Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Richard Stoldt

(15.5.1896 in Wolgast - 18.5.1981 in Hamburg)
Stellvertretender Landgerichtspräsident
Adresse: Sievekingweg 39 (1933), Gustav-Falke-Straße 4 (1939)
Wirkungsstätte: Landgericht Hamburg, Sievekingplatz 1-3; Gericht der Division Nr. 190, Zweigstelle Hamburg (Kaserne Bundesstraße)


Von 1916 bis 1918 war Stoldt als Soldat an der Front des Ersten Weltkriegs eingesetzt. Danach engagierte er sich bei den „Bahrenfeldern“, einem paramilitärischen Freikorps und studierte Jura. Nach dem Studium wurde er als Assessor zunächst in Kiel eingestellt, bevor er im Jahr 1926 als Landgerichtsrat  nach Altona wechselte. In den Jahren 1932 und 1933 wurde er dort im Sondergericht eingesetzt und war im Prozess um den „Altonaer Blutsonntag“ beteiligt, einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Nationalsozialisten, Kommunisten und der Polizei, bei der 18 Menschen starben und über 250 Menschen verletzt wurden. Im Mai 1933 wurde Stoldt Mitglied der NSDAP, 1934 wurde er zum Oberlandesgerichtsrat in Kiel befördert, aber nach Altona abgeordnet. Drei Jahre später wechselte er als Landgerichtsdirektor nach Hamburg und wurde dort im Oktober 1939 zum ständigen Vertreter des Landgerichtspräsidenten ernannt. Von seinen Vorgesetzten wurde Stoldts Einsatz  beim Sondergericht besonders gelobt.
Mit Kriegsbeginn 1939 wurde Stoldt in der Position des Kompaniechefs und Divisions-Adjutanten zur Wehrmacht eingezogen. Einige Jahre später fungierte er als Richter für das Militär, ab dem Jahr 1943 wurde er Richter der NS-Militärgerichtsbarkeit im Wehrkreis X (Norddeutschland). Dabei war er vor allem beim Gericht der Division Nr. 190, Zweigstelle Hamburg, sowie beim Gericht der Division Nr. 190/Nr. 490 in Neumünster tätig. In den letzten Kriegsmonaten fanden unter seiner Leitung besonders viele Verhandlungen des in Neumünster ansässigen Gerichtes im Gebäude des Amtsgerichtes in Hamburg-Altona statt. Im Oktober 1944 erhielt Stoldt eine offizielle Beförderung zum Reichsgerichtsrat, sein Betätigungsfeld blieb aber weiterhin die Militärjustiz.
Richard Stoldt war an mindestens 32 der 155 überlieferten Todesurteile des Gerichtes der Division Nr. 190 bzw. Nr. 490 beteiligt. Er war somit nach bisherigem Kenntnisstand der Richter, der in Hamburg und Neumünster die meisten Todesurteile fällte. Fast die Hälfte dieser Todesurteile erging erst nach dem 1. Januar 1945, also kurz vor Kriegsende.
Im August 1947 übermittelte der Rechtsanwalt Walter Krusemark ein Todesurteil des Gerichtes der Wehrmachtkommandantur Hamburg vom 3. April 1945 an den Generalstaatsanwalt in Hamburg, an dem Stoldt als Vertreter der Anklage beteiligt gewesen war. Verhandlungsleiter war damals Oberfeldrichter Dr. Gottfried Hagemann gewesen, der nach Bekanntwerden dieses Urteils sofort von seiner damaligen Tätigkeit als Ankläger beim Spruchgericht Bergedorf entfernt wurde. Das Urteil aus den letzten Kriegstagen war gegen zwei junge Offiziere ergangen, die wegen unerlaubter Entfernung verurteilt worden waren, obwohl dieses Delikt ursprünglich gar nicht mit der Todesstrafe belegt werden konnte. Um das Todesurteil schließlich zu erwirken, hatte das Gericht den NS-geprägten Strafschärfungsparagrafen § 5a der Kriegssonderstrafrechtsverordnung in Anwendung gebracht, nach dem nahezu jedes Delikt mit der Höchststrafe belegt werden konnte, sofern die „Aufrechterhaltung der Manneszucht“ das erfordere. Beide Offiziere wurden am folgenden Tag auf dem Standortschießplatz Höltigbaum erschossen.
Dieses Urteil war der Grund, warum zunächst Hagemann nicht mehr in den Hamburger Justizdienst zurückkehren konnte. Richard Stoldt wurde in der Folge 1948/49 trotz des aufgefundenen Todesurteils als „entlastet“ entnazifiziert, aber immerhin ebenfalls nicht mehr in den Hamburger Justizdienst eingestellt. All die übrigen Todesurteile jedoch, an denen er beteiligt war, waren überhaupt nicht bekannt und spielten daher für die Wiedereinstellung überhaupt keine Rolle. Weder Hagemann noch Stoldt wurden wegen ihrer Urteile juristisch zur Verantwortung gezogen. Richard Stoldt starb am 18. Mai 1981.
Text: Katharina Tenti, Ergänzungen von Claudia Bade