Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Alfred Grobmann

(26.12.1910 Köln - 29.8.1971 Hamburg)
Lehrer
Wilhelm-Gymnasium
Saling 20 (Privatadresse)


Die Hamburger Lehrer-Nachkriegskarriere eines Hauptsturmführers und Propagandisten der Waffen-SS

Alfred Grobmann wurde am 18.8.1955, in Zeiten des Hamburg-Blocks mit Schulsenator Hans Wenke, dem Wilhelm Gymnasium in Hamburg als Studienrat zugeordnet. Grobmann fand die Anerkennung insbesondere des Schulleiters, Oberstudiendirektor Prof. Franz Bömer, der selbst noch nicht lange am Wilhelm-Gymnasium arbeitete, nachdem er Schwierigkeiten mit der Entnazifizierung in Bonn gehabt hatte, weil er aktiver Nationalsozialist und SA-Mann gewesen war. Es lohnt sich, die Wertschätzung Grobmanns am Wilhelm-Gymnasium nachzuzeichnen und auf seine Biografie zu sehen und festzustellen, dass Alfred Grobmann einer der verbohrtesten NS-Ideologen und Hauptsturmführer der Waffen-SS gewesen war.

Alfred Grobmann, der am 26.12.1910 in Köln als Sohn des Ingenieurs Walter Grobmann geboren worden war, hatte 1929 am Kirchenpauer-Realgymnasium in Hamburg Abitur gemacht. (1) Er studierte dann in Tübingen und Hamburg von 1929 bis 1935 Literaturwissenschaft, Geschichte und Religion. In Tübingen war Grobmann dem Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund (NSDStB) beigetreten.

Grobmann absolvierte 1935 das 1. Staatsexamen und 1937 das 2. Staatsexamen für das Lehramt an höheren Schulen. Dass Grobmann danach nicht in den Schuldienst überging, lag einerseits an der schwierigen Stellensituation im öffentlichen Dienst, aber auch daran, dass Grobmann sich schon früh nationalsozialistisch orientiert und organisiert hatte. Laut seines handschriftlichen Lebenslaufs in seiner SS- Personalakte war er schon 1921 in einer völkischen Jugendgruppe in Hamburg aktiv geworden. Er hatte vor seinem SS-Beitritt am 1.5.1933 (Mitgliedsnummer: 90650) dem Jungsturm angehört und als Funktionär des NSDStB „Schulungen abgehalten", war von 1933 bis 1935 Ausbilder in Wehrsportabteilungen gewesen und später auch HJ-Schulungsleiter. (2)

Seine SS-Karriere bis hin zum weltanschaulichen Propagandisten und Mitglied der Waffen-SS soll später genauer geschildert werden.

Von Alfred Grobmann liegt nur eine knappe schulische Personalakte des Wilhelm-Gymnasiums vor, seine Personalakte aus der Schulbehörde wurde nach seinem Tode vernichtet. Es war auch keine Entnazifizierungsakte zu ermitteln, da Alfred Grobmann in den Jahren bis 1945 keinen festen Wohnort in Deutschland hatte. Nicht bekannt ist mir, ob er in Kriegsgefangenschaft gewesen war.

In seiner Personalakte aus dem Wilhelm-Gymnasium wurde aufgelistet, wo Grobmann pädagogisch tätig gewesen war. Nach 1945 nannte er ohne Jahreszahlen:

  • "Pädagogium , Schloss Seedorf (Internatsleiter),
  • Lüderitzschule Bremen,
  • Volksschule Wandsbek
  • Private höhere Schule Lüneburg (Schulleiter)." (3)

Franz Bömer, Oberstudiendirektor am Wilhelm Gymnasium, verfasste mehrere Gutachten über Grobmann, aus denen deutlich wird, wie sehr er Grobmann schätzte und zu fördern suchte. Schon am 30.11.1955, kurz nach Grobmanns Arbeitsbeginn am Wilhelm-Gymnasium, berichtete Bömer: „Herr Dr. Grobmann trat nach den Sommerferien 1955 in das Kollegium des Wilhelm-Gymnasiums ein. Er übernahm den Unterricht in Religion, Deutsch und Geschichte in mehreren Mittel- und Oberklassen. Nach dem 1. Oktober übernahm er dazu auch das Ordinariat der Klasse 0 12." Obwohl Grobmann erst knapp ein halbes Jahr am Wilhelm-Gymnasium tätig war, konnte Bömer seinen ersten Eindruck schildern:

„Herr Dr. Grobmann macht den Eindruck einer ruhigen, sicheren, sehr gefestigten Persönlichkeit; diese gibt ihm eine wesentliche Voraussetzung für seinen Unterricht und seinen außerunterrichtlichen Umgang mit den Schülern. Ihm konnte nach kurzer Zeit die Aufgabe übertragen werden, eine schwierige und durch den Tod ihres Ordinarius ein wenig aus den Fugen geratene Klasse zu übernehmen. Es ist Herrn Dr. Grobmann gelungen, in Kürze einen Überblick zu gewinnen und mit sicherer Hand normale Verhältnisse wiederherzustellen und, wie es scheint, auch das Vertrauen der Eltern zu gewinnen."

Grobmann habe die Klasse „im Schatten eines ganz überragenden Vorgängers" übernommen. Bömer stellte fest: „Sein Unterricht hebt sich von diesem durch seine wesentlich andere Einstellung ab. Herr Dr. Grobmann scheint kein Freund moderner pädagogischer Extravaganzen zu sein. Was er bringt, ist durchdacht, klar, zielstrebig und häufig stark vom Lehrer her betont, ohne daß diese die Eigenheit der Schüler zu benachteiligen droht. Ich halte das nicht für einen Nachteil, sondern für eine Frage des Temperaments." (4)

Grobmann hatte sich aktiv und mit Erfolg „an der Gestaltung der Morgenandachten" beteiligt. Und: „Im persönlichen Umgang sind Korrektheit und eine gewisse Reserve vorherrschend."

Insgesamt befürwortete Bömer die endgültige Übernahme Grobmanns, der „für das Kollegium einen Gewinn bedeuten würde“.

Schon im Jahr darauf wurde Grobmann für die damaligen Gymnasial-Aufnahmeprüfungen Mitglied des Bezirksaufnahmeausschusses und im nächsten Bericht am 9.11.1961 war Bömer voll des Lobes für Grobmann und schlug erstmalig vor, Grobmann stärker zu fördern und auch zu befördern. „Er hat in der Zwischenzeit zwei Klassen zum Abitur geführt (1957,1961) und ist insbesondere als Fachlehrer für Religion und als Ausbilder für Referendare und Studenten in allen drei Fächern hervorgetreten. Zu dieser Tätigkeit machen ihn sein gründliches Wissen, seine solide Arbeitsweise und vor allem seine großzügige und menschliche Art, mit Gleichaltrigen und jüngeren Kollegen umzugehen, besonders geeignet. Von hierher kann man es auch verstehen, daß Herr Dr. Grobmann vor seinem Übertritt in den hamburgischen Schuldienst einer Privatschule als Direktor vorgestanden hat; er hat durchaus das Zeug dazu und ist als Studienrat eigentlich unter Rang und Leistung eingestuft."

Über Grobmanns Wirkungskreis notierte Bömer: „So ist er auch Mitglied des Elternrates und Mitglied des Vertrauensausschusses der Schule; seiner vernünftigen, sachlichen, selbstverständlichen und überlegenen Art ist zu einem wesentlichen Teil das gute Verhältnis zwischen Kollegium und Schulleiter und damit auch das ausgezeichnete ‚Arbeitsklima‘ der Schule zu verdanken."

Bömer schloss mit der Befürwortung, Grobmann zum Oberstudienrat zu befördern. (5)

1963 war es dann soweit. Am 4.9.1963 wurde Alfred Grobmann Oberstudienrat. Franz Bömer hatte in seinem Bericht geschrieben, dass „der überdurchschnittlich positive Eindruck sich im Laufe der Jahre immer mehr gefestigt hatte". (6)

Alfred Grobmann war am Wilhelm-Gymnasium der Mann für den Nachwuchs geworden: „In seinen Fächern, Deutsch, Geschichte, Gemeinschaftskunde, Religion, unterrichtet er mit größter Selbständigkeit, Selbstverständlichkeit, ohne sachliche, disziplinarische oder menschliche Schwierigkeiten. Es hat sich gezeigt, daß er auf diesen Gebieten auch jetzt noch in seiner Fortbildung bemüht ist und im Stande ist, auch die Anforderungen der Umstellung des Geschichtsunterrichts sofort aufzunehmen und in die Tat umzusetzen. Aus all diesen Gründen wird er seit Jahren  vor allen anderen Kollegen seines Faches mit der Ausbildung von Referendaren und Studenten betraut. Seine sichere Beherrschung des Stoffes und seine überlegene menschliche Art bietet seit langer Zeit die Gewähr dafür, daß gerade auf diesem für den Nachwuchs so wichtigen Gebiete ganze Arbeit getan wird." (7)

Grobmann blieb vielseitig aktiv. Er war „Mitglied des Elternrates, Mitglied des Vertrauensausschusses der Schule, Vertreter der Schule in dem zuständigen Bezirks-Aufnahme-Ausschuss (BAA), Träger der Aktion Jugendschutz an der Schule und Herausgeber des Mitteilungsblattes „Das Wilhelm-Gymnasium". (8)

Alfred Grobmann unterrichtete nicht nur Geschichte, er zeichnete also auch für die Geschichtsschreibung der Schule verantwortlich.

Als die Schulleiter der Hamburger Gymnasien aufgefordert werden, Kollegen „für die Vergoldung" vorzuschlagen, also für die Möglichkeit, verdienten Mitarbeitern Zulagen zu gewähren, wurde Alfred Grobmann von Schulleiter Prof. Bömer auf den ersten Platz gestellt. (9) Bömer begründete dies mit Grobmanns „vierzehnjähriger ununterbrochener Tätigkeit im Vertrauensrat der Schule und seiner erfolgreichen Ausbildungstätigkeit für Referendare“. Und in einer Liste, die Bömer an die zuständige Oberschulrätin schickte, schlug er Grobmann an erster Stelle für die Übernahme einer Schulleitung eines Hamburger Gymnasiums vor. (10)

Als Alfred Grobmann am 29.8.1971 starb, hielt der Lehrerkollege Friedrich-Wilhelm Zinke bei der Trauerfeier am 6.9.1971 eine Ansprache, in der es hieß:

„Das Wilhelm-Gymnasium trauert um Herrn Grobmann, einen seiner tüchtigsten und beliebtesten Lehrer. Er war ein Pädagoge von Format, mit reichem Wissen und Können. Mit Eifer widmete er sich den Dingen, die er einst  studiert und dann unterrichtet hatte: Germanistik, Literatur, Geschichte und Religion. Dazu kamen in letzter Zeit Gemeinschaftskunde mit für ihn zum Teil wenig geläufigen Teilgebieten, für deren Erarbeitung er seine Kraft einsetzte. Herr Grobmann war in diesen wissenschaftlichen Disziplinen mit überlegener Sicherheit zu Hause, und er war aufgeschlossen und wißbegierig gegenüber allen neuen Erkenntnissen. – Am Wilhelm-Gymnasium war er eine treibende Kraft für neue Formen des Unterrichts in der Gemeinschaftskunde und im Deutschunterricht der Oberstufe, in der er bevorzugt eingesetzt war.

Es gab kaum eine Reifeprüfung, bei der er nicht als Prüfer oder Korreferent mitwirkte. Aber nicht nur für schulische Dinge hatte er ein waches Auge. Ihn interessierte vieles um sich herum, sei es politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Natur. Er nahm dazu unvoreingenommen Stellung und hat im Laufe der Jahre manches in sich aufgenommen, wenn es auch noch so gegensätzlich war zu bisher Gedachtem und Erlebtem. Er setzte seine Kraft für seinen Beruf ein, ohne jedoch etwa das liegen zu lassen, was außerhalb der Schule lag und was das Leben an Wertvollem, Schönem und Befriedigendem zu geben hat und es lebenswert macht. Dazu gehörten Reisen und Geselligkeit. Er lebte das Leben, ohne sich etwa an einem abgegrenzten Lebensbereich zu orientieren. Das brachte mit sich, daß er in einer Klasse souverän, über den Dingen stehend, unterrichten konnte und jeder auch nicht schulischen Situation gewachsen war. Er formte die Schüler – ohne daß sie oder er sich dessen vielleicht bewusst waren – durch seine Persönlichkeit. Es ist selbstverständlich, daß seine Fähigkeiten, vor allem auch in pädagogischer Hinsicht, für die Ausbildung von Referendaren nutzbar gemacht wurden. Er war geschätzt und beliebt bei Schülern, Eltern und Kollegen. Das wird besonders deutlich im Gespräch mit ehemaligen Schülern.

Eine Charakterisierung des Verstorbenen wäre unvollständig, wenn nicht seine dominierende Stellung im Kollegium unserer Schule erwähnt würde. – Herr Grobmann war im August 1955 zu uns gekommen. Er gewann schnell das Wohlwollen der Kollegen, die ihn zu ihrem Vertreter im Elternrat und in den Vertrauensausschuß des Kollegiums wählte. – Etwa 1 1/2 Jahrzehnte bis zu seinem Tode schätzten wir in diesen Gremien, wie überhaupt, seine stete Bereitschaft mitzuarbeiten, mitzudenken und mitzuhelfen, und das oft mit viel Zeit und Kraftaufwand, vor allem, wenn es darum ging, durch persönliche Gespräche vermittelnd zu wirken. Herr Grobmann war dazu geeignet und hatte Erfolg, denn er war kontaktfreudig, beherrscht und verfügte – nicht zuletzt durch seine reiche Lebenserfahrung – über einen gesunden Menschenverstand. Oft half eine humorvolle Bemerkung, die seiner frischen, fröhlichen Weise entsprach. Wer Kummer hatte oder Rat brauchte, kam zu ihm, die gleichaltrigen Kollegen und die jüngeren, die Schüler, die Eltern, der Schulleiter, sein Stellvertreter und der nächste Vorgesetzte in der Behörde. – Herr Grobmann leistete seinen Beitrag für ein gesundes Arbeitsklima in der Schule, und er war ein unentbehrlicher Helfer bei Schwierigkeiten im Schulleben, das heute weitaus stärker als früher die Kräfte aller Beteiligten beansprucht und überbeansprucht. Herr Grobmann fühlte sich für das Wohl und Wehe des Wilhelm-Gymnasiums mitverantwortlich. Mit ihm ist ein Kernstück unserer Schule herausgerissen worden." (11)

Was zu Grobmanns „reicher Lebenserfahrung" beigetragen hatte, war am Wilhelm- Gymnasium nicht bekannt. Vielleicht bei Schulleiter Prof. Bömer, der ja von Grobmanns Schulleitertätigkeit an einer Privatschule wusste und sich aufgrund seiner eigenen Vita Gedanken darüber machen konnte, warum Grobmann nicht schon vorher im Öffentlichen Dienst erfolgreich gewesen war. Gerüchte über eine NS-Vergangenheit Grobmanns gab es bei Schülern, wie mir der ehemalige Schüler, Wolfgang Ehrhardt, in mehreren Gesprächen erzählte. Insofern erweitert sich das Bild Alfred Grobmanns, wenn man seinen politischen Hintergrund genauer in den Blick nimmt.

Alfred Grobmanns pädagogische Ausbildung war begleitet gewesen durch nationalsozialistisches Engagement. Vom nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund, dem er in Tübingen 1929 beitrat, über die Mitgliedschaft im NSLB (Nummer 63538), in den er noch als Student zum 1.6.1933 eingetreten war, der SS am 1.5.1933 (Mitgliedsnummer 448873) und der NSDAP zum 1.5.1935 führte ihn seine NS-Überzeugung über die SS-Junkerschule in Braunschweig in die Waffen-SS. Alfred Grobmann war am Ende SS-Hauptsturmführer im SS-Regiment „Nordland" der SS-Panzer-Division „Wiking". Angehörige der SS-Panzer-Division Wiking waren „im Zuge des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion 1941 an mehreren Kriegsverbrechen und Massakern beteiligt gewesen“. (12)

Da von Alfred Grobmann keine Personalakte mehr existiert, ließ sich sein beruflicher Werdegang nur über Unterlagen rekonstruieren, die sich in seiner SS-Personalakte befanden. (13)

Daraus ergab sich, dass Grobmann trotz seines NS-Engagements 1937 nach dem  2. Staatsexamen keine Anstellung als Lehrer bekam. Er befand sich in einem schweren persönlichen Dilemma. 27-jährig, Oberscharführer eines SS-Reitersturms, benötigte Alfred Grobmann die Erlaubnis des Rasse- und-Siedlungsamtes der SS in Berlin, um die 22-jährige Nachbarin Lieselotte Dreyer heiraten zu können. Die SS legte strenge Maßstäbe an solche Verbindungen. Und insofern deutet der Vorgang in der Sippenakte Alfred Grobmanns auf Naivität oder Verzweiflung hin. Grobmann stellte am 12.1.1937 einen Antrag auf „Verlobungsgenehmigung". Er benannte die Braut, einen SS-Arzt, zwei Bürgen (einen SS-Untersturmführer und einen NSDAP-Ortsgruppenleiter) und auch den Führer eines SS-Sturmes. Grobmann schrieb: „Ich bitte sehr darum, die ganze Angelegenheit möglichst zu beschleunigen, da meine zukünftige Braut sich in anderen Umständen befindet und wir natürlich gern noch vorher heiraten möchten. Ich bin mir dessen bewusst, dass mein Gesuch, obwohl ich noch nicht verlobt bin, unter Berücksichtigung dieser Tatsache zu spät eintrifft, denn wir haben schon nach ca. zwei Monaten die Niederkunft zu erwarten. Wir hätten sofort nach Erkenntnis des Tatbestandes weitere Schritte einleiten müssen. Trotzdem bitte ich darum, die Angelegenheit nicht schematisch oder bürokratisch zu behandeln, sondern auch die Dinge mit zu berücksichtigen, die dazu geführt haben. Dass ich mich eines formalen Fehlers dabei schuldig gemacht habe, ist mir vollkommen bewusst. Ich habe seit einer Reihe von Jahren die Absicht gehabt, mich mit Fräulein Dreyer zu verloben, geschah es nicht, so nur, weil wir beide keine ewige Brautzeit halten wollten. Es sollte die Aussicht bestehen, dass in absehbarer Zeit ein eigener Hausstand gegründet werden könnte. Diese Möglichkeit hat jedoch bei der, auch im ‚Schwarzen Korps’ häufig genug geschilderten Lage der Studienreferendare, nicht bestanden. Als ich im Sommer vergangenen Jahres von der Tatsache erfuhr, dass unser Verkehr nicht ohne Folgen bleiben würde, war die Frage der Verlobung offen. Reichte ich jedoch ein Gesuch an das Rasse- und Siedlungsamt ein, so würde ich moralisch und sachlich gezwungen sein, auf jeden Fall nach neun Monaten zu heiraten. Ich schob das Gesuch auf, um erst einmal alles zu versuchen, mir so einigermaßen Gewissheit über die spätere Anstellung zu verschaffen." (14)

Der Sachbearbeiter beim Rasse- und Siedlungsamt der SS notierte am 13.1.1937    „sofort!" auf diesem Antrag und bemerkte über den ersten drei Zeilen in noch größerer Schrift: „7. Monat!!!"

Bei dem, was die SS an Unterlagen prüfte, war der Vorlauf äußerst knapp. Aber die Verzweiflung Grobmanns über seine beruflichen Perspektiven wirkte sehr anschaulich.

Am 31.1.1937 schickte Grobmann seine „Papiere" an das SS-Rasse- und Siedlungsamt. Umfangreich beantwortete Fragebögen, Ahnenreihen, Bescheinigungen und ärztliche Gutachten. Grobmann verwies noch einmal auf die „drängende Lage: wir haben die Niederkunft - wenn sie sich nicht noch verfrüht - um den 10. März zu erwarten." Im Übrigen bemerkte er, dass er „mitten im Staatsexamen sitze". (15)

Über seine zukünftige Braut beantwortete Grobmanns Bürge, Dr. med. Willi Ide, Ortsgruppenleiter aus Wittdün auf Amrum, am 21.1.1937 folgende Fragen, die deutlich machen, welche Eigenschaften bei Frauen von der SS erwünscht waren: „Ist sie zuverlässig oder unzuverlässig? Kinderlieb oder nicht kinderlieb? Kameradschaftlich oder herrschsüchtig? Sparsam oder verschwenderisch? Häuslich oder flatterhaft, putzsüchtig? Ist die Familie wirtschaftlich oder unwirtschaftlich? Sind Ihnen in der Familie und bei den weiteren Vorfahren Geisteskrankheiten, Nervenleiden, Tuberkulose oder sonstige schwere Erkrankungen bekannt? Sind Selbstmorde oder Selbstmordversuche vorgekommen? Hat die zukünftige Braut und Ihre Familie sich für die nationalsozialistische Erhebung eingesetzt oder sind sie heute zuverlässige Verteidiger der nationalsozialistischen Weltanschauung? Halten Sie die zukünftige Braut als Frau eines SS-Angehörigen geeignet?“ Bürge Willi Ide, „Vetter ersten Grades" der Braut, die er „von Kleinkind an" kannte, beantwortete alle Fragen zufriedenstellend positiv. (16) Dann wurde Grobmann noch aufgefordert, einen Bericht seines Zahnarztes nachzureichen, „ob ihr Gebiss völlig in Ordnung ist." (17)

SS-Oberscharführer Alfred Grobmann musste parallel zum Staatsexamen laufend weitere Unterlagen nachreichen. Er schrieb: „Es ist meines Erachtens unmöglich - auch mit dem SS-Standpunkt unvereinbar - wenn ich das Mädchen in dauernder Unruhe lasse, ob überhaupt noch das Kind ehelich zur Welt kommt. Ich bin immer mit ganzer Begeisterung bei der SS gewesen, glaube auch sonst, wie aus meinem Lebenslauf zu sehen ist, meine Pflicht der Bewegung gegenüber getan zu haben. Es wäre mir daher sehr schwer, wenn ich aus diesem Konflikt heraus gezwungen wäre, um meinen Austritt aus der Staffel zu bitten. Ich hoffe immer noch, dass dieser Schritt mir erspart bleiben wird." (18)

Am 19.2.1937 erhielt Alfred Grobmann dann die Heiratserlaubnis, allerdings zu spät, um vor der Geburt des Kindes noch das Aufgebot für die Eheschließung bestellen zu können, für das wiederum Unterlagen zurückgeschickt werden mussten. Grobmann heiratete nicht und es ist nicht aktenkundig, ob und wann das Kind geboren wurde.

Im ersten Schreiben Alfred Grobmanns am 12.1.1937 erläuterte er auch seine berufliche Perspektivlosigkeit und dies erklärte vielleicht auch, warum er sich so spät an das SS-Rasse- und Siedlungshauptamt gewandt hatte. Grobmann schrieb:

„Von der Landesunterrichtsbehörde war mir das Versprechen gegeben worden, ein halbes Jahr früher Examen machen zu dürfen (es handelte sich um das Assessor-Examen). Ich war seit 33 von der SS beauftragt, als Ausbilder im Wehrsport für die Lehrer tätig, man wollte die viele verlorene Zeit auf diese Weise wieder vergüten, denn der ganze Dienst lief neben dem SS-Dienst zur Zeit meines ersten Examens. Auf meine Anfrage (das Examen hätte im Herbst steigen können) antwortete man mir, die Zeugnisse seien zwar ausreichend, man erinnere sich auch noch, aber die Verhältnisse hätten sich geändert, es sei ja manches versprochen worden 33 aber heute….. Meinem damaligen Vorgesetzten sagte ich, dass ich sehr schnell heiraten wolle – wenn ich ihm nicht den genauen Grund sagte, so ist das verständlich – er setzte sich für mich ein, neue Gesuche – abgeschlagen. Und das, obwohl ich erklärte, ich wollte nur einen Abschluss haben, um mir dann irgendwie eine Existenz gründen zu können. Nichts half, im Gegenteil, die Aussichtslosigkeit meines Berufes wurde in den schwärzesten Farben geschildert, vor zehn Jahren sei keine Hoffnung zu erwarten. Unter dieser Voraussetzung, nach diesen Erfahrungen eine Ehe gründen? Ich ließ den Mut nicht sinken, wandte mich an den Reiterabschnitt – allerdings auch ohne Angabe der näheren Gründe – und bat, Ausschau zu halten, da ich mich verheiraten wolle. Das geschah, ich bekam eine Sache in Aussicht gestellt, die sich aber immer weiter hinzog und noch heute schwebt.

Ich habe in der ganzen Zeit meinen Dienst getan, so gut ich konnte. Anfang 36 war ich als Stellenleiter für Schulung in einen Bann der HJ berufen worden, bekam dazu dann die Kulturstelle, wurde außerdem als Referent für Schrifttum in den Gebietsstab berufen, Verbindungsmann vom Gebiet zur „Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums" und machte daneben so weit wie möglich den Dienst in der SS. Viel Arbeit, viele Ehrenämter aber keine Aussicht auf Verdienst." (19)

Am Ende seines Schreibens deutete Grobmann an, dass er eigentlich gar nicht heiraten wolle unter diesen Umständen. Alles in allem ein Schreiben, das die desolate Situation widerspiegelt: „Ich versteifte mich auf den Gedanken: Ohne etwas Festes kann ich nicht heiraten, eine Ehe unter diesen finanziellen Verhältnissen wäre leichtsinniges Hineinziehen auch der Frau in eine völlig ungesicherte Zukunft. Denn wovon sollte sie leben, wenn ich dann auch noch zum Heer einberufen würde? Lieber soll das Kind so zur Welt kommen, heiraten müssen wir dann eben später, vielleicht in zehn Jahren. Ich erzählte meinem Sturmführer die Sache. Er sagte: Sofort einreichen, wenn es auch so spät ist, wenn ihr auch noch nicht alles zusammen habt. Es wird sich für dich etwas finden. Soweit der Sachverhalt, ganz kurz. Jetzt ist der 7. Monat. Meine Braut hat ihre Papiere fast vollzählig zusammen, bei mir fehlt noch einiges. Ich werde mich bemühen schnell alles zusammen zu bekommen. Aber ich bitte darum, mich in der Abwicklung zu unterstützen, damit wenigstens die Möglichkeit besteht, noch rechtzeitig zu heiraten, was dann kommt muss sich finden." (20)

SS-Oberscharführer der Reiterstaffel Alfred Grobmann setzte auf das politische Pferd. Er hatte das SA-Sportabzeichen gemacht, absolvierte 1938 eine Schriftleiterprüfung und meldete sich zum Kriegsdienst. Ab 4.9.1939 war er bei einer Flakeinheit, ab dem 25.1.1940 bei der Waffen-SS. Die Stationen seiner SS-Tätigkeiten finden sich in seiner SS-Personalakte präzise dokumentiert. Grobmann durchlief mehrere Lehrgänge in den SS-Junkerschulen in Bad Tölz und in Braunschweig und als Untersturmführer wurde er am 1.8.1940 kommandiert zur 1. SS-Standarte Nordland als Führer für weltanschauliche Erziehung. Am 20.4.1942 wurde Grobmann befördert zum Obersturmführer, am 9.1.1943 zum Hauptsturmführer der Waffen-SS. (21)

Alfred Grobmann hatte sich in den Kriegslehrgängen an der SS-Junkerschule Braunschweig (vom 20.5.1940 bis 21.9.1940) so profiliert, dass er zum 4.12.1941 für „weltanschauliche Erziehung" in die SS-Junkerschule Braunschweig berufen wird. (22)

Die SS-Junkerschule Braunschweig war Anfang 1935 im Braunschweiger Herzogsschloss gegründet worden „als Lehrstätte für den Nachwuchs, der eines Tages die Regimenter und Bataillone der SS-Armee übernehmen sollte“. (23) Die auf den Junkerschulen ausgebildeten Offiziere der SS-Verfügungsgruppen und der Waffen-SS sollten sowohl eine „militärische als auch politische und rassische Elite darstellen“. Dementsprechend wurden die Lehrer der Junkerschule größtenteils aus der Wehrmacht und der Landespolizei rekrutiert und es wurden dabei Aufnahmekriterien zu Grunde gelegt, die den Schwerpunkt auf körperliche Anforderungen legten. An einer Junkerschule konnte 1934 nur angenommen werden, wer höchstens 23 Jahre alt war, mindestens 1.74 m und kein Brillenträger war. Der Nachweis „rassischer Tauglichkeit" sowie in ein ärztliches Gesundheitszeugnis mussten zwingend vorgelegt werden. „Ziel der Ausbildung war die Vorbereitung für den kommenden Kriegseinsatz - abgesehen von einem minimalen Grundwissen wurden keine intellektuellen Fähigkeiten gefordert.“ (24)

Der Stoff der auf den SS-Junkerschulen (ab dem 28.4.1937 „SS-Führerschulen" genannt) vermittelt wurde, war vollständig „heereskonform" gewesen. Die weltanschauliche Schulung umfasste fünf Wochenstunden. Der Stoff-Gliederungsplan sah dabei folgendermaßen aus:

"1. bis 6. Woche: Lebensgesetzliche Grundlagen. Erkenntnis: auch der Mensch ist den Gesetzen des Lebens (Kampf, Vererbung, Auslese usw.) unterworfen. Der Nationalsozialismus hat als biologisch begründete Weltanschauung diese Gesetze zur Grundlage seines Handelns, Denkens und Fühlens gemacht. Zu behandeln sind: die Lebensgesetze (z.B. Rasse, Vererbung, Kampf ums Dasein usw.) allgemeine Bedeutung der Vererbungslehre für Rassenkunde und Rassenpolitik, die Rassen Europas, Rasse und Kultur, die rassische Zusammensetzung der europäischen Völker, Rassenpflege und Erbpflege.

7. und 8. Woche: Reich und Europa: Indogermanische Grundlagen. Erkenntnis: gemeinsame Wurzeln aller germanischen Völker und ihre hohen Leistungen in Politik und Kultur, die das Bindemittel Europas darstellen.

9. und 10. Woche: Die Germanen.
11. bis 13. Woche das Reich des Mittelalters.“ (25)

Alfred Grobmann hatte in den Zeiten bis zum 15.4.1944 in der SS-Junker- bzw. Führerschule Braunschweig gelehrt, unterbrochen von aktiven Kriegseinsätzen mit der Waffen-SS.

Seine inhaltliche Stoffaufbereitung für die weltanschauliche Schulung führte Alfred Grobmann dazu, 1943 im Zentralverlag der NSDAP in der Schriftenreihe „Volkwerdung und Glaube“, Bd. 13, sein Werk zu veröffentlichen unter dem Titel „Die Sendung des Reiches". (26) In diesem Buch verarbeitete Grobmann nicht nur, was weltanschaulich den SS-Junkern über die zentrale Rolle Deutschlands in der Welt weitergegeben wurde, sondern auch, was er u.a. als Waffen-SS-Offizier in der SS- Panzer-Division Wiking im Krieg erlebte. Diese Division war am 20.10.1940 aufgestellt worden. Ihr gehörte unter anderem Grobmanns Standarte „Nordland" an. Darüber hinaus kämpften ausländische Freiwillige mit, aus, im NS-Sprachgebrauch genannt: „germanischen bzw.  artverwandten Völkern“ (Flamen, Niederländer, Esten, Wallonen, Dänen, Schweden, Norweger und Finnen). Dazu später mehr. Zuerst zu der Schrift Grobmanns, für deren Veröffentlichung er mit Antrag vom 16.6.1943 der Reichsschrifttumskammer beitrat. (27)

Die Weltanschauung und das Geschichtsbild Grobmanns soll anhand von Zitaten aus seiner 80-seitigen Schrift wiedergegeben werden. Vor die Inhaltsangabe setzte er ein Zitat von Friedrich Nietzsche:

"Denn glaubt es mir –
Das Geheimnis, um die größte Fruchtbarkeit
und den größten Genuß vom Dasein einzuernten, heißt:
Gefährlich leben!"             (Fr. Nietzsche)

Und im Vorwort hieß es: „Jede Fahne bedarf des Blutopfers derer, die sie emporheben. Dann jedoch leben Millionen ihnen nach." (28)

Auch unter dem Eindruck, mit Menschen anderer nordischen Länder im Kampf der Waffen-SS-Division „Wiking“ gegen die Sowjetunion am Brückenkopf des Dnjepr gekämpft zu haben, schrieb Grobmann:

„Als rechte Deutsche erst sind wir die wahren Europäer, denn Europa ist nicht ohne uns, das pulsierende Herz dieses Erdteiles. Wir aber sind auch nicht ohne Europa. Das ist unsere und die Wirklichkeit aller anderen Staaten dieses Raumes, mehr als Idee und Traum. Vor ihr haben wir uns zu verantworten wie die anderen Nationen, insbesondere diejenigen, die unseres Blutes sind.

Nun beginnen sich die Umrisse abzuheben. In diesen Tagen gebiert sich aus Feuer und Blut die strahlende Zukunft unserer Rasse. Auf die letzte geistige Auseinandersetzung folgt die Berufung und Bewährung derer, die wissen, daß die Tat vor dem Richter der Geschichte alles ist. Denn nicht aus der Diskussion, aus der abwartend neutralen Haltung heraus erneuert sich das Leben, sondern aus dem Blute, das verbindet und sich im Opfer verzehrt, um neue Saat ausreifen zu lassen. Von diesem letzten und ersten Weg sollen unsere Zeilen Zeugnis ablegen. Sie erwuchsen nicht in der wissenschaftlichen Analyse, nicht aus der Schreibtischauseinandersetzung, sondern im Lager, dort, wo die waffengewillte Mannschaft des neuen germanischen Reiches, einem Führungsanspruch sich instinktiv beugend, marschierte, aus Vorträgen vor den Männern der SS-Division       ‚Wiking‘. Sie waren die ersten, die den Ruf nicht nur hörten sondern ihm zu folgen bereit waren, bis in den Einsatz. ‚Sie waren wirklich e i n e s Stammes, ein Glaube war's, der sie beseelte…‘ der Glaube an Führer und Reich!" (29)

Das Trauma der Niederlage des Ersten Weltkriegs, das von den Nationalsozialisten sogenannte „Versailler Diktat“ und die Zerrissenheit der Weimarer Republik beschrieb Grobmann unter der Überschrift „Das Herz des Erdteils":

„Mit dreister Anmaßung rieten uns die Gouvernante von jenseits des Kanals und der französische Hauslehrer immer wieder, wir sollten als sentimentales ‚Volk der Dichter und Denker‘ machtlos unser Dasein fristen, um zugleich unsere politische Dummheit zu verspotten. Brach jedoch der als langmütig verschriene Deutsche auf, nahm er sich die allen anderen selbstverständlichen Rechte eines eigenen Staatswesens, so verwahrte sich mit heuchlerischer Scheinheiligkeit der Westen dagegen und bezeichnete uns als barbarisch. Selbst in einer Epoche, da das Reich nicht mehr war als ein Trümmerhaufen in jenem Augenblick tiefster Schande nach dem Diktat von Versailles, da die Mitte Europas einem zerrissenen Fetzen glich, wurde Frankreich den Alpdruck keine Sekunde los, spüren wir aus allen anderen Staaten des Kontinents den faszinierten Blick, mit dem Wanderer in den Krater des scheinbar ausgebrannten Vulkan starrt, gewärtig, die dämonischen Kräfte möchten ihr unheimliches Werk doch wieder beginnen. Je lauter das  gellende Geschrei der ‚besten Europäer‘ tönt, umso weniger werden sie offensichtlich das beängstigende Gefühl los, daß sie ihr Haus ohne Fundament erbaut haben. Denn das sind wir:  Wir sind die friedliebenden und die tapfersten Soldaten der Welt und fanden uns in Stunden der europäischen Not zusammen, erlebten sie immer aufs neue, um unserer Aufgabe würdig zu werden. Wir wurden lange gewogen und nicht zu leicht befunden.“ (30)

Und etwas später: „Es erweist sich, daß alle wahrhaftigen Auseinandersetzungen Europas im Herzen des Reiches ausgetragen wurden. Es gibt keine Höhe, die wir nicht erklommen hätten, keine Niederung, die wir nicht beschritten, keine weltanschaulichen oder religiösen Kämpfe, die nicht zutiefst in unserer Seele aus gerungen wurden. Diesem Volke ist nichts Menschliches fremd. Von Anbeginn seiner Geschichte bis in die Gegenwart hat ein hartes Schicksal es Prüfungen ausgesetzt, von denen kein anderes sich eine Vorstellung macht. Am wenigsten jedenfalls ist das bei denen der Fall, die sich seit einer Reihe von Jahrhunderten von der europäischen Geschichte pensionieren ließen." (31)

Grobmann erklärte, worum es in den gerade geführten Schlachten ging: „Zwei Generationen stehen heute wiederum unter den Waffen. Väter und Söhne treten vor ihre Frauen und Kinder und - vor die Völker des Festlandes im Kampfe wider die zerstörenden Mächte. Dabei haben wir uns lediglich die letzten 30 Jahre unserer an Gläubigkeit, Hingabe und Kämpfen so reichen Geschichte in Erinnerung gerufen, und sie galt, wie in diesen Tagen, nur zu oft der Rettung Europas." (32)

Seine historische Herleitung überspringe ich. Zur Überlegenheit des Landes der Dichter und Denker stellte Grobmann fest:

„Vertieften wir uns nicht später auch in den Geist aller fremden Literatur, lasen mehr Dostojewski, Tolstoi und Tagore, als ihre eigenen Landsleute und ließen uns endlich durch den jüdischen Schmutz in der Kunst verführen? Der Nationalsozialismus überbrückte endlich die seelische wie geographische Mainlinie. In uns erwachte einer der schönsten Züge der Antike, das Heldentum, zu sterben, ‚wie das Gesetz es befahl‘. Ein Lessing schrieb den ‚Laokoon‘. Deutsche Männer erforschten Homer, gruben Troja aus Schutt und Asche; in Weimar erstand ‚Iphigenie‘ und wie viele Philosophen setzten das Altertum in steter Forscherarbeit bei uns fort! Was wäre die moderne ärztliche Kunst ohne Röntgen, Robert Koch, Virchow und Schleich, um nur wenige Namen zu nennen. Und im übrigen verdanken wir unser modernes Weltbild Kopernikus und Kepler. Der Auftrag, unter dem wir seit Jahrhunderten standen, lehrte uns nicht weichliches Beten, sondern schöpferisches Gestalten und, ‚das Nichtige von dem Echten, den Schein von der Wirklichkeit zu unterscheiden‘. Das ist unsere Wahrheit und die Europas. Sie ist zugleich die einzig gültige Wirklichkeit. Wer mit ihr zu rechnen vergißt, dem erschließt sich die Gleichung unseres Erdteiles nie.“ (33)

Die strategische und praktische Bedeutung Deutschlands in Europa beschrieb Alfred Grobmann mit folgender Einleitung: „Der praktisch bereits in diesem Augenblick entschiedene Ausgang des größten Ringens der Weltgeschichte schließt eine Reihe unabsehbarer Folgen in sich, über die sich Freunde und Feinde im klaren sein dürften." Und weiter: „Dabei sieht sich das Reich als Ordnungsmacht des Kontinents vor einer kaum zu überschätzenden Fülle von Aufgaben, während die Menschen unseres Volkes sich mit einer Reihe von Problemen auseinanderzusetzen haben, die sie seit langer Zeit bedrängten. Liegt doch hinter uns tausendjähriges blutiges und leidenschaftliches Ringen mit dem französischen Nachbarn, das unsere ganze Geschichte überschattet. Daneben empfanden wir in der jüngsten Vergangenheit nichts bitterer als die Tatsache, als Volk ohne Raum inmitten einer reichen Umwelt zu stehen, und mit dem Diktat von Versailles wurde uns außerdem der Schlüssel zu jeder Tür, die aus unserer Bedrängnis führte, entwunden. Nur allzu verständlicherweise wandten sich deshalb unsere Augen immer wieder nach Westen und Osten. Wir besitzen kein größeres Interessengebiet als die neue Ordnung, die sich hier und im Südosten anbahnt. Trotzdem bewegt uns zuvor die Frage nach der Zukunft jener artverwandten Nationen, die wie eine Perlenkette an unseren Grenzen im Westen und Norden wohnen. Das liegt in unserer rassebewussten Weltanschauung begründet und der Einsicht, dass unser Kontinent, will er einer neuen Blüte entgegengehen, des schöpferischen nordischen Menschen bedarf. Das kommende Jahrtausend soll man einst als das germanische ansprechen." (29)

Getreu der NS-Ideologie widerspiegelte in diesem Kontext auch Grobmann den Antisemitismus:

„Europa wurde in eine endlose Unruhe verstrickt, und das Geistesleben, seien es Kunst, Philosophie, Recht oder Geschichtsschreibung, fielen einem uferlosen Skeptizismus anheim. Dazu fanden auf diesen Boden die alles Gesunde negierenden Kräfte des Judentums und der rassischen Zersetzung einen erstaunlich fruchtbaren Nährboden. Ja, eine seelenlose Geistlichkeit, eine bürgerlich-morbide Intelligenz, der bei ihrer Bewegung vortäuschenden zappelnden Ruhelosigkeit doch schon die hektische Röte auf dem Gesicht geschrieben steht, spielt geradezu mit dem Feuer, das alles zu verzehren droht. Diese Erscheinung ist vergleichbar den Salons vor der Revolution von 1789 wie jenen russischen Zirkeln der zaristischen Zeit, in denen Adel und Bürgertum, von der Perversierung alles Echten und Natürlichen ergriffen, einen Hexentanz auf dem Vulkan aufführten, in dem Rausch und Vernunft zu einer seltsamen Ehe verkoppelt sind." (30)

Und: „Der Jude stößt in den neutralisierten Raum, er wird in Basel schnell heimisch wie in Amsterdam oder Kopenhagen, er findet die Reichsfeindlichkeit wie die Skepsis vor und ordnet beide seinen destruktiven Plänen ein. Eins ist dabei jedoch zu betonen: So ähnlich sich jüdische und neutral-protestantische Formulierungen sehen, so weltfern sind sie im Grunde genommen doch voneinander verschieden. Das Verhältnis ist ähnlich wie das zwischen den deutschen Arbeitern und ihren jüdischen Verführern, die auch hier nur einen günstigen Nährboden fanden. Die zerstörerische Haltung ist eine jüdische Rasseeigenschaft, und gerade darin unterscheiden sich die germanischen Neutralen trotz aller Schwächen von ihnen." (31)

Aus dem ganzen Dilemma gab es laut Waffen-SS-Hauptsturmführer Grobmann nur eine Rettung:

„Das Reich endlich, der Hort des Erdteils, neigte sich, von den Juden gepeitscht, ebenfalls dem Untergange zu. So war also denn dem Kontinent die schöpferische Führungsschicht genommen, und der ‚Untergang des Abendlandes‘ schien unvermeidlich und gesetzmäßig." Aber: „Das zerschlagene, geknechtete Reich allein ist es, daß in dem Sohne seines Volkes, Adolf Hitler, sich seiner besinnt und die Rassenfrage in den Mittelpunkt seines Denkens stellt. Hier beginnt der Säuberungsprozess, der dann zum Kampfe für ein neues Europa führen soll; hier wird planmäßig eine neue Führungsschicht herangezogen, denn allein auf einer breiten, gesunden Basis vermögen sich die gestaltenden Kräfte der Zukunft zu erheben." (37)

Zum Schluss seines Werkes berichtete der sendungsbewusste Alfred Grobmann noch von seinem Kampf mit den nordischen Brüdern der SS-Panzer-Division Wiking am Brückenkopf Dnjeprpretowsk am 26.9.1941, überschrieben „Heroische Symphonie". Grobmann schilderte den Kampf unter dem Motto: „SS-Mann - deine Ehre heißt Treue". (38)

Grobmanns Prosa im Zentralverlag der NSDAP ist Landserheft-Romantik und -Dramatik: „Aus den Jungen werden Männer, und die Linie wird gehalten, Tag um Tag. Wie eine Kette reiht sich schließlich Woche an Woche, Angriff an Angriff. Da ist kein Däne, Norweger, Finne, Holländer oder Deutscher, da ist eine graue Front gläubigen Vertrauens. Sie ist voll stillen Heldentums. In der 4. Woche wird der Widerstand der Roten schwächer, nur ihre Artillerie läßt kaum nach. Die Kommandeure halten die Muscheln der Fernsprecher an die Lautsprecher, die Kompaniechefs lauschen den Nachrichten von der gewaltigen Vernichtungsschlacht um Kiew und geben Sie den Graben entlang weiter. Und es kommt der Tag, da rollt in der Ferne der Donner von Geschützen, da flammt es jenseits des Niemandslandes auf, da brechen deutsche Panzer in die Flanke der Gegner. Die Männer steigen mit glänzenden Augen aus den Gräbern, wiederum stürmen sie vor, neben ihnen die toten Kameraden und vor ihnen die Weite des östlichen Raumes. Doch er ist nicht mehr endlos; er hat seine Grenze in den Herzen dieses jungen Europa gefunden. Sie besteigen die Fahrzeuge, und in ihrer Bewährung liegt der Sieg, die Zukunft der nordischen Rasse, denn dem Tapferen allein gehört die Welt. Des Mannes Mut ist das Maß aller Dinge!" (39)

Die „Heroische Symphonie" im Propagandawerk des Waffen-SS-Hauptsturmführers Alfred Grobmann, 1943 veröffentlicht, diente der „weltanschaulichen Aufrüstung". Nüchterner wurde die Situation im armeeinternen Lagebericht des Divisionskommandanten, Generalleutnant Roettig beschrieben:

„Die Division hat im Brückenkopf Dnjeprpretowsk täglich nach drei Richtungen mehrere (bis zu 5) russische Angriffe mit Panzerunterstützung unter schweren, blutigen Verlusten, Gefangenen- und Geräteeinbußen für den Feind, oft im Gegenstoß mit der blanken Waffe zurückgeschlagen. Sie hat trotzdem ihre Stellung noch durch Angriff auf rund 14 km Ausdehnung erweitert und sie anschließend unverändert gehalten. Sie hat hierbei 2592 Gefangene eingebracht. Die Truppe sieht sich einer stark überlegenen und mit viel Munition ausgestatteten Artillerie gegenüber, die aus den Stellungen rings um den Brückenkopf und aus Panzerzügen frontal wie auf beiden Flanken ihr Reihen lichtet, ohne daß ihr aus geeigneten Stellungen in dem engen Brückenkopf und wegen völlig unzureichenden Munitionsnachschubs durch eigene Artillerie Entlastung geschaffen werden konnte. Die täglichen und besonders auch nächtlichen Bombenangriffe konnten trotz einsatzstarker Flakeinheiten nur gemildert werden. Eigener Bombereinsatz gegen feindliche Artilleriestellungen und Angriffstruppen erfolgten trotz regelmäßiger Anforderungen nur selten, so daß eine Erleichterung für die Division nicht spürbar geworden ist. Die Division hat in diesem ununterbrochenen Ringen - ohne Regiment Nordland – 43 Offiziere und 1300 Mannschaften verloren." (40)

Der strategische Effekt jenseits aller Verluste wurde übrigens positiv bewertet: „Der Brückenkopf Dnjeprpretowsk trug zum Gelingen der Kesselschlacht bei Kiew bei, weil er russische Kräfte gebunden hat und die russische Führung über die wahren deutschen Operationsabsichten im Unklaren hielt." (41)

Und es wurde auch vermerkt: „Am 28. September werden 21.862 Gefangene gemacht und 128 Geschütze erbeutet." (42)

Unerwähnt blieb, was die Waffen-SS-Division Wiking mit den Gefangenen gemacht hat.

Im akademischen Rochester University Press Verlag wurden 2012 unter dem Titel „Nazi Policy on the Eastern Front, 1941: Total War, Genocide, and Radicalization“ über den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion Zahlen veröffentlicht: „Zusätzlich zu den Millionen Zivilisten starben rund 3,3 Millionen von insgesamt 5,7 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen in der Haft, die meisten von ihnen verhungerten. Von diesen 3,3 Millionen kamen 2 Millionen bereits in den ersten sieben Monaten des Krieges um, vor Anfang Februar 1942.“ (43)

Uwe Klußmann beschrieb die Division Wiking, „blonde junge Männer" als „meist junge Idealisten und völkische Romantiker“. Unter ihnen befand sich der norwegische Lyriker Arild Hamsun, Sohn des Literaturnobelpreisträgers Knut Hamsun, aber auch Verbrecher wie der erste Kommandant des KZ Dachau, Hilmar Wäckerle, sowie Josef Mengele, der im KZ Auschwitz ab Mai 1943 verantwortlich war für Menschenversuche und Massenmorde. (44)

Alfred Grobmanns Stationen bei der SS und der Waffen-SS ergeben sich aus seiner SS-Personalakte. Unter anderem arbeitete er ab dem 15.10.1944 drei Monate im SS-Hauptamt in Berlin. (45)

Persönlich und biografisch interessant: Alfred Grobmann gelang es während des Krieges, tatsächlich zu heiraten. Mit den Vorerfahrungen aus dem Jahre 1937 und guten Verbindungen zu einem „Kameraden“ bei der Waffen-SS und im Rasse- und Siedlungs-Hauptamt in Berlin, bekam er alle Papiere zusammen, erhielt einen kurzen Fronturlaub, um am 30.5.1941 in Stuttgart die Hamburgerin Dorothea Deuble zu heiraten. (46) Dass Alfred Grobmann inzwischen eine Stellung und Möglichkeiten bei der Waffen-SS besaß, zeigte ein Nebensatz in dem Schreiben vom 23.5.1941, den „Leutnant Dr. Grobman“ mit der Feldpost Nummer 17038 an SS-Hauptsturmführer Neumann beim Kommando der Waffen-SS in Berlin schickte. Grobmann leitete das Schreiben an den „lieben Kamerad Neumann" ein mit den Worten: „Damit dieses Schreiben auf dem schnellsten Wege nach Berlin kommt, gebe ich es nachher im Flugzeug des Reichsführers mit und hoffe, es ist noch morgen bei dir." (47)

Die Verbindungen Grobmanns dürften ihm möglicherweise nach 1945 hilfreich gewesen sein, als er Internatsleiter im Pädagogium Schloss Seedorf wurde oder später Schulleiter der Privaten höheren Schule Lüneburg. Darüber und auch über seine Entnazifizierung liegen mir bisher keine detaillierten Unterlagen vor.

Als Grobmann am 29.8.1971 in Hamburg starb und bei der Trauerrede als „einer der tüchtigsten und beliebtesten Lehrer“ bezeichnet wurde, erhielten in Kenntnis der Tätigkeiten und Erfahrungen Grobmanns zwei Sätze des Trauerredners Zinke noch einmal eine besondere Bedeutung, wenn er sagte, dass Grobmann „unvoreingenommen Stellungnahmen" zu politischen wirtschaftlichen und kulturellen Fragen, „wenn es auch noch so gegensätzlich war zu bisher Gedachtem und Erlebtem" abgeben konnte und auch der Hinweis darauf, dass Grobmann „über einen gesunden Menschenverstand" verfügte, der ihn kontaktfreudig und beherrscht erscheinen ließ, „nicht zuletzt durch seine reiche Lebenserfahrung", liest sich noch einmal anders, wenn man weiß, worin diese Erfahrungen bestanden. (48)

Alfred Grobmann hatte am humanistischen Wilhelm-Gymnasium in Hamburg offensichtlich einen für ihn günstigen Wirkungsort gefunden. Anders als sein Kollege Dr. Gerhard Schinke, der mit ihm als Hauptmann der Waffen-SS an der SS- Junkerschule in Braunschweig Lehrer für weltanschauliche Schulung gewesen war. Über Schinkel berichtete der „Spiegel“ 1970, er sei seines Dienstes enthoben worden. Nachdem er von Schülern des Göttinger Felix-Klein-Gymnasiums vor seinem Haus in der Weihnachtszeit nachts mit Schneebällen beworfen worden war, hatte sich Schinke  mit einer geladenen Schrotflinte vor sie gestellt und einen Schüler mit 40 Schrotkugeln getroffen. Als er sich danach auf Anraten des Personalrates krank meldete und dann zur Kur abreiste, hatten die Schüler der Schule Material über Äußerungen Schinkes gesammelt und veröffentlicht, das „von einer positiven Einstellung zum Militarismus und Faschismus gekennzeichnet" war, wie der „Spiegel“ berichtete. So hatte der ehemalige Schüler Eberhard von Löhneysen  aufgeschrieben, was Schinke über einen „stämmigen Ostpreußen“ im Unterricht gesagt hatte, der „14 Russen mit dem Seitengewehr aus dem Schützengraben geschaufelt hat wie mit einer Mistgabel". Und der „Spiegel“ berichtete auch über eine Aussage Schinkes über den Vietnamkrieg: „So ein Wahnsinn, die Amerikaner kostet ein toter Vietcong Millionen. Ich habe meinen Jungs immer gesagt, ein Toter Iwan darf nicht mehr als 95 Pfennig kosten." Erklärung: „Soviel kostet nämlich ein Schuss Munition." (49)

Oberstudienrat Schinke wurde seines Dienstes vorläufig enthoben. Der Spiegel schloss den Artikel mit einem Schülerreim: „Schinke ist kein Einzelfall, Schinkes gibt es überall." (50)

Text: Hans-Peter de Lorent