Louis Bodenstab Louis (August Ferdinand) Bodenstab
(7.2.1877 Hamburg – 24.11.1951 Hamburg)
Inhaber der Heizungsartikelfirma Rosenkranz & Sengstack, Vorsitzender des Landesverbandes Schleswig-Holstein, Hamburg und Lübeck des Vereins für Deutsche Schäferhunde
Ifflandstraße 6 (Privatadresse)
Louis August Ferdinand Bodenstab, geboren am 7. Februar 1877 in Hamburg, war der Sohn des Reichsbahnangestellten Friedrich Bodenstab und dessen Ehefrau Wilhelmine, geborene Strüve. Louis Bodenstab absolvierte eine kaufmännische Ausbildung und zog um 1900 in die Friedenstraße in Wandsbek. 1910 siedelte er in die benachbarte Pappelallee um. Ende 1924 bezog er eine Erdgeschosswohnung in der Ifflandstraße 8 in Hohenfelde.[1]
Bereits ein Jahr zuvor hatte er sich als Kaufmann selbstständig gemacht. Ab 1926 war er Direktor der Johann Ahrens Eisen- und Röhren Aktien-Gesellschaft und zugleich neben Emil Sengstack Inhaber der Heizungsartikelfirma Rosenkranz & Sengstack; von 1932 an gehörte ihm das Unternehmen allein und er betrieb es ab 1934/1935 im Erdgeschoss des Hauses in der Ifflandstraße 8. Von 1937 an führte er unter seinem eigenen Namen eine Großhandlung für Zentralheizungsartikel, ebenfalls in der Ifflandstraße.
Politisch war Bodenstab bis 1923 Mitglied der Deutschen Volkspartei (DVP), der 1918 gegründeten Nachfolgepartei der Nationalliberalen Partei.[2] Die DVP vertrat rechts- und wirtschaftsliberale Interessen, ihre Repräsentanten stammten zumeist aus großbürgerlich-konservativem Milieu und warenüberwiegend monarchistisch ausgerichtet.
Noch vor der Machtübergabe an die Nationalsozialisten beantragte Bodenstab im September 1932 die Mitgliedschaft im Nationalsozialistischen Kampfbund des gewerblichen Mittelstandes. Aufgenommen wurde er im Mai 1933.[3] Ziel dieser Organisation war die Bindung des Mittelstandes an die NSDAP. Siebekämpfte unter anderem durch Boykottaktionen große Handelsunternehmen wie Warenhäuser, Konsumgenossenschaften und Kapitalgesellschaften, um angeblich Handwerk und Einzelhandelsgeschäften den Rücken zu stärken. Gleichzeitig übte sie auf Vorstände einzelner Mittelstandsverbände Druck aus oder zwang sie zum Rücktritt, um die Verbände zu kontrollieren. Sein eigentliches Ziel erreichte der Kampfbund jedoch nicht. Im Juli 1933 verbot die NSDAP Aktionen gegen die Warenhäuser –auch gegen die jüdischen –, weil sie Arbeitsplätze gefährdeten. Generell passte der NS-Führung das radikale Vorgehen des Bundes nicht in ihr scheinlegales Konzept. Im August 1933 wurde die Organisation in die Nationalsozialistische Handwerks-, Handels- und Gewerbeorganisation, NS-Hago, überführt. Die Aufgabe dieser NSDAP-Gliederung lag in der „weltanschaulichen und wirtschaftlichen Schulung und Ausrichtung des Mittelstandes im nationalsozialistischen Sinne“.[4]
Hier engagierte sich Bodenstab ehrenamtlich als Amtswalter[5], also als Funktionär. Dazu musste er zunächst einen Eid auf Adolf Hitler schwören. 1935 wurde die NS-Hago in die Deutsche Arbeitsfront (DAF) eingegliedert und Bodenstab damit DAF-Mitglied. Die DAF war im Mai 1933 durch die gesetzliche Auflösung der freien Gewerkschaften, die Beschlagnahme ihres Vermögens sowie unter Abschaffung des Streikrechts und der Zwangsintegration sämtlicher Angestellten- und Arbeiterverbände gegründet worden. Sie stellte die größte NS-Massenorganisation dar und war nach dem „Führerprinzip“bis hinunter zum Blockwart gegliedert.
Nach Aufhebung des vorübergehenden Aufnahmestops trat Bodenstab zudem sofort am 1. Mai 1933 in die NSDAP ein.[6]
Außerdem wurde er 1933 Mitglied in der NS-Volkswohlfahrt (NSV), wo er ebenfalls eine Aufgabe als ehrenamtlicher Amtswalter übernahm.[7] Dieser an die NSDAP angeschlossene Verband organisierte unter anderem das „Winterhilfswerk“, das „Mutter und Kind“-Hilfswerk und die Kinderlandverschickung. Dabei bestimmten rasse- und erbbiologische Selektionskriterien seine Arbeit. Die Aufgabe des NSV bestand ganz klar darin, so ihr Leiter Erich Hilgenfeldt, „die Gesundheitsführung des deutschen Volkes zu übernehmen und ihm rassehygienisches Denken und Handeln beizubringen“[8]. Ebenfalls von Hilgenfeldt stammt der Satz: „Völlig verfehlt ist es, Barmherzigkeit zu üben an einem Menschen, der Nation und Menschheit nichts mehr zu geben hat. Wir haben barmherzig zu sein mit dem starken, gesunden Menschen.“[9]
Des Weiteren war Bodenstab seit 1933 Mitglied im Nationalsozialistischen Reichskolonialbund (RKB)[10], einer von der NSDAP „betreuten“Organisation, in der ab 1933 alle deutschen Kolonialverbände zusammengefasst wurden und sich freiwillig „gleichschalten“ließen. „Führer“des RKB war Reichsritter Franz von Epp, gleichzeitig Leiter des kolonialpolitischen Amts der NSDAP.
Vor allem aber hatte Louis Bodenstab eine Vorliebe für deutsche Schäferhunde. 1912 war er in den 1899 von dem Kavallerieoffizier Max von Stephanitz-Grafrath gegründeten Verein für Deutsche Schäferhunde (SV) eingetreten und engagierte sich dort ehrenamtlich auf verschiedenen Funktionärsposten.[11] Von Stephanitz-Grafrath–einst Vorsitzender des Vereins zur Förderung der Zucht und Verwendung von Polizeihunden –hatte aus wölfischen Hütehunden eine neue Rasse gezüchtet, die die gleichen „Tugenden“aufweisen sollte wie deutsche Soldaten: Treue, Gehorsam, Präzision und Leistungsfähigkeit. In seinem Standardwerk „Der deutsche Schäferhund in Wort und Bild“(1901) stellte er zudem einen Bezug zwischen der Zucht von Schäferhunden und der menschlichen Gesellschaft her und warnte zugleich vor der „Aufzucht von Schwächlingen“: „Unsere hochgezüchteten Stämme entsprechen etwa den oberen Zehntausend (…), denen des Geistes, des Schwertes, der Arbeit. Im Gegensatz dazu haben wir auch ein ,Schäferhund-Proletariat’–nicht so, wie das Wort in klassenverhetzendem Sinne gebraucht wird. Dazu rechnet alles Krankhafte, Ungesunde, die, denen der Ansporn fehlt, aus eigener Kraft zu steigen; (…) dann die durch Zucht, Aufzucht und Haltung körperlich und seelisch verkommenen, die ver- und überzüchteten, die Zwingerhunde. Die alle erhalten, heben zu wollen, wäre verlorene Liebesmühe. Es ist Rassenabfall, selbst als Zuchtdünger nicht mehr verwertbar.“[12]
So verwundert es nicht, dass der Schäferhund mit seiner Zuchtgeschichte als „deutsches Symbol“im Kaiserreich auch zum Symbol des Nationalsozialismus ab 1933 wurde. Der Verein für Deutsche Schäferhunde, zu deren aktiven Mitgliedern Louis Bodenstab weiterhin zählte, wurde allerdings mit anderen Hundezuchtverbänden in einem neuen Verband zusammengeführt und dem Sport unterstellt. Aus diesem Grund wurde Bodenstab Mitglied im „gleichgeschalteten“Deutschen Reichsbund für Leibesübungen und ab Dezember 1938 in dessen Nachfolgeorganisation, dem Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen, eine ebenfalls von der NSDAP „betreute“Organisation.[13] 1937 mussten sich die meisten der zum neuen Verband gehörenden Vereine dem Reichsverband Deutscher Kleintierzüchter unterordnen, darunter auch der frühere Verein für Deutsche Schäferhunde. Im Zuge der Kriegsvorbereitungen wurden die Hundezuchtvereine jedoch wieder aufgewertet, in einen selbstständigen Reichsverband für das Deutsche Hundewesen überführt und dem Oberkommando des Heeres unterstellt. 1941 erfolgte der Wechsel unter das Dach der SS.[14]
Damit einher ging der Einsatz von Schäferhunden in Konzentrationslagern–nicht nur als Wachhunde, sondern auch als Folterwerkzeuge und Tötungsinstrumente. Oswald Pohl, Chef des Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes der SS, ließim Juli 1942 in seinem Amt die neue Hauptabteilung „Schutz- und Suchhunde“einrichten. Zu ihren Aufgaben gehörte die Beschaffung, Zucht und Ausbildung von für das KZ vorgesehen Schäferhunden, und zwar zum Großteil aus Ortsgruppen des ehemaligen Vereins für Deutsche Schäferhunde sowie anderen Hundezuchtvereinen[15].
In der Hamburger Ortsgruppe bekleidete Bodenstab über die Jahre verschiedene ehrenamtliche Posten. Er war unter anderem Vorsitzender sowie Schriftwart und sogar Vorsitzender des gesamten Landesverbandes Schleswig-Holstein, Hamburg und Lübeck. „Außerordentlich rege“[16] setzte er sich für Zucht und Leistung der deutschen Schäferhunde ein, fungierte außerdem als Richter bei Zuchtschauen, und zwar nicht nur im Inland, sondern ab den 1930er-Jahren auch im Ausland: in Dänemark, England und noch 1942, während des Krieges, in Schweden.[17] In der Ifflandstraße 8 befand sich zudem 1934 und 1935 das Hamburger Büro des S. V., höchstwahrscheinlich in seiner Wohnung.
1943 wurde das Haus Ifflandstraße 8 bei Luftangriffen zerstört. Bodenstab wohnte spätestens ab 1946 in Wandsbek, in der Nerystraße 43. In der Wandsbeker Schlossstraße 15 führte er seine Firma für Heizungsartikel weiter, und im nun wieder aktiven Verein für Deutsche Schäferhunde betätigte er sich wie früher als Richter und Körmeister[18] (in letztgenannter Funktion wählte er geeignete Schäferhunde für die Züchtung aus). Diese Tätigkeiten übte er bereits zu der Zeit wieder aus, in der er seinen Entnazifizierungsfragebogen ausfüllte, also im August 1946. Denn die Hauptgeschäftsstellen wurde „mit eigenem Zucht-, Kör- und Leistungsbuch“bald nach dem Krieg wieder eröffnet.
1947 entschied ein Sonderausschuss, dass Louis Bodenstab in die Kategorie V, Entlastete, gehöre und seinen Beruf bzw. seine selbstständige Unternehmertätigkeit weiterhin ausüben könne.[19] Er war vor allem ein großer Tierfreund, suggerieren seine Antworten in dem Formular, der fast seine ganze Freizeit für den ehrenamtlichen Einsatz im Hundezüchterverein opferte und als Koryphäe sogar im Ausland respektiert war.
Am 18. Januar 1948 wurde der Deutsche Schäferhundverband offiziell wiedergegründet–was mit einem großen Fest und vielen Gästen –darunter sicher auch Bodenstab –am5. Februar 1948in Hamburg gebührend gefeiert wurde.[20]
Louis Bodenstabs Firmenbüro befand sich 1950 in der Wandsbeker Schulstraße 2a. Im Jahr darauf lautete die Firmenadresse in Wandsbek Klappstraße 2a. Ebenfalls 1950 war er in den gut situierten Wandsbeker Stadtteil Marienthal gezogen, in die Straße Nöpps 43, eine ruhige Sackgasse mit vielen, idyllisch hinter Bäumen gelegenen Einfamilienhäusern und Stadtvillen. Er starb am 24. November 1951 mit 74 Jahren.[21]
Autorin: Frauke Steinhäuser