Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Franz Tügel Franz Eduard Alexander Tügel

(16.07.1888 Hamburg - 15.12.1946 Hamburg)
Pastor, Hamburg
Wirkungsstätte: St. Jacobi-Kirche, Jakobikirchhof 4
Adresse und Wirkungsstätte: Bei den Kirchhöfen 4 (1934)
Fuhlsbüttler Straße 756, bestattet auf dem Ohlsdorfer Friedhof, Prominentenliste, Grab: Y 28, 1-4


Franz Tügel wurde am 16.07.1888 in Hamburg geboren. In der Kindheit wurde er antisemitisch sozialisiert und von seinem Vater schon im Alter von 7 Jahren gelobt, wenn er einen „Nichtarier“ geschlagen hatte. Auch der Besuch des Matthias-Claudius-Gymnasiums in Wandsbek, das sich durch einen starken Antisemitismus im Lehrerkollegium auszeichnete, wird seinen Beitrag zu Tügels Einstellung geleistet haben.

Tügel studierte in Rostock, Erlangen, Tübingen und Berlin Theologie und wurde am 17.04.1914 in der Hamburger St. Nikolai-Kirche ordiniert, wo er zunächst Hilfspastor und ab 1916 Pastor war. Als seine Frau zum Katholizismus konvertierte, war Tügel gezwungen, eine neue Stellung zu finden, die er am 1919 als Pastor der Gnadenkirche in St. Pauli erhielt, wo er bis Ende des Jahre 1933 tätig war. Ab etwa 1929 litt Tügel an schweren rheumatischen Beschwerden.

1931 wurde Tügel Mitglied der NSDAP. Er warb für eine Annäherung der Kirche an die Partei und trat den Deutschen Christen bei, deren Gauobmann in Hamburg er 1933 wurde. Während die Hamburger Landeskirche von Bischof Simon Schöffel bereits nach den NS-Vorgaben umgestaltet wurde, stellte dieser Tügel als Oberkirchenrat mit dem besonderen Aufgabengebiet Volksmission ein. Nach der Absetzung Schöffels wurde Tügel am 05.03.1934 zum Landesbischof und zum Hauptpastor der St. Jacobi-Kirche gewählt.

Tügels Theologie war orthodox lutherisch. Im politischen Raum gestand er der NSDAP die Judenverfolgung zu, aber im kirchlichen Rahmen lehnte er die völkische Politik ab und hielt am Alten Testament und dem theologisch begründeten Judenhass fest, der mit der Taufe endete. Seine Stellung zur „Judenfrage“ erläuterte er in seiner 1932 herausgegebenen Schrift „Wer bist Du? Fragen der Kirche an den Nationalsozialismus“: „Die Judenfrage ist erst in zweiter Linie eine Rassenfrage, und der zielbewusste Kampf gegen die jüdische Gefahr hat mit Rassenhaß nichts zu tun! Mit dieser Stellung der Kirche muß und kann sich Nationalsozialismus begnügen.“ (Tügel 1932, S. 54.)

Tügel war ein Befürworter der Judenmission und des Platzes von Christen jüdischer Herkunft in der Landeskirche: „Judenchristen sind nicht „Christen zweiter Klasse”, sondern Christen ihrer Rasse. Es steht nichts im Wege, judenchristliche Gemeinden in Deutschland zu haben, aber es steht alles im Wege, unter dem Mantel christlicher Gemeinschaft die Rasse verderben zu lassen und dem jüdischen Geist die Hand zu bieten, ein Volkstum zu zerstören“ (Tügel 1933, S. 44f.). Die Bildung judenchristlicher Gemeinden hielt er für erstrebenswert, die Ausgrenzung von Christen jüdischer Herkunft für falsch. Diese Haltung führte zum Austritt aus den Deutschen Christen im Jahr 1935, von denen er sich mit der zunehmenden Radikalisierung streng distanzierte, und einem vorübergehenden Parteiausschluss 1937. Das in Folge der umstrittenen Godesberger Erklärung (hier wird der Nationalsozialismus als Fortführung des Werkes Martin Luthers bezeichnet und als Wegbereiter zu einem wahren Verständnis des christlichen Glaubens bezeichnet; Tügel lehnte diese als „traurigstes Armutszeugnis“ ab) gegründete „Institut zur Erforschung und Beseitigung jedes jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ verurteilte er scharf mit der Begründung, die Kirche sei seit dem Mittelalter und Luther stärkster Gegner des Judentums gewesen und es müsse an der religiösen Wertung des Alten Testaments und der Taufe bekehrter Juden festgehalten werden, weil sich sonst das Christentum selbst aufgebe (LKAK, 32.03.01 Nr. 286, Bl. 39.).

Unter Tügel wurden keinerlei antisemitische Bestimmungen in Hamburg erlassen und er unterstütze Pastoren bzw. Pastorenpaare mit jüdischer Herkunft. So verhalf er seinem Schulfreund Bernhard Bothmann zu einer Anstellung in Wandsbek, nachdem dieser aus der Schleswig-Holsteinischen Landeskirche durch die Bestrebungen Propst Dührkops entlassen wurde. Als aber die Deportation Christen jüdischer Herkunft begann und Tügel von Pastor Wilhelmi (Mitglied der Bekennenden Kirche) darauf angesprochen wurde, entgegnete Tügel ihm lediglich, dass die meisten Christen jüdischer Herkunft nur sehr selten wirkliche Gemeindeglieder gewesen seien und er für diese keine Verantwortung übernehmen müsse. Sie sollen doch im Ghetto missionarisch tätig werden (LKAK, 32.03.01 Nr. 887, Bl. 120.). Im Umkehrschluss war es also Tügels Pflicht, sich um aktive Kirchenglieder zu kümmern. Durch die Einrichtung einer „Hilfsstelle für nichtarische evangelische Christen“ Ende 1938 wurden Christen jüdischer Herkunft bei der Auswanderung geholfen.

Nach Kriegsende wurde Tügel am 18.07.1945 zum Rücktritt gezwungen und verstarb am 15.12.1946. Seine rheumatischen Beschwerden fesselten ihn seit mehr als 10 Jahren an den Rollstuhl.

Text: Benjamin Hein M.A.