Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Hans Förster

(9. Februar 1885 Hamburg - 22. April 1966 Hamburg)
niederdeutscher Maler, Grafiker, Zeichner und Schriftsteller
Adresse: Dulsberg-Nord 39 (bis 1964) , danach im Altenheim/Lokstedt
Namensgeber für: Hans-Förster-Bogen (Hamburg-Bergedorf/Nettelnburg-Süd)


Hans Förster wurde am 9. Februar 1885 als Sohn des Hamburger Malers, Grafikers und Karikaturisten Johann Hinrich Christian Förster geboren.[1]

Christian Förster (1825-1902) war als „Reformförster“ bekannt, da er vor allem für die Titelseiten der Zeitung „Reform“ - 1848 gegründet, 1892 eingestellt - viele Zeichnungen und Karikaturen anfertigte. Dem Einfluss des Vaters wird Hans Försters späteres „Interesse für Volkstrachten“ zugeschrieben.[2] Von Christian Förster ist überliefert, er habe besonders „als Motive Volksfeste und Volkstypen“ geliebt. Seinen Zeichnungen waren „häufig (...) niederdeutsche und missingsche Texte“ beigegeben. „Die zahlreichen Darstellungen von jüdischen Typen, die in den Unterschriften Mauschel-Jargon sprechen, gerieten von anfänglich harmlosen Witzen später zu antisemitischen Diffamierungen. Ebenso ist auch eine zunehmende Tendenz zu nationalistischer Überheblichkeit, besonders im Militärischen, festzustellen.“[3] Auch für verschiedene niederdeutsche Erzählungen schuf er Illustrationen.

Hans Förster begann nach dem Besuch des Realgymnasiums Johanneum 1902 ein Kunststudium an der „Hamburger Kunstgewerbeschule“ am Lerchenfeld, wo er bis 1904 blieb. In dieser Zeit erhielt er von dem Direktor des „Museums für Kunst und Gewerbe“ Justus Brinckmann und dem Direktor der „Hamburger Kunsthalle“ Alfred Lichtwark „die Anregung (…), mit Pinsel und Feder in den Vierlanden die Zeugnisse der alten Bauernkultur festzuhalten“.[4] Durch Brinckmann lernte er auch Grafik und Kunstgewerbe aus Japan (im „Museum für Kunst und Gewerbe“) kennen, was ihn nachhaltig beeinflusste. 1905/06 setzte er sein Studium in Berlin fort, wo er durch Emil Orlik, seit 1906 Professor für Grafik am dortigen „Kunstgewerbemuseum“, mit Jugendstil und der Technik des japanischen Farb-Holzschnitts vertraut wurde.

Nach Abschluss des Studiums, wieder in Hamburg, fertigte er daher farbige Holzschnitte „mit Motiven aus dem Volksleben der Hamburger Umgebung, vor allem der Vierlande“[5] an. Später veröffentlichte er Zeitschriftenaufsätze und Bücher über Hamburg, meist mit „Federzeichnungen in schwarz-weißer Holzschnittmanier.“[6]  Damit war sein Stil festgelegt: „Den neueren Richtungen der Kunst hatte er nie Konzessionen gemacht; er war stets seinem Stil treu geblieben“, wurde rückblickend festgestellt.[7]

Hans Förster hat sich – die Prägung durch den Vater dürfte auch in dieser Hinsicht wichtig gewesen sein - früh in der Niederdeutschen Bewegung betätigt. Sein Arbeitsschwerpunkt und zentrales Interesse galt Volkstrachten, besonders niederdeutschen und speziell denen der Vierlande (in seiner Berliner Zeit auch ostdeutschen, wendischen aus dem Spreewald).  Seit April 1908 war er  Mitglied in der  wichtigsten niederdeutschen Vereinigung Hamburgs, dem „Quickborn“ [8], und am 6. Oktober 1908 hielt er dort „in niederdeutscher Sprache“ einen Vortrag über „Dat oole Tüüg op'n Lann'“, d.h. Trachten, besonders aus den Vierlanden.[9]  Er wurde dabei als jemand vorgestellt, „der auf dem Gebiete der Volkstrachten eingehende Studien gemacht und sich mit der Zeit zu einem wahren 'Trachtenmaler' entwickelt hat.“[10]  Im Jahr 1909 veröffentlichte er in „Achtern Diek. Wat van ohle Veerlanners, un Billers datoo“ eine für ihn typische Zusammenstellung eigener Texte und eigener schwarz-weißer Illustrationen. Er galt in der Hamburger Szene „bald als bester Kenner des niederdeutschen Volkstums“[11]

Seine durch und durch niederdeutsch bewegte und völkische Motivation zu solcher Beschäftigung mit Heimat und Vergangenheit wird aus dem „Eingangswort“, einem Vorwort zu seinem Buch „Marschländer Fahrten“ (1924), deutlich:

„Unserem Volke zu dienen, ihm verschüttete Schönheitsquellen auf ureigenem Grund und Boden zu erzeigen, sei auch des Marschländer Fahrtenbuches Zweck, Vertiefung der Selbstachtung des Niedersachsen-, des Deutschtums nicht zuletzt. Mögen wir den guten Geist des alten Volkstums nach Gebühr schätzen und hegen, seine Leistungen aber in Zukunft suchen zu erreichen und überbieten!“ [12]

Überhaupt „sah er seine Aufgabe darin, volkserzieherisch in die Breite zu wirken“ [13] und mit seinen Texten und Bildern insbesondere „die Augen für Reichtum und Schönheit einer werthaften Bauernkultur [zu] öffnen.“ [14]

Natürlich war Förster auch mit der Arbeit des anderen „Quickborn“-Mitglieds, das sich als Vierlande-Spezialist einen Namen machte, Dr. Ernst Finder, vertraut. [15] Beide, Förster und Finder, waren dem „Verein für Vierländer Kunst und Heimatkunde“ verbunden.[16]

1935 begann Finder, sich intensiver mit Finkenwerder zu beschäftigen, wobei ihn der Finkenwerder Lehrer Adolph Albershardt vielfach unterstützte. Als 1936 eine große 700-Jahrfeier der Insel/des Ortes Finkenwerder veranstaltet wurde, war Albershardt ein maßgeblicher Organisator des Ereignisses (u.a. erweckte er dafür die niederdeutsche Folklore-Gruppe „Finkwarder Speeldeel“ zu neuem Leben). Für dieses Fest gestaltete Hans Förster das Titelblatt des Programmheftes, wobei er zum Beispiel auf Motive aus seinem Buch „Marschländer Fahrten“ von 1924 zurückgriff. Insofern lässt sich hier zeigen, wie auch auf künstlerischer Ebene niederdeutsche „Volkstumsarbeit“ mit nationalsozialistischen Zielsetzungen in Einklang gebracht werden konnte.

Zuvor schon war das Motiv, ein (bzw. zwei) Reiter auf einem Pferd in einer niederdeutschen Landschaft (Vögel, Segelschiffe, Deich, Trachten sind angedeutet bzw. ausgeführt), auf dem Einband (Buchdeckel) seines 1921 erschienenen „Koornknicker. Ohl Veerlanner Vertellen“ erschienen, hier als dunkel gekleideter, Vierländer Reiter auf weißem Pferd (die „Schimmelreiter“-Sage klingt an).  In den „Marschländer Fahrten“ wird dies mit einer Finkenwerder Tradition verbunden: Zweimal werden „Kirchenreiter“ in dem typischen, von Förster entwickeltem Stil - Schwarz-Weiß-Kontrast, holzschnittartig gezeichnet, mit Detailgenauigkeit bei der Darstellung von Trachten – abgebildet. Zuerst (S. 143) mit der Bezeichnung „Flunkmütztracht und Kirchenreiter, Finkenwärder“: im Vordergrund zwei Frauen in Finkenwerder Tracht und ebenso, das Bild bestimmend,  der Reiter und die Reiterin – auf weißem Pferd. Zwei Seiten weiter wird „Alt-Finkenwärder, Kirchenritt“ gezeigt, Reiter und Reiterin auf schwarzem Pferd vor schwarz-weißem Himmel, mit Vögeln (Möwen) und im Hintergrund Fischer-Segelbooten. Immer reiten die Dargestellten, vom Betrachter aus, von rechts nach links.

So auch auf dem Programm der Finkenwerder 700-Jahrfeier 1936: Von rechts nach links reitend, die Mitte der Seite füllend, die Kirchreiter, auf schwarzem Pferd, vor weißem Wolkenhimmel bis zum Horizont, auf schwarzem Grund  - und in den vier Ecken des Motivs setzen sich davon am unteren Rand Segelschiffe (auf den Segeln ist das Finkenwerder Zeichen „H.F.“ zu erkennen)  und eine Windmühle ab, am oberen Rand das Hamburger Wappen – und, schwarz auf weißem Feld,  ein Hakenkreuz. Darüber, etwa ein Viertel des gesamten Blattes ausfüllend: „Finkwarder 700 Joahrfier 21. - 28. Juni 1936“. Unter dem Mittelteil mit dem Kirchreiter-Motiv, etwa auf dem letzten Viertel der Seite, Angaben zu Programmpunkten der Festwoche, ebenfalls auf Plattdeutsch.

Diese wohlkomponierte Verbindung der herkömmlich niederdeutschen Motivik mit dem Zeichen der „neuen Zeit“, dem Hakenkreuz, ist in späteren Wiedergaben zerstört worden: Auf einer wie ein Faksimile-Abdruck des Programmblattes scheinenden Abbildung in dem Buch, das zur 750-Jahrfeier Finkenwerders (1986) herausgebracht wurde, ist das Hakenkreuz wegretuschiert, und zum 775. Jahrestag im Jahr 2011 wurde diese „entnazifizierte“ Fassung erneut veröffentlicht.[17]

Das Buch des Volkskundlers Finder erschien 1939/40: „Die Elbinsel Finkenwärder“, und Förster verwies später (1959) mehrfach in seinem eigenen Buch zu Finkenwerder auf dieses Werk als maßgebliche Darstellung.

Während der NS-Zeit, ist insgesamt festzustellen, war Förster zunächst wohlgelitten. Seit 1933 erschienen mindestens fünf selbstständige Veröffentlichungen von ihm – immer Kombinationen von Texten und Bildern; hinzu kamen Zeitschriften-Aufsätze. So veröffentlichte er 1938 sein Buch „Alt-Hamburg heute in Wort und Bild“, das in den 1950er-Jahren als Band 1 seiner Reihe „Schönes altes Groß-Hamburg“ mit Veränderungen erneut herauskam.[18] Der Text-Bild-Kombination stellte Förster einen Vorspruch voran:

Hamburg!
Des Vaterlandes Tor zur Welt,
Ragst du aus niederdeutscher Erde,

(…).“

Auf diese Weise verband Förster die in der NS-Propaganda ubiquitär verwendete Charakterisierung Hamburgs („Tor zur Welt“) mit seiner grundständigen 

„Volkstums“-Orientierung („niederdeutsche Erde“), was bis zu einem gewissen Grad im nationalsozialistischen Hamburg durchaus auch Anklang fand. Zudem war Förster der NSDAP beigetreten.[19]

Dann gab es aber auch Probleme. Schon früh geriet Förster anscheinend „mehrfach in Gegensatz zu den – wie er später sagte – 'Hamburger Kunstignoranten'.“[20]  Auch mochte nicht jedem gefallen, dass er „sich auf seine Gabe der 'Spökenkiekerei' und den Glauben an Übersinnliches etwas zugute hielt“.[21] „Das schwierige Wesen Försters, der sich als Künstler stets unverstanden fühlte, führte 1938 infolge ketzerischer Bemerkungen, hinter denen jedoch keine politisch oppositionelle Haltung stand, zu mehrmonatiger Haft und zum Ausschluss aus der Reichskulturkammer, (…).“[22]

Allerdings wurde er später wieder aufgenommen, da man ihm „Verdienste um die 'deutsche Volkskunst' zusprach. So galt er „nach dem Krieg [d.h. nach Ende der NS-Zeit] in weiten Kreisen als unausstellbar“.[23]

Der Verlust vieler seiner Arbeiten durch Kriegszerstörung und die andauernd fehlende bzw. schwindende Anerkennung ließen ihn aber an seinen alten Zielen nicht irre werden: „Was niemand zerstören konnte, war sein Lebensziel, nun erst recht Sachwalter und Künder des Vätererbes zu sein.“[24]

Förster setzte also unverdrossen fort, was er vor 1945 begonnen hatte.  Seine Reihe mit Stadtwanderungen - „Schönes altes Groß-Hamburg“ - brachte er in überarbeiteter Form wieder heraus und ergänzte sie im gleichen Stil. Unterstützung erhielt er, wohl angeregt durch den Leiter der Baupflege in Hamburg, Laurentius Hinrichsen, vom Direktor des „Altonaer Museums“, Prof. Dr. Günther Grundmann, der wohlwollende Vorworte beisteuerte und überhaupt finanzielle und ideelle Hilfestellung für den verarmten Künstler und Schriftsteller vermittelte. (So übernahm das Museum den Nachlass Försters und sicherte ihm damit eine kleine „Leibrente“.)[25]

Unverändert beeindruckt vom „alten“ Finkenwerder, schrieb und zeichnete Förster das Buch „Schönes Finkenwerder in Wort und Bild“ (als Band 3 der Reihe „Schönes altes Groß-Hamburg“), das 1959 erschien.[26]

Über Finkenwerder dichtete er nun:

Schönes Finkenwerder!
Finkenwerder, vielbesungen
Ist ein neues Lied erklungen:
Helgen, Kräne, Werften ragen
Fluren müssen Straßen tragen
Dennoch: „H.F.“ pflügt die See,
Volksart zeigt sich heut' wie je,
Blüten prangen, Früchte lachen,
Blanker Hans“ kann nichts mehr machen.[27]

Auch das Motiv – die Kirchenreiter -, das ihn schon in den 1920er-Jahren und dann 1936 in der NS-Zeit fasziniert hatte, hat er darin wieder einmal gestaltet (und die Bildunterschrift führte zurück in jene Tage: „Kirchreiter. Noch 1937 zur 500-Jahrfeier der Zugehörigkeit Finkenwerders zu Hamburg gezeigt“.[28])  Dieses Bild ähnelt am stärksten der erwähnten, ersten Zeichnung von 1924 – nur die Richtung des Ritts hat sich geändert, sie geht nun von links nach rechts, aus der Sicht der früheren Darstellungen also zurück. 

Der gleichfalls unverändert die Heimat poetisierende Finkenwerder Schriftsteller Rudolf Kinau steuerte ein Vorwort in Finkwarder Platt bei [29], und zum 80. Geburtstag wurde Förster „durch Tanzvorführungen der Trachtengruppen aus Finkenwerder und den Vierlanden geehrt“. [30] Zumindest die niederdeutsche Szene hatte ihn bis zuletzt nicht vergessen.

13 Jahre nach seinem Tod am 22. April 1966 wurde 1979 in Hamburg-Bergedorf eine Straße nach ihm benannt, der „Hans-Förster-Bogen.“[31]

Text: Ralph Busch