Hans Möckelmann in diese Zeit und deren Zeitgeist gut zu passen schien. Bemerkenswert ist, wie der damals junge, kritische Studienrat Gerhard Nöthlich Möckelmann in seiner Arbeit als zuständiger Schulaufsichtsbeamter erlebte:
„Ich arbeitete ab dem Frühjahr 1960 am Harburger Alexander-von-Humboldt-Gymnasium, das ursprünglich schlicht ‚Gymnasium Wilstorf‘ hieß und erst kurz zuvor umbenannt worden war. Dessen Dezernent war Oberschulrat Prof. Dr. Möckelmann. Ein behördlicher Dezernent, also auch er, hatte damals diverse Aufgaben. Er hatte Laufbahnentscheidungen zu treffen, Unterrichtsbesuche zu machen, Berichte hierüber zu schreiben, das Niveau und den Ablauf der Reifeprüfung kritisch zu begleiten, die Schulen seines dienstlichen Bereiches mit Lehrpersonal zu versorgen und manch anderes mehr.
Von den genannten Bereichen erfuhr ich als junger Studienrat meinen Dezernenten lediglich anlässlich der Reifeprüfung, des ‚Abiturs‘, wie sie gemeinhin genannt wurde. Meine diesbezügliche Erfahrung sah damals – jedenfalls an meiner neuen Schule ab dem Jahre 1960 – folgendermaßen aus: Das vorwiegend männliche Kollegium sitzt, korrekt und in der Regel dunkel gekleidet, aufgereiht im Lehrerzimmer, in Erwartung des Vorgesetzten seines Schulleiters. Jener erscheint, von diesem eskortiert, und die Bewertung der im schriftlichen Abitur gestellten Anforderungen sowie deren Bewältigung beginnt. Die Szene erinnert an ‚die Rückgabe der Klassenarbeiten‘ auf anderer Ebene. Hier wie dort gibt es seitens der Angesprochenen Freude oder Verdruss über Lob oder Tadel. Im Anschluss daran beginnt die lange Prozedur der mündlichen Prüfungen.
Unser Dezernent, Prof. Dr. Möckelmann: hoch gewachsen, vierschrötig, eine körperlich eindrucksvolle Erscheinung. Es heißt, er lege Wert auf seine akademischen Titel, insbesondere auf den ‚Professor‘. Das nehmen wir, die damals jungen, zu nicht geringem Teil noch von Kriegserfahrungen bestimmten Lehrer dieser Schule so hin. Unsere Kritik an derartigem Gehabe hatte keine Explosionskraft. Die gab es erst ein paar Jahre später, ab 1968/69.“[85]
Hans Möckelmann war offensichtlich in seiner Funktion als Leiter der Schulaufsicht für die Gymnasien mit sich und seiner Rolle und Funktion im Einklang gewesen. Gerhard Nöthlich erinnert ihn als eine Erscheinung, „die dem späteren Curd Jürgens, dem normannischen Schrank, nicht unähnlich war“. 1963, Nöthlich war gerade zum Stellvertretenden Schulleiter des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums gewählt worden, vertrat er den Schulleiter bei der Geburtstagsgratulation „unseres Dezernenten“ in der Schulbehörde, „die damals noch ihren Sitz in dem prachtvollen Gebäude Dammtorstraße 25 hatte. Ich saß, reichlich verlassen, im Dienstzimmer von Prof. Dr. Möckelmann, der eine dicke, dunkle Zigarre rauchte, mich als den Vertreter eines seiner Schulleiter kaum beachtete und, wie es redensartlich heißt, den lieben Gott einen guten Mann sein ließ, jedenfalls an seinem Geburtstag. Ich war froh, das Dienstzimmer nach Überbringung des Glückwunsches und Überreichung der begleitenden Gabe wieder verlassen zu können.“[86]
So waren die Zeiten, autoritäre Strukturen nach wie vor etabliert.
Im Jahre 1966 veröffentlichte der Sportwissenschaftler Hajo Bernett das schon genannte Buch „Nationalsozialistische Leibeserziehung. Eine Dokumentation ihrer Theorie und Organisation“.[87] Darin enthalten sind auch die schon zitierten Aussagen von Hans Möckelmann aus zwei seiner Veröffentlichungen aus den Jahren 1939 und 1943. Von Reiner Möckelmann, dem jüngsten Sohn Hans Möckelmanns, erfuhr ich, dass diese Veröffentlichung wohl dazu beitrug, dass Möckelmanns Bewerbung „für die Leitung der in Hamburg geplanten Sporthochschule abschlägig beschieden wurde. Sein Alter von 62 Jahren trug wohl auch dazu bei.“[88] Laut ­Reiner Möckelmann war sein Vater auch ungehalten darüber, „dass das Buch von Bernett im Verlag Karl Hofmann erschien, in dem sein eigenes Buch ‚Leibeserziehung und jugendliche Entwicklung‘ erstmals 1952 erschienen war. Er bereitete gerade die 5. Auflage des Buchs vor, das heute noch in sportpädagogischen Abhandlungen zitiert wird.“[89]
In einem Nachruf, der in der Zeitung des ATV Marburg erschien, einer akademischen Turn-Verbindung an der Universität Marburg, nach eigenen Angaben „farbentragend, nicht schlagend“[90], schrieb ein Freund Hans Möckelmanns aus dem ATV Marburg, Hinrich Thies, über Möckelmanns gescheiterte Bewerbung:
„Aber trotz alledem widerfuhr Dir insofern bitteres Unrecht, als üble Neider u. a. trotz Deines anerkannten pädagogischen Formats und Deiner unbestrittenen neuen Erfolge Deine Rückkehr in ein akademisches Lehramt zu verhindern wussten, hatten jene ‚Widersacher‘ doch aus der Vergangenheit gelernt, in der mit der Deutschen Wissenschaft das deutsche Volk so unermesslich schwer dadurch geschädigt worden war, das große Männer aus politischen und anderen Gründen aus Amt und Land vertrieben waren. Jeder, der Dich näher kannte, wusste, auch wenn Du es nicht sagtest, das dieses an Dir ergangene Unrecht Dich seelisch beeindruckte und Deine tückische Krankheit und damit ein grausames Ableben beschleunigt haben dürfte.“[91]

Über Möckelmanns Werdegang schrieb Hinrich Thies unter anderem:
„Da einem strebsamen Jüngling und Mann Deiner Art das Schicksal des deutschen Volkes und seine traurige Lage, in die unser Jahrgang gleichsam hineingewachsen war, natürlich keineswegs beiseite stehend finden konnten und Du es mit Nietzsche hieltest, dass der auf das richtige Leben verzichte, der auf den Kampf ums Leben verzichtete, wurdest Du 1923 Soldat der ‚Schwarzen Reichswehr‘ und bliebst auch nicht untätig, als wir an die Beseitigung des Unrechts von Versailles und den Wiederaufstieg Deutschlands glaubten und uns politisch dafür einsetzten. So wurdest Du am 26.8.1939 zur Wehrmacht einberufen, hieltest diesen Dienst für schicksalsbedingte Verpflichtung, wurdest dank Deiner soldatischen Tüchtigkeit und Tapferkeit außergewöhnlich schnell befördert, Oberleutnant, Hauptmann, Major, schon bald mit EK II und I und später mit dem Deutschen Kreuz in Gold ausgezeichnet. Dazu war Dir die Rettungsmedaille am Bande mit persönlicher Anerkennung des damaligen Oberbefehlshabers des Heeres verliehen, als Du am 9.8.1940 unter größter Gefährdung Deines Lebens einen Kameraden vom Tode des Ertrinkens gerettet hattest.“[92]
Als Schwarze Reichswehr wurden illegale paramilitärische Formationen zur Zeit der Weimarer Republik bezeichnet, die unter Bruch des Versailler Friedensvertrags von 1919 von der offiziellen deutschen Reichswehr gefördert und zum Teil selbst unterhalten wurden.[93]
Wie sehr Kriegserfahrungen auch später noch reaktiviert wurden, zeigt eine kleine Episode, die Gerhard Nöthlich erinnerte von einem fachlichen Gespräch mit Hans Möckelmann im Rahmen der Besprechung von Abituraufgaben. „Einer der Deutschlehrer des ‚AvH‘ hatte ein Thema für den Deutschen Aufsatz gestellt, in dem der Freitod eine Rolle spielte. Ausgangspunkt war ein Zitat aus Schillers ‚Wilhelm Tell‘: ‚Ein Sprung von dieser Brücke macht mich frei …‘ Der Dezernent übte scharfe Kritik an der Themenstellung und beharrte auf dem Gesichtspunkt, dass ein Schüler der Klassenstufe 13 noch nicht über die Erfahrung verfüge, über den Freitod – ob den der Hedwig Tell oder wessen sonst – angemessen zu reflektieren. Das mochte und mag richtig sein. Was mir aus jenem Gespräch in Erinnerung ist: Prof. Möckelmann führte an, dass er in der Thematik zu Hause sei. Habe er doch einst einem Ertrinkenden durch persönlichen Einsatz das Leben gerettet. Er wisse also, wie es dem Ertrinkenden, aber auch dem Retter zu Mute sei. Ohne solches Wissen sollte ein Aufsatzthema, das den Sprung von der Brücke streift, nicht gestellt werden. Auch das mochte und mag richtig sein. Mir war nur unangenehm aufgefallen, dass ein dienstlich Vorgesetzter den Lehrern seines Dezernats eine Rettungstat aus dem eigenen Leben erzählte, um einer fachlichen Diskussion die entscheidende Wende zu geben. Mir ist deutlich in Erinnerung, dass ich damals – etwa 1963/64 – dachte: Welch ein Angeber! (meine alt-Eimsbütteler Redeweise). So etwas tut man nicht, Heldentum aus der persönlichen Biographie dienstlich zu verwenden.“ [94]
Der Marburger Sportwissenschaftler Alexander Priebe machte mich darauf aufmerksam, dass die Arbeit von Hans Möckelmann an der Universität Marburg zehn Jahre nach Möckelmanns Tod sehr kritisch bewertet wurde.

Über ihn hieß es:
„Um den zweiten Direktor, Hans Möckelmann, politisch einzuschätzen, kann man nur auf seine berufliche Tätigkeit, auf die wenigen Äußerungen in den Akten und auf seine Veröffentlichungen zurückgreifen. Er war einer jener jungen Dozenten und Professoren, die schon früh mit dem Nationalsozialismus sympathisierten. In seinen Veröffentlichungen vor 1937 finden sich nur Andeutungen nationalsozialistischer Ideologie. Erst nachdem er die Nachfolge von Jaeck, dessen Ämter in Marburg er ebenfalls übernahm, angetreten hatte, mehrten sich die Anzeichen seines Wandels zum aktiven Theoretiker nationalsozialistischer Leibeserziehung. Die hing wohl auch indirekt damit zusammen, dass er verantwortungsvolle Aufgaben im Sport und an der Hochschule übernommen hatte. Nahmen die Professoren Jaeck und Jaensch die radikalen Tendenzen des Nationalsozialismus viel skeptischer auf, so versuchte Möckelmann, die nationalsozialistische Leibeserziehung nicht nur in ein positives Licht zu rücken und die Verdienste des Nationalsozialismus für den Sport zu betonen, sondern er legte seiner wissenschaftlichen Arbeit über die körperliche Erziehung in den Entwicklungsstufen die nationalsozialistischen Prinzipien (Rasse, Führerauslese, Gemeinschaftserziehung) zugrunde, indem er die politischen Erfordernisse der Zeit und das ‚unitarische Weltbild‘ zu einem neuen Ansatz von Entwicklungspsychologie für die Leibeserziehung zusammenfasste. Nach seiner Amtsübernahme als Dozentenbundführer in Marburg 1938 wurde er neben dem Rektor und Kurator zur drittwichtigsten Person an der Marburger Universität. So wurde ihm auch die Ehre zuteil, im Jahre 1939 vor der Universität die Festrede zum Jahrestag der nationalsozialistischen Machtübernahme zu halten, in der er nochmals die Notwendigkeit der Leibeserziehung innerhalb der Gesamterziehung ideologisch untermauerte. Anders als bei Peter Jaeck ist bei Möckelmann doch das Urteil berechtigt, dass er ein aktiver Nationalsozialist gewesen ist, der nicht nur repräsentative Aufgaben zu erfüllen hatte, sondern Beiträge zur Festigung der nationalsozialistischen Ideologie der Leibeserziehung geliefert hat. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass sein Hauptwerk nach dem Krieg immer wieder neu aufgelegt worden ist.“ [95]
Bemerkenswert ist auch, was über die Kontinuität der Schriften von Hans Möckelmann geschrieben wurde. Was hatten Sportwissenschaftler in der NS-Zeit veröffentlicht und wie gingen sie damit nach 1945 um?
„Die Legitimationsdiskussion wurde beherrscht von medizinisch-hygienischen Aspekten. Ihnen folgten nach Entwicklungsstufen geordnete Stoffsammlungen. Sie wurden aus den NS-Richtlinien von 1937 und 1941 übernommen, deren wissenschaftliche Begründung und Systematisierung Hans Möckelmann in einigen Publikationen begleitet hatte. Das Hauptwerk ‚Leibeserziehung und jugendliche Entwicklung‘ erschien bereits 1952 wieder – von der NS-Terminologie gereinigt – und galt als neues Standardwerk für Sportlehrer/-innen in der Bundesrepublik.“ [96]
Hans Möckelmanns Leidenschaft gehörte offenbar ungebrochen dem Sport und der Sportwissenschaft. Nachdem er in Hamburg Schulleiter an der Walddörferschule geworden war, nahm er schon nach kurzer Zeit den Kontakt zu Prof. Carl Diem wieder auf, den er aus der Zeit der Organisation der Olympischen Spiele 1936 in Berlin kannte, bei denen Möckelmann die Betreuung der ausländischen Sportler mit begleitete. In seinem Schreiben an Carl Diem bemühte er sich 1951 um den Besuch und die Hospitation an der Deutschen Hochschule für Leibesübungen, die von Diem geleitet wurde:
„Ich hoffe, mir an Ort und Stelle einen Einblick in das Leben der Hochschule verschaffen zu können. Mir liegt auch deswegen sehr daran, weil ich als Hamburger Vertreter im Unterausschuss für Leibeserziehung in der ständigen Kultusministerkonferenz über die Ausbildungsstätten für Leibeserzieher und insbesondere natürlich über Ihre Hochschule orientiert sein möchte.“[97]
Auch der Sportfunktionär und Sportwissenschaftler Carl Diem wurde viele Jahre nach seinem Tod 1962, wegen seiner Rolle im Nationalsozialismus zum Teil sehr kritisch gesehen. [98]
Die Tatsache, dass sich die Hoffnung Möckelmanns, am Ende seiner beruflichen Karriere wieder eine Funktion an einer sportlichen Hochschule zu erhalten, nicht realisierte, dürfte für ihn eine herbe Enttäuschung gewesen sein. Spät holte ihn ein, was er 1947 durch geschicktes Taktieren vermieden hatte und vielleicht auch durch tatsächliche Leistungen und Anerkennung in seiner Arbeit im Hamburger Schulwesen.
Bezeichnend war der Hinweis von Hans Möckelmanns Sohn Reiner, der mir schrieb: „Mein Vater war intensiv in die NS-Diktatur verstrickt, berichtete seinen vier Kindern aber so gut wie nichts darüber und hinterließ nach seinem Tod im Januar 1967 keinerlei Unterlagen.“ [99]
Hans Möckelmann publizierte auch nach 1945 noch erfolgreich, wie berichtet, zum Teil aufbauend auf Veröffentlichungen aus der NS-Zeit, nunmehr ohne nationalsozialistische Terminologie. Es gibt keine Dokumente darüber, dass Möckelmann in seiner Zeit als Oberschulrat gezielt ehemalige Nationalsozialisten in leitende Funktionen beförderte und dass er Einfluss auf den Inhalt von Lehrbüchern bzw. -plänen zum Geschichtsuntericht nahm. Aber die Tatsache, dass im Hamburger Gymnasialbereich in der Zeit, als für die Personalentscheidungen Personen mit starker nationalsozialistischer Belastung die Verantwortung besaßen, wie Schulsenator Hans Wenke [100], der Personalreferent für die Gymnasien, Dr. Hans Reimers [101] und eben Prof. Dr. Hans Möckelmann, hatte es zumindest erleichtert, dass Personen mit offenbarer Führungskompetenz, um nicht zu sagen mit „Führereigenschaften“, mit NS-Belastung und NS-Vergangenheit, wie Prof. Franz Bömer [102] am Wilhelm-Gymnasium, Prof. Hans Oppermann[103] am Johanneum, Dr. Gerhard Schumacher [104] als Gründungsschulleiter am Gymnasium Wilstorf oder Paul Löden [105] als stellvertretender Schulleiter am Bismarck-Gymnasium, die letzten beiden von Hans Möckelmann positiv beurteilt, zum Teil aus anderen Bundesländern in Schulleitungsfunktionen nach Hamburg geholt wurden. Der von diesen Personen repräsentierte Typus war wieder gewünscht und das hing mit den Personen zusammen, die darüber entschieden.

Text: Dr. Hans-Peter de Lorent