Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Denunzianten

Wulfsdorfer Weg 79


Ursula Pietsch beschreibt in ihrer Biografie über das NS-Opfer Alfred Conrad Friedrich Schär (5.8.1887, ermordet im KZ Fuhlsbüttel am 13.7.1937)  unter www.stolpersteine-hamburg.de nachbarschaftliches Denunziantentum.
„Zu Beginn der 1930er Jahre unterrichtete Schär weiter an der Taubstummenschule Bürgerweide. Ehrenamtlich arbeitete er in der Gemeindeversammlung Volksdorf als Vertreter der SPD-Fraktion mit. Wie die Protokolle dieser Zeit zeigen, gingen mehrere sozialpolitische Anträge auf ihn zurück. Während Schär sich als Gemeindevertreter für den Stadtteil Volksdorf verantwortlich fühlte, fanden manche Nachbarn die Tatsache, dass er von 1930 bis 1932 der SPD angehörte, eher verdächtig. Zugezogene Vorhänge, Licht im Keller und im Garten verbranntes Papier reichten ihrer Meinung nach 1933 aus, anzunehmen, dass im Hause Schär ‚kommunistische Literatur‘ gedruckt wurde. Da der Verdacht sich zunächst auch auf Familie Hertling erstreckte, veranlasste NSDAP-Ortsgruppenleiter Natskow, dass beide Familien am 13. August 1934 einer Haussuchung durch die Gestapo unterzogen wurden, wegen des ‚Verdachts staatsfeindlicher Umtriebe‘. "Die Wohnung und die Nebenräume wurden eingehend durchsucht, aber weder komm. noch marx. Material vorgefunden", heißt es im abschließenden Bericht der Gestapo.
Damit war die Denunziationsbereitschaft am Wulfsdorfer Weg aber keineswegs befriedigt. Dass die Familie Schär wegen ihrer finanziellen Schwierigkeiten Untermieter jüdischer Herkunft aufgenommen hatte, wurde als ‚starke Zumutung‘ ausgelegt. Ein solcher ‚Volksgenosse‘ dürfe keine deutschen Kinder erziehen. Nachbarn in Volksdorf hielten eine Kundgebung ab, auf der eine Rede über das Thema ‚Der Jude als Feind der Volksgemeinschaft‘ gehalten und Schär heftig angegriffen wurde. Sie scheuten auch nicht davor zurück, ihm persönlich anzulasten, dass zwei jüdische Ärzte ihre Autos auf dem Gehweg vor seinem Haus abgestellt hatten. Schließlich wurde Schär von der Landesunterrichtsbehörde vorgeladen, um sich gegen solche ‚Vorwürfe‘ zu verantworten. Noch kam er mit einer Verwarnung von Oberschulrat Mansfeld davon“ [1]. (Siehe auch Albert Mansfeld in dieser Datenbank)