Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Ingeborg Wetzel

(2. November 1912 Hamburg – 24. März 1989 Hamburg)
Ärztin
Adresse: Erkampsweg 55 (1944)
Wirkungsstätte: Kinderkrankenhaus Rothenburgsort, Marckmannstraße 129/135


Ingeborg Wetzel studierte zwischen 1933 und 1938 an den Universitäten Greifswald und Würzburg Medizin. Ab dem 1. April 1938 engagierte sie sich als Ärztin im Bund Deutscher Mädel (BDM). Nach dem Examen war sie zunächst als Volontärärztin einige Monate im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg in Hamburg tätig, bevor sie ein Jahr an der Universitäts-Kinder-Klinik in Greifswald arbeitete. Zum 1. Juni 1940 wechselte sie als Assistenzärztin in das Kinderkrankenhaus Rothenburgsort (KKR) nach Hamburg. Dort wurde ab 1941 unter der Leitung von Dr. Wilhelm Bayer eine der sogenannten Kinderfachabteilungen eingerichtet. Unter dem Deckmantel der NS-Euthanasie wurden im KKR mindestens 56 Kinder durch tödlich wirkende Medikamente ermordet, da sie eine vermeintliche Behinderung oder Erbkrankheit besaßen und nach der NS-Ideologie nicht als lebenswert eingestuft wurden. Wie Dr. Bayer in seiner Beurteilung über Ingeborg Wetzel schrieb, verstand sie es „sich stets den Bestrebungen des Hauses anzupassen.“ (zitiert nach Andreas Babel: Kindermord im Krankenhaus, Bremen 2015, S. 62) Wetzel war in ihrer Zeit im KKR an den Kindstötungen beteiligt und trägt für den Tod von mindestens sechs Kindern die Verantwortung. Sie selbst konnte nach Kriegsende keine Schuld erkennen. „Ich möchte annehmen, dass wir Assistenzärztinnen alle positiv zu der Euthanasie an geisteskranken Kindern standen. Ich habe jedenfalls nicht gemerkt, dass irgendeine von uns der Euthanasie ablehnend gegenüberstand.“ (zitiert nach Andreas Babel: Kindermord im Krankenhaus, Bremen 2015, S. 58.)
Dr. Wetzel blieb bis zum 4. Dezember 1944 im KKR tätig und wurde danach zum Dienst in der „Anlage Wintermoor (Krankenhaus-Sonderanlagen Aktion Brandt)“  in der Lüneburger Heide notverpflichtet. Sie leitete dort bis zum Frühjahr 1946 das Hilfskrankenhaus Bispingen. Danach kehrte sie nach Hamburg zurück und nahm eine Stelle als Schulärztin beim Hamburger Gesundheitsamt an. Ab September 1947 ließ sie sich als Kinderärztin in der Amtsstraße in Rahlstedt nieder und wirkte dort bis in die sechziger Jahre. Im Jahr 1963 heiratete sie den Richter Dr. Walter Tyrolf, der sowohl während des Nationalsozialismus am Hamburger Landgericht tätig gewesen war, als auch in der Nachkriegszeit weiter beschäftigt wurde. Er war 1948  u.a. mit den Ermittlungen gegen das Personal des KKR betraut gewesen.  
Verweis: siehe auch Opferbiografien von Angela Lucassen, Elfriede Maaker, Heinz Weidenhausen, unter www.stolpersteine-hamburg.de
Text: Katharina Tenti