Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Otto Ameis Otto Heinrich Jacob Ameis

(8.2.1881 Hamburg – 6.1.1958 Hamburg)
Architekt
Graumannsweg 30 b (Wohnadresse)
Schleusenredder 21 (Wohnadresse: Hamburger Adressbuch von 1949)
Ameisweg, Bergedorf (benannt 1979): Otto Ameis (1881-1958), Architekt.


Heinrich Jacob Otto Ameis kam am 8.2.1881 in Hamburg als Sohn des Maurermeister Wilhelm Ameis und dessen Frau Elisabeth, geborene Gottschalck, in Hamburg zur Welt.[1] Nach einer Maurerlehre wurde er 1903 Soldat beim 1. bayerischen Feld-Artillerie-Regiment München und lebte in jener Zeit in Aschaffenburg. [2] Von 1904 bis 1907 studierte er Architektur an den Technischen Hochschulen Braunschweig und Charlottenburg bei Berlin.[3] 1907 entwarf er für ein Grundstück am Schleusenredder 21 in Wohldorf sein erstes Gebäude – ein Einfamilienhaus im Fachwerkstil, das er als Sommersitz nutzte. Der Architekturhistoriker Ralf Lange bezeichnet es als „bemerkenswertes Beispiel für die Heimatschutz-Diskussion vor dem Ersten Weltkrieg“, das sowohl vom Aufbau her als auch bei der Innengestaltung typische Motive des niederdeutschen Bauernhauses aufnähme.[4]
1909 gründete Ameis in Hamburg zusammen mit seinem Schwager Alfred Jacob das Architektenbüro Jacob & Ameis mit Sitz im Globushof an der Trostbrücke, ab 1910 in der Hermannstraße.[5] Im selben Jahr entwarfen beide das Haus Uhlmann am Duvenwischen 70 in Volksdorf. Dieses könne, so ebenfalls Lange, als typisches Beispiel für die englisch beeinflusste Reformarchitektur jener Zeit gelten,[6] die oft der Heimatschutzarchitektur zugeordnet wird. Damals wohnte Otto Ameis genau wie seine Schwester und sein Schwager Alfred Jacob im Haus der Familie Ameis am Graumannsweg 30 b.
Jacob & Ameis betätigten sich hauptsächlich im Bereich Villen- und Landhausbau, unter anderem in Nienstedten (Reichskanzlerstraße 9, 1909) und Othmarschen (Waitzstraße 7, 1912). Darüber hinaus entwarfen sie Wohn- und Geschäftshäuser wie das Gebäude mit der Schwan-Apotheke an der Dammtorstraße 27 (1909–11) oder jenes mit der Pelikan-Apotheke am Großneumarkt 37 (1913). Beide wurden um 1913 Mitglied der Ortsgruppe Hamburg des Bundes Deutscher Architekten (BDA).[7]
1914 richtete Otto Ameis in seinem Sommersitz in Wohldorf eine Zweigstelle des Büros Jacob & Ameis ein.[8] Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurde er, seit 1908 Leutnant der Reserve, Soldat in seiner alten Einheit und 1915 zum Oberleutnant befördert. Nach Kriegsende nahmen Otto Ameis und Alfred Jacob ihre gemeinsame Arbeit wieder auf und entwarfen weitere Einfamilienhäuser in Hamburg, unter anderem in Eppendorf (Heilwigstraße 140; 1921), Rahlstedt (Wehlbrook 12; 1923) und Winterhude (Maria-Louisen-Straße 132; 1924).[9]
Am 1.5.1933 trat Otto Ameis, vorher parteipolitisch nicht gebunden, in die NSDAP ein.[10] Damit nutzte er den letztmöglichen Termin vor Inkrafttreten des am 21./22.4.1933 bekanntgegebenen Aufnahmestopps.[11]
Schon im April 1933 hatte der BDA, dem Ameis angehörte, mit einem „Nationalen Aufbauprogramm“ dem NS-Regime seine „selbstlose Mitarbeit“ versichert.[12] Im Herbst des Jahres bekannte sich der BDA zum Nationalsozialismus, verwandelte sich in eine berufsständische Organisation, die dem Führerprinzip folgte, und schloss alle vom NS-Regime als jüdisch kategorisierte Mitglieder aus.[13] Diese wurden verfolgt, mussten fliehen, wurden in Konzentrationslager deportiert und/oder in der Shoah ermordet.
Als am 1.11.1933 unter dem Vorsitz des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels die Reichskulturkammer (RKK) errichtet wurde,[14] ging der BDA als Fachverband in der Reichskammer der bildenden Künste auf, eine der sieben Einzelkammern der RKK. Deren erklärtes Ziel war die Förderung „deutscher Kultur in Verantwortung für Volk und Reich“.[15] Alle BDA-Mitglieder wurden mit Stichtag 15.12.1933 automatisch Mitglied der Reichskammer der bildenden Künste,[16] so auch Ameis.[17] Zugleich war die Berufsausübung für Architekten fortan zwingend an die Mitgliedschaft gebunden. Die Einrichtung der Reichskulturkammer und damit auch ihrer sieben Einzelkammern bedeutete ideologisch, so der Historiker Uffa Jensen, „die Abkehr vom demokratisch-individualistischen Kulturaufbau hin zum völkisch-einheitlichem Kulturleben unter staatlicher Lenkung“.[18] Ameis’ RKK-Mitgliedschaft dauerte seinen eigenen Angaben nach bis 1939.[19]
Ab dem 15.10.1938 war Otto Ameis als Architekt in der Position eines technischen Angestellten beim Heeresbauamt III Hamburg tätig. Vom selben Zeitpunkt an wohnte er bis zum 31.1.1940 bei dem Bauleiter des Heeresbauamtes, Jankowsky, in Lüneburg.[20] In jenen Jahren erhöhte sich sein Jahresgehalt um rund 80 Prozent von 4578 Reichsmark (1938) auf 8377 Reichsmark (1941), da er von der Gehaltsgruppe TOA (Tarifordnung A für Gefolgschaftsmitglieder im öffentlichen Dienst) IIII in die Gehaltsgruppe TOA III aufstieg.[21] Zu der Zeit profitierte Ameis somit bereits von der NS-Kriegswirtschaft. Der im Entnazifizierungsfragebogen angegebene Jahresverdienst enthielt zwar auch Einnahmen aus der Vermietung von Wohnraum, das jedoch, so Ameis selbst, nur zu zu einem geringen Teil.[22]
1941 trat er zudem in die Deutsche Arbeitsfront (DAF) ein, einen an die NSDAP angeschlossenen Verband,[23] dem die RKK seit Februar 1934 als korporatives Mitglied angehörte. Die DAF war nach Abschaffung der freien Gewerkschaften durch die Nationalsozialisten am 10.5.1933 gegründet worden, ihr Ziel bestand in der „Erziehung aller im Arbeitsleben stehenden Deutschen zum nationalsozialistischen Staat und nationalsozialistischer Gesinnung“.[24] Mit rund 25 Millionen Mitgliedern war sie die größte und finanzkräftigste Massenorganisation des NS-Regimes.[25]
Während des Zweiten Weltkriegs leistete Ameis keinen Militärdienst. Ab dem 20.4.1941 nahm er, inzwischen 60-jährig, an einem vierwöchigen Lehrgang bei der Fahr-Ersatz-Abteilung 10 in Neumünster teil und wurde im Herbst 1941 als untauglich zurückgestellt. [26]
Zum 1.7.1942 wechselte Ameis als Architekt vom Heeresbauamt III in das Büro für die Neugestaltung der Hansestadt Hamburg unter der Leitung von Konstanty Gutschow. Dieser entwarf ab 1941 im Auftrag des Hamburger Gauleiters und Reichstatthalters Karl Kaufmann den ersten Generalbebauungsplan für Hamburgs Ausbau zur „Führerstadt“ und beschäftigte zahlreiche Architekten mit Gutachten und Wettbewerben, Bebauungsplänen für verschiedene Stadtbereiche und dem Bau von Hochbunkern im Rahmen des „Führer-Sofortprogramms“. Ab dem 1.6.1941 leitete Gutschow zudem das von Kaufmann neu verfügte Amt für kriegswichtigen Einsatz. Damit war er auch zuständig für die Organisation der Trümmerräumung, Luftschutzmaßnahmen und Ersatzwohnraumbeschaffung sowie für den Einsatz von Zwangsarbeiterinnen, Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen in diesen Bereichen.[27] Ob Ameis Letzteres mitplante, lässt sich nicht ermitteln. Entsprechend seinen eigenen Angaben erhöhte sich sein Gehalt in den Jahren 1942 bis 1944 noch einmal deutlich, sodass er weiterhin von der NS-Kriegswirtschaft profitierte. Die Gehaltshöhe wirkte sich zudem positiv auf seine spätere Rente aus, da im Rahmen der Entnazifizierung keine disziplinarischen Maßnahmen wie beispielsweise eine Rentenkürzung gegen ihn ergriffen wurden.
Ameis war bis zum 30.6.1945 im Büro Gutschow beschäftigt.[28] Anschließend arbeitete er wieder mit seinem Schwager im gemeinsamen Architekturbüro. Als Alfred Jacobs am 11.12.1945 in Hamburg starb, führte Ameis das Büro allein weiter.[29]
Nach Abgabe des Entnazifizierungsfragebogens vom 16.5.1946 vernahm der zuständige Beratende Ausschuss Ameis persönlich und kam zu dem Schluss, dass keine Aktivitäten seinerseits in der NSDAP „erkennbar“ seien. Wegen seiner Parteizugehörigkeit seit dem 1.5.1933 empfahl der Ausschuss die Einstufung in Kategorie IV,  „Mitläufer“. Der Fachausschuss hielt ihn in der Folge für „nicht belastet“ und stufte ihn in Kategorie V, „Entlastete“, ein. [30]
Otto Ameis starb am 6.1.1958 in Hamburg. 1979 wurde in Hamburg-Bergedorf nach ihm der Ameisweg benannt.

Text: Frauke Steinhäuser