Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Harvestehude unter dem Nationalsozialismus


Das alles änderte sich im Frühjahr 1933 abrupt. Zeitzeugen erinnern sich an ihr vom ersten Tage an bestehendes Unbehagen, weil sie als Jüdinnen und Juden plötzlich außerhalb der städtischen Gemeinschaft zu stehen schienen. Selbst behütete Kinder fühlten sich plötzlich angegriffen, von Freunden gemieden, dem Spott von Kameraden ausgesetzt. Auch wenn es Eltern gelang, die Kinder vor den großen Existenzsorgen abzuschirmen, fühlten sich Kinder wie Erwachsene ständig bedroht. Auf dem Nachhauseweg von der Talmud Tora Schule rissen größere Jungen dem kleinen Manfred Bundheim die Schülermütze vom Kopf, auf die er so stolz war. Auf dem Spielplatz im Innocentiapark wurden „die Judenkinder“ angerempelt. Wenn sie sich wehrten und es zur Prügelei kam, gab die Polizei unbesehen den Judenkindern die Schuld. Ein altes Photo zeigt, wie eine Bar Mizwa-Kindergesellschaft von jüdischen Kindern vor dem Haus fürs Photographieren posiert, während nebenan ein Nachbarsjunge demonstrativ die Haken­kreuzfahne hisst, das Symbol nationalsozialistischer Macht und Überheblichkeit.

Freundliches Nebeneinander verkehrte sich in hämische Ablehnung der Juden. Versteckter Antisemitismus bekam scheinbar offizielle Bestätigung durch eine neue aggressive Gesetz­gebung, beginnend mit dem „Ermächtigungsgesetz“ vom 24. März 1933. Viele Juden reagierten auf den Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April mit sofortiger Emigration. Wer bereits Geschäftskontakte mit dem Ausland hatte, nutzte sie, wie zum Beispiel die Brüder Glückstadt aus der Hochallee. Sie konnten ihre Geschäfte nach Antwerpen und Brüssel verlegen. Die Hamburger Bevölkerung war wie hypnotisiert. Der triumphale Aufzug der SA durch die Straßen der Stadt begeisterte junge Menschen, die, als Versager aus Krieg und Gefangenschaft zurückgekehrt, nun ohne Arbeit und Zukunft dastanden und sich um die besten Jahre ihres Lebens betrogen fühlten. Nach dem ohnmächtigen politischen Hin und Her der letzten Jahre hatten sie von der Republik keine Wendung zum Guten mehr erwartet. Die kraftvolle Entschlossenheit der nationalsozialistischen „Bewegung“ riss nun nicht nur Kleinbürger mit. Viele orientierungslose Intellektuelle ließen sich durch das vollmundige Versprechen einer „Volksgemeinschaft“ verführen. Tatsächlich waren Inflation und Wirtschaftskrise noch nicht überwunden, insbesondere Hamburg galt noch als Notstandsgebiet, nun richtete sich die Hoffnung des „Volkes“ auf den wie vom Schicksal gesandten FÜHRER. Sendungsbewusstsein und Machtbesitz, Führertum und das Versprechen einer Gemeinschaft aller „Volks­genossen“ verschmolzen zu einer Ideologie, die den klaren Blick für die grundlegende Bedingung der großen Einigung, nämlich die Ausgrenzung und Verfolgung „der anderen“, verstellte.

Tatsächlich war der Ordnungswille der Nationalsozialisten beeindruckend. In Windeseile schufen sie ihren Machtapparat. Die Diktatur wurde getragen durch die bis ins Kleinste durchorganisierte Nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei (NSDAP). An der Spitze stand in einsamer Größe der „Führer und Reichskanzler“ Adolf Hitler. Zum NS-Führungspersonal gehörten 18 Reichsleiter, 43 Gauleiter, 813 Kreisleiter, davon 18 in Hamburg, 26.138 Ortsgruppenleiter, 97.161 Zellenleiter und 511.689 Blockleiter. Alle diese Parteiinstanzen unterhielten ein Heer von haupt- und ehrenamtlichen Nebenämtern, sodass ein Netz von nationalsozialistischen Dienststellen das Reichsgebiet durchzog. In Hamburg blieb die Staatsverwaltung im Prinzip bestehen, wurde aber nach und nach ganz von Parteigenossen der NSDAP, „Pg’s“, vereinnahmt. Harvestehude wurde bei der neuen Kreiseinteilung mit Rotherbaum als Kreis 2 unter dem Kreisleiter Walter Gloy zusammengefasst. Dieser, Parteigenosse seit 1925 und überzeugter Antisemit, freute sich sarkastisch, über einen „Judenkreis“ zu gebieten.[1] Die Straßen um den Innocentiapark und die Hallerstraße wird er nicht sehr oft betreten haben, denn für Aufmärsche und Großdemonstrationen eignete sich das Gelände nicht. Auch legte er das Schwergewicht seiner Tätigkeit zunächst nicht auf die „Judenfrage“, sondern konzentrierte sich auf Schulungskurse und Vorträge, aber auch Bunte Abende, Tanzveranstaltungen und Kinoabende, um alle Volksgenossen für die Partei zu gewinnen und um die nun verbotenen Vereine zu ersetzen. Der allgemeine Trend, den auch die „Gaunachrichten“[2], eine der nationalsozialistischen Zeitungen, verfolgten. Nach den gewalttätigen Aktionen im Frühjahr 1933 präsentierte sich die NSDAP den Bürgern und Bürgerinnen Hamburgs zunächst als jovial, fürsorglich und aufmunternd.

Die „Gaunachrichten“ enthielten außer einem zentralen Teil mit amtlichen Mitteilungen Regionales der einzelnen Kreise. Sie zeigten dort stattfindende Parteiveranstaltungen an und machten werbend bekannt mit den NS-Vereinen und Parteigliederungen. Das waren: die Deutsche Arbeitsfront (DAF), die Hitlerjugend (HJ), der BDM (Bund deutscher Mädels), NS-Frauenschaft (NSF), Volkswohlfahrt (VW), „Kraft durch Freude“ (KdF), Winterhilfswerk (WHW), Reichsbund deutscher Familien (RdF) und so weiter. Der biedere, auf frisch-fröhliches Echo abgestimmte Ton wandte sich an die „Volksgemeinschaft“: „Kein Volksgenosse soll hungern und frieren“. Die Begeisterung für „Ein Volk, Ein Reich, Ein Führer“ übertönte den Bann gegen die „Volksfremden“, der Jüdinnen und Juden von der „Volksge­meinschaft“ ausschloss. Die Adressbücher der Jahre 1933 bis 1939 vermerkten (noch) nicht, welcher Einwohner Jude war und wen die neu erlassenen Gesetze betrafen. In den vornehm stillen Straßen des Viertels fand Hitlers SA (Sturmabteilung) keine Kneipe, in der die braun Uniformierten für die Sache des Führers werben konnten. Dennoch zog auch hier der Blockwart seine Runde. Bei den zahlreichen Sammlungen für das Winterhilfswerk, für Kriegsopfer oder andere soziale Zwecke nahm er an der Haustür das Geld entgegen, notierte den Betrag, inspizierte, ob die Kinder zur HJ gingen, ob ordentlich geflaggt und welche Zeitung abonniert wurde. An den Türen der Juden ging der Blockwart vorbei, denn er hatte bereits notiert und gemeldet, dass sie nicht zur „Volksgemeinschaft“ gehörten. Weder als Spender noch als Empfänger sollten Juden zum staatlichen Aufbauwerk beitragen dürfen.

1935 wurde in Hamburg ein „Aufklärungsamt für Rassefragen“ eingerichtet. Das „Reichs­bürgergesetz“ und das „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ definierten, wer als „Volljude“ oder „Halb“-, „Viertel“- oder „Geltungsjude“ anzusehen sei. [3] Alle mit dem Stigma „Jude“ Behafteten sollten vom „arischen Kern“ des Volkes ferngehalten und von den „Reinen“ gemieden werden. Möglichst an keinem Ort sollten sich Begegnungen ergeben, deshalb wurden später öffentliche Plätze, Parks, Kinos und schließlich auch Verkehrsmittel mit „Judenbann“ belegt. In einem jüdischen Haushalt durften keine unter 45-jährigen weiblichen Angestellten beschäftigt werden. Für manche jüdische Familie bedeutete das den Verlust einer geschätzten Hausgenossin und Beziehungsperson der Kinder. Als „Rassenschande“ galt der nun strafbare Geschlechtsverkehr zwischen Juden und nichtjüdischen Partnern. Für Denunziantinnen und Denunzianten bot sich Gelegenheit, z. B. aus Eifersucht Rache zu nehmen. Der Maler Erich Brill (Stolperstein Brahmsallee 47) wurde wegen „Rassen­schande“ zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt, der Handlungsgehilfe Max Wagner (Stolperstein Brahmsallee 25) zu sechs Jahren. Beide wurden vor Ablauf ihrer Haftstrafe deportiert und ermordet. Jüdische Firmen und Geschäfte erlitten schwere Einbußen, die Inhaber verloren ihre Kundschaft und erhielten keine Aufträge mehr. Eine Unzahl von Ge- und Verboten grenzte Juden aus dem Alltags- und Geschäftsleben aus. Mit Energie und Geschick suchten manche Gewerbetreibende sich dennoch zu behaupten. Allerdings zerschlug sich oftmals die improvisierte Möglichkeit zum Gelderwerb ebenso schnell wie sie sich geboten hatte. So war es bei einer jüdischen Gaststätte in Harvestehude. Der typische Fall wird hier etwas ausführlicher geschildert:

Am 3. März 1936 stellte Frau Martha Oppenheimer, Hallerstraße 9, durch ihren Rechtsanwalt Alfons Frankenthal an den „hohen Senat der Freien und Hansestadt Hamburg“ den Antrag auf Konzession zum Ausschank nicht alkoholischer Getränke. [4] Im November 1935 hatte sie den Mittagstisch für Juden, den sie zuvor am Grindelberg Nr. 82 betrieben hatte, in die zwei großen Räume im Erdgeschoss der Hallerstraße 9 verlegt, weil die Besucherzahl stark zugenommen hatte. Seit Erlass des Reichsbürgergesetzes am 15. September 1935 wagten sich Juden nicht mehr in öffentliche Speiselokale, durften solche oft auch gar nicht betreten. Deshalb waren sie auf jüdische Gaststätten angewiesen. Frau Oppenheimer besorgte nun in der Hallerstraße täglich 60 bis 70 Gedecke in der Preislage zwischen 1,20 und 2,50 RM. Der monatliche Umsatz betrug 3.000 RM. Aber die Bewirtung litt erheblich darunter, dass keinerlei Getränke ausgeschenkt werden durften, und auch der Verdienst war der Arbeit nicht angemessen, wenn nur Essen serviert werden durfte. Das Gesuch um eine Ausschank-Konzession war also durch Bedarf und Wünsche der Gäste wie der Wirtin gerechtfertigt.

In dem neuen Betrieb von Frau Oppenheimer unterstand die Leitung der Küche einem Küchenchef. Außer der Inhaberin arbeiteten zwei als Küchenpersonal angestellte Personen und zwei Kellner. Die großen luftigen Räume boten bequem Platz für 70 bis 75 Personen, auch waren drei Toiletten und genügend Waschgelegenheit vorhanden. Frau Oppenheimer selbst war fachlich hervorragend vorgebildet, da sie in dem Betrieb ihres Vaters, „Hasenbergers Speisewirtschaft“, aufgewachsen war und im späteren Lokal in den Alsterarkaden und in der Dammtorstraße bis zu ihrer Hochzeit mit dem Fleischermeister Willy Oppenheimer mitgearbeitet hatte. Der Anwalt fügte dem Antrag die Ausweise von Frau Martha Oppenheimer bei: Meldeschein, Gewerbeschein für den Betrieb eines Mittagstisches, Heiratsurkunde und die Bestätigung des Hausbesitzers, des Zahnarztes Hugo Zuntz, dass er mit dem Betrieb einer Speisewirtschaft in den von ihm vermieteten Räumen einverstanden sei. Auf „Rassen­trennung“ werde geachtet: „Der Betrieb wird nach außen hin nicht als Mittagstisch oder Speisewirtschaft kenntlich gemacht werden, um nicht durch Anschriften arische Personen zum Besuch der Speisewirtschaft zu veranlassen.“ Der „Mittagstisch Oppenheimer“ war im „Israelitischen Familienblatt“ angezeigt worden, die „Speisegaststätte in der Hallerstraße 9“ suchte man vergebens.

Am 25. April äußerte sich die Wirtschaftsgruppe Gaststätten und Beherbergungsgewerbe in einem an die Polizeibehörde Hamburg, Abt. III Gewerbepolizei gerichteten Schreiben. Die beurteilenden Beamten waren in ihrem Rang durch ihren Parteidienstgrad kenntlich. Der stellvertretende Gaugruppenleiter der Wirtschaftsgruppe Gaststätten stellte fest, der Antrag der Frau Oppenheimer falle unter die Gesetze der Sperrverordnung vom 27. Oktober 1933. Ein Ausnahmefall, der eine Billigung rechtfertigen würde, liege nicht vor.

Einen Monat später kam der ablehnende Bescheid mit folgender Begründung: Es bestehe kein Bedürfnis für den beabsichtigten Betrieb. In Hamburg gebe es genügend Schankstätten, die „unbehelligt“ auch von Juden aufgesucht werden könnten. Nach der Sperrverordnung könne dem Antrag einer neuen Speisegaststätte nicht stattgegeben werden.

Es ist unklar, wie lange Martha Oppenheimer ihren Betrieb noch aufrechterhalten konnte. 1937 war nur noch ihr Ehemann als „Metzger“ unter Hallerstraße 9 im Adressbuch aufgeführt. 1938 wurden unter dieser Adresse der Metzgermeister Rosenbaum und seine Ehefrau E. Rosenbaum als Betreiberin einer Pension angezeigt. Das Ehepaar Wilhelm und Martha Oppenheimer wohnte 1938 bis 1941 als Mieter im ersten Stock am Grindelberg 74.

1940 ging das nun „arisierte“ Haus in der Hallerstraße an den neuen Eigentümer H. Knoche über. Der bisherige Eigentümer Hugo Zuntz gab kurzzeitig seine Adresse mit Schäferkampsallee 35 als Mieter an, ehe er 1938 mit seiner Frau nach Palästina emigrierte. Er hatte als aktives Mitglied der Hamburger Jüdischen Gemeinde nicht nur die Zustimmung zur Nutzung seiner repräsen­tativen Räume als jüdische Gaststätte gegeben, sondern war in verschiedenen gemeindlichen Funktionen in Erscheinung getreten: als Vorsitzender des Schulvorstandes der Talmud Tora Schule und des Deutsch-Israelitischen Synagogenverbandes. In der Synagoge am Bornplatz hielt er 1936 eine Rede bei der Einführung von Joseph Carlebach als Oberrabbiner. [5] Am 1. Januar 1938 wurde er in den Vorstand der Deutsch-Israelitischen Gemeinde gewählt, die sich nun „Jüdischer Religionsverband“ nennen musste.

Das Ehepaar Oppenheimer gehörte zu den Opfern nationalsozialistischer Gewalt. Am 8. November 1941 wurden beide nach Minsk deportiert und ermordet. Es gibt noch keine Stolpersteine für Oppenheimer Martha „Sara“, geborene Hasenberg, geb. 21.6.1881 in Hamburg und Oppenheimer Wilhelm „Israel“, geb. 15.7.1885 in Schweinfurt, Schlachter.

Der Alltag wurde für Jüdinnen und Juden durch die vielfältigen Schikanen und ständigen Bespitzelungen immer schwieriger. Berufsverbote und Verdienstausfälle hatten die Verarmung vieler Familien zur Folge. Zum Glück war die Deutsch-Israelitische Gemeinde wohlhabend und hatte eine gute Tradition öffentlicher Fürsorge. Unter dem äußeren Druck traten innerjüdische Unterschiede und Spannungen zurück. Die Anhänger unterschiedlichster Richtungen wie der „Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“, der „Reichsbund jüdischer Frontsoldaten“ und die „Zionistische Vereinigung“, kooperierten in der Unterstützungsarbeit. Die „Beratungsstelle für jüdische Wirtschaftshilfe“ organisierte alle bestehenden Hilfsangebote, vor allem die Einrichtungen zur Berufsumschichtung und zur beruflichen Erstausbildung von Jugendlichen. Die Vorbereitung auf die Auswanderung nach Palästina, die Hachschara, bestand im Erlernen von Landwirtschaft, Obstzucht und Tierhaltung. Für Mädchen gab es Haushaltungskurse und Anleitung im Nähen. Zur Ausbildung gehörte auch das Erlernen von Englisch, Französisch und Hebräisch. Lehrer Naphtali Eldod (Stolperstein Hallerstraße 55) von der Israelitischen Töchterschule nahm einen entsprechenden Lehrauftrag wahr, als der Unterricht in jüdischen Schulen immer mehr beschränkt wurde. Die Gemeinde vergab Darlehen an Geschäftsleute und rüstete in Solidaritätsaktionen bedürftige Auswanderer wie zum Beispiel Michael Perlmann aus der Brahmsallee 12 mit dem Nötigsten aus.

Jüdische Kultur und Kunst, aus der Öffentlichkeit abgedrängt in das Gemeinschaftshaus in der Hartungstraße, entfaltete dort eine reiche Produktivität, die in Hamburg attraktiv wirkte und den jüdischen Besuchern Mut, Entspannung und Zuversicht gab. Der jüdische Kulturbund förderte wissenschaftliche Vorträge, bot Konzerte und Theateraufführungen. Karten gab es bei der Kasse in der Buchhandlung Hallerstraße 76. Künstlerische Ideen einer Avantgarde fanden hier ein weites Experimentierfeld zwischen Expressionismus und Naturalismus. Der Ausdruckstanz von Erika Milee und Susanne Pander lieferte dem Theater Impulse zur Deutung der Körpersprache. Die Rezeption durch das Hamburger Publikum der 1930er-Jahre ist schwer einzuschätzen, weil im nationalsozialistischen Kulturbetrieb alle Modernismen in der Kunst als „entartet“ galten. Das betraf auch die Essays und Artikel, die Susannes Ehemann, der Hamburger Theaterkritiker Oswald Pander (Stolperstein Brahmsallee 6) damals verfasste.

Im Zuge der Erweiterung der Stadt zu „Großhamburg“ schlossen sich 1937 auch die Jüdischen Gemeinden von Hamburg, Wandsbek, Harburg-Wilhelmsburg und Altona unter dem Namen „Jüdischer Religionsverband Hamburg e.V.“ zusammen. So wie Hamburg zu Großhamburg wurde, entstand 1938 auch „Großdeutschland“. Der Anschluss Österreichs im März 1938 wurde als „Heimkehr“ des „Brudervolks“ begeistert gefeiert. Germanisierend wurde Österreich in „Ostmark“ umgetauft. Die Grenzwächter würden des Reiches Ostgrenzen tatkräftig verteidigen und erweitern. Im Taumel von einer deutschen Zukunft „im Osten“ war nicht die Rede von den vielen Juden, die der „Anschluss“ mitbrachte. In Hamburg fand die „Ostland-Begeis­terung“ einen besonderen Niederschlag: Bei der Entstehung von „Großhamburg“ mussten viele Straßennamen anders oder neu benannt werden. Dabei sollten alle an Juden erinnernden Namen verschwinden, so auch die Hallerstraße, benannt nach dem einstigen Senator Nicolaus Ferdinand Haller, der jüdischer Herkunft, getauft und assimiliert war. Hier bot sich nun Gelegenheit, an seiner Stelle den neuesten Erfolg des „Dritten Reiches“ zu betonen, indem die Hallerstraße in „Ostmarkstraße“ umbenannt wurde. [6]

Text: Inge Grolle