Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Bernhard Rüger

(13.05.1903 – 20.12.1966)
Staatsanwalt
Adresse: Hansastraße 19 (1940)
Wirkungsstätte: Sievekingplatz 1, Staatsanwaltschaft am Landgericht Hamburg


Bernhard Rüger wurde am 13. Mai 1903 in Zellerfeld geboren, wuchs aber in Hamburg auf. Noch als Schüler, mit 17 Jahren, schloss er sich 1920 den „Bahrenfelder Freiwilligen“ („Freikorps Bahrenfeld“) an. 1922 bestand er die Reifeprüfung und wurde nach seinem Jura-Studium zunächst Rechtsanwalt in Hamburg. Rüger trat bereits 1932 der NSDAP und der Marine-SA bei, in der er es bis zum Sturmbannführer brachte. Nach Hitlers Machtübernahme 1933 wechselte er in den Staatsdienst. Zunächst wurde er im April 1933 zum Regierungsrat ernannt, protegiert vom Gauleiter Karl Kaufmann, der ihn zum Leiter des Amtes Ritzebüttel in Cuxhaven machte. Cuxhaven gehörte damals zu Hamburg. Nach kurzer Zeit wurden schwere Vorwürfe gegen Bernhard Rüger in dienstlicher und außerdienstlicher Hinsicht bekannt. Aus den Akten ist jedoch nicht ersichtlich, um welche Vorwürfe es sich handelte. 1934 beschloss der Hamburger Senat, Berhard Rüger einen Verweis zu erteilen, ihn vom Amt Ritzebüttel zu entfernen und ihn sodann als Staatsanwalt am Landgericht Hamburg zu installieren. Als Ankläger war Rüger fortan an vielen Verfahren des Hanseatischen Sondergerichts beteiligt. Außerdem vertrat er die Anklage in zahlreichen „Rassenschande“-Urteilen vor der 6. Strafkammer des Landgerichts. So war er beispielsweise als Staatsanwalt in unrühmlicher Weise an dem Urteil gegen den jüdischen Rechtsanwalt Dr. Manfred Heckscher beteiligt, der am 1. Dezember 1938 zu 6 Jahren Zuchthaus wegen „Rassenschande“ verurteilt wurde. Heckscher verbüßte einen Teil dieser Strafe im Zuchthaus Hamburg-Fuhlsbüttel, und wurde im Dezember 1942 nach Auschwitz deportiert, wo er Anfang 1943 starb. Staatsanwalt Rüger hatte die einzige Zeugin in dem Verfahren gegen Heckscher, die mehrfach ihre Aussage widerrufen hatte, stark unter Druck gesetzt und eine Aussage von ihr erpresst.
Ende Dezember 1937 stieg Rüger zum Ersten Staatsanwalt auf. 1940 bat das Oberkommando der Kriegsmarine die Wehrersatzinspektion Hamburg, den Ersten Staatsanwalt als Marinehilfskriegsgerichtsrat einzuberufen und am Gericht des 2. Admirals der Ostseestation in Kiel einzusetzen. So kam Bernhard Rüger 1940 zur Marinejustiz und war in der Folge an verschiedene Gerichte kommandiert: Zunächst war er an dem genannten Gericht in Kiel tätig, und von 1941 bis 1943 am Gericht der Deutschen Marinemission Rumänien. Ab Sommer 1943 wurde er für einige Monate zum Gericht des Küstenbefehlshabers Deutsche Bucht in Wilhelmshaven versetzt und ab März 1944 zum Gericht des Admirals der norwegischen Polarküste. Im März 1945 schließlich wurde er zum Gericht des Inspekteurs des Bildungswesens der Kriegsmarine in Flensburg-Mürwik kommandiert. Seine Beurteilungen waren eher durchwachsen. Viele Vorgesetzte bewerteten seine Urteile als zu milde, manch einer war aber auch recht angetan („ein sicheres Gefühl für die Auswirkung der Militärstrafgerichtsbarkeit auf die Notwendigkeit der soldatischen Menschenführung“). Genaueres über seine Spruchtätigkeit bei diesen Gerichten ist allerdings nicht bekannt.
Im Juli 1945 verhaftete die britische Militärregierung Bernhard Rüger und er kam im Sommer 1945 in das britische Internierungslager Neuengamme (Civil Internment Camp 6), wo er einige Monate verblieb. Im Zuge des auf seine Entlassung folgenden Entnazifizierungsverfahrens blieben alle seine Ernennungen aus der NS-Zeit „wegen enger Verbindung zum Nationalsozialismus“ unberücksichtigt bzw. wurden rückgängig gemacht. Als einer von wenigen NS-Juristen wurde in die Kategorie III eingestuft („Minderbelastete“), während die meisten anderen als „Mitläufer“ oder „Entlastete“ galten. Hierfür waren vor allem seine Tätigkeit als Erster Staatsanwalt in Hamburg bis 1940, und hierbei besonders seine Mitwirkung an „Rassenschande“-Urteilen, sowie seine frühen Mitgliedschaften in SA und NSDAP ausschlaggebend.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelte ab 1947 gegen Bernhard Rüger wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit im Fall Manfred Heckscher. Nach Abschluss der Ermittlungen, am 10. August 1948 klagte ihn die Staatsanwaltschaft wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit, wegen Freiheitsberaubung im Amt und wegen Aussageerpressung an. Das Schwurgericht sprach ihn jedoch im Urteil vom 29. April 1949 vom Vorwurf des Verbrechens gegen die Menschlichkeit sowie von allen anderen Anklagepunkten frei. Das Gericht sah die Anklage Rügers gegen Heckscher aus dem Jahr 1938 „nicht als so verabscheuungswürdig“ an, dass sie den Vorwurf eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit rechtfertigen würde. Zudem stünde das, was Heckscher nach der Verurteilung passiert war (gemeint war hier die Deportation nach Auschwitz), nicht in einem kausalen Zusammenhang mit dem Strafantrag Rügers 1938. Obgleich der damalige Oberstaatsanwalt Kramer das Urteil vom 29. April 1949 anfechten wollte, legte der Generalstaatsanwalt keine Revision ein, da er es für aussichtslos hielt, eine Verurteilung zu erwirken. Siehe auch Biografie von Heckscher auf der Webseite der Stolpersteine Hamburg

Bernhard Rüger versuchte jahrelang, mit der Hilfe u.a. seines Anwalts Hans Haack, seine Wiederzulassung zum Justizdienst in Hamburg zu erlangen. Im Gegensatz zu vielen anderen ehemaligen NS-Juristen gelang ihm dies allerdings nicht. Er starb am 20. Dezember 1966.
Text: Claudia Bade