Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Willibald Schallert

(1896 - 9. September 1961)
Leiter Sonderdienststelle „Arbeitseinsatz für Juden und Zigeuner“
Adresse: Lange Straße 72 (1943)
Wirkungsstätte: Arbeitsamt Hamburg Hauptgeschäftsstelle, Ferdinandstraße 5/ Raboisen 8


Beate Meyer schreibt in der Hamburgischen Biografie über Willibald Schallert: "Willibald Schallert, SA-Mann seit 1930, erlangte erst durch das Sonderprogramm der NSDAP für 'alte Kämpfer' eine Stellung im Arbeitsamt Hamburg, die ihm zu unbeschränkter Macht über die zur Zwangsarbeit verpflichteten Jüdinnen und Juden verhalf. Er hatte sich während des Ersten Weltkriegs freiwillig zur Marine gemeldet und dann im Baltikum in einem Freikorps gekämpft. Danach lebte Schallert in Altona, war als Kellner, Werftarbeiter, Taxifahrer oder Hausdiener tätig, bevor er von 1930 bis 1933 arbeitslos wurde. Während der Erwerbslosigkeit stieg er zum SA-Sturmführer auf. Eine Tätigkeit als Arbeitsamtsleiter im Gau Wartheland musste er nach kurzer Zeit abbrechen, weil er in einer Kneipe auf einen Polen geschossen hatte. Als das Hanseatische Sondergericht ihn zu drei Monaten Gefängnis wegen versuchter Tötung verurteilt hatte, wurde ihm diese Strafe zwar auf dem Gnadenweg erlassen, doch führte der Vorfall zum Ausschluss aus der SA." [1]

1940 übernahm er als Leiter die Dienststelle des Hamburger Arbeitsamtes, "die die Zwangsarbeit der Juden Hamburgs organisierte. Alle Männer zwischen 14 und 65 Jahren sowie alle Frauen zwischen 15 und 55 Jahren waren prinzipiell arbeitspflichtig und damit Schallert ausgeliefert. In enger Zusammenarbeit mit der Gestapo und der Hamburger Bezirksstelle der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland (RVJD) setzte Schallert die Betroffenen in Unternehmen, in städtischen Betrieben oder jüdischen Einrichtungen ein (...)." [2] Er stattete den Personen Kontrollbesuche zu Hause und bei der Arbeitsstelle ab. Er wird als korrupt und unberechenbar beschrieben, mal hat er Personen vor Deportationen in Schutz genommen, mal einen Grund erfunden, um Personen auszuliefern. Zudem soll er sich selbst bereichert sowie jüdische Frauen sexuell missbraucht haben.

"Als am 27./28. Februar 1943 im Zuge der 'Fabrik-Aktion' alle jüdischen Zwangsarbeiter im 'Altreich' verhaftet und nach Auschwitz deportiert wurden, erhielt Schallert vom 'Judenreferenten' der Gestapo, Claus Göttsche, die Anweisung, Arbeitssaboteure aufzulisten." [3] Schallert lud 17 jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wegen des vermeintlichen Vorwurfs der Arbeitssabotage vor. Einen ließ er wegen seiner Verdienste im Ersten Weltkrieg gehen, die anderen 16 Personen wurden zunächst in Fuhlsbüttel inhaftiert, wo ein weiterer entfliehen konnte. Die anderen 15 Personen wurden später deportiert und ermordet.
Lonny Beese ist eines seiner Opfer, für die in Hamburg ein Stolperstein verlegt wurde (www.stolpersteine-hamburg.de).
Nach Kriegsende wurde Schallert im August 1945 von der britischen Militärpolizei verhaftet und für rund 10 Monate interniert. 1947 begannen staatsanwaltliche Ermittlungen gegen ihn wegen der oben aufgeführten Aktion. Die Ermittlungen wurden zunächst aber wieder eingestellt. Im Jahr 1950 musste er sich schließlich vor Gericht verantworten und wurde wegen "Unmenschlichkeitsverbrechen" zu einer dreieinhalbjährigen Gefängnisstrafe und zur Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt. Frühzeitig wurde er nach weniger als einem Jahr aus der Haftanstalt entlassen.
Text: Katharina Tenti und Rita Bake