Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Artur Illies

(9.2.1870 Hamburg – 27.5.1952 Lüneburg)
Maler, Grafiker, Kunstlehrer
Atelier: Friedenstraße in Hamburg-Eilbek
Wirkungsstätten: Landeskunstschule am Lerchenfeld und Malschule für Damen: Glockengießerwall/Ecke Ferdinandstraße
Huuskoppel (Wohnadresse in Mellingstedt)
Fuhlsbüttler Straße 756, bestattet auf dem Ohlsdorfer Friedhof, Prominentenliste, Grab, T 19 (228)
Namensgeber für: Illiesbrücke, Ohlsdorf (1956)
Namensgeber für: Illiesweg, Steilshoop (1955)


Arthur Illies wurde 1870 als Sohn eines Kaufmanns in Hamburg geboren.[1] Schon während seiner Schulzeit am Johanneum besuchte er Zeichenkurse der Gewerbeschule, zwischen 1886 und 1889 absolvierte er dann eine Malerlehre bei der Dekorationsmalerfirma Wirth & Bay. Anschließend studierte er in München an der Kunstgewerbeschule und der Akademie der bildenden Künste. 1892 brach er das Studium ab, zog wieder nach Hamburg und machte sich mit einem eigenen Atelier selbständig. Zwischen 1895 und 1909 unterrichtete er als Lehrer an einer Malschule für Damen. Die Jahre um die Jahrhundertwende wurden retrospektiv als Hochphase des künstlerischen Schaffens von Illies bewertet. Seine Arbeit wurde u.a. vom Direktor der Kunsthalle Alfred Lichtwark gefördert. Gemeinsam mit anderen Künstlern wie Ernst Eitner gründete er den „Hamburgischen Künstlerclub von 1897“. Zwei Jahre später zählte er zu den Mitbegründern des Alstervereins, der sich der „Heimatpflege“ widmete. 1908 wurde er Lehrer für figürliche und Aktmalerei an der Staatlichen Kunstgewerbeschule in Hamburg. 1913 beteiligte er sich an der Hundertjahrfeier zur Erinnerung an die Befreiung Hamburgs von der „Franzosenherrschaft“ mit dem Entwurf von Motiven. Während des Ersten Weltkrieges war er im Auftrag des Museums für Hamburgische Geschichte 1916 als Kriegszeichner an der Ostfront tätig.[2] In seinen Lebenserinnerungen verklärte er rückblickend die Zeit des Kaiserreiches als Zeit der Ordnung, Sicherheit und Achtung vor dem Staat.[3]
1920 gehörte Illies zu den Mitbegründern der „Hamburgischen Künstlerschaft“, als deren Vorsitzender er bis 1924 fungierte. Im selben Jahr wurde er zum Ehrenmitglied des Alstervereins ernannt. In diesen Jahren malte er vermehrt religiöse Motive sowie Städtebilder.[4] 1926 erhielt er vom Senat den Professorentitel verliehen, für den ihn der Direktor der Kunstgewerbeschule bereits 1918 vorgeschlagen hatte.[5] Aus Anlass seines 60. Geburtstages 1930 wurden seine Werke in einer Ausstellung der Galerie Commeter gezeigt.[6] Um 1930 war Illies Mitglied in der „Künstlergruppe Niederelbe“, die in den Altonaer Nachrichten charakterisiert wurde als „eine Gesinnungsgemeinschaft von Malern, Graphikern und Plastikern, die sich dem heimatlichen Boden verwachsen fühlen, ihre Stoffe aus unserer niederdeutschen Landschaft nehmen und ihre Art aus dieser Umwelt ableiten“.[7]
Einer politischen Partei gehörte er laut eigenen Angaben vor 1933 nicht an. Er war jedoch bis 1928 Mitglied der Freimaurerloge „Zum Pelikan“.[8] Zudem lassen sich in Korrespondenzen nationalistische und antisemitische Vorstellungen ausmachen. Illies wehrte sich gegen „die internationalen Strömungen“ in der Kunst und orientierte sich an der Niederdeutschen Bewegung.[9] In einem Brief an den Künstler Ernst Eitner machte er Ende der 1920er Jahre die Regierung dafür verantwortlich, dass „die Juden überall das Heft in die Hand bekommen haben“, während das deutsche Volk „apathisch geworden“ sei.[10]
Im Dezember 1932 erschien ein emphatischer Artikel über Illies im nationalsozialistischen Hamburger Tageblatt, in dem dieser als „im tiefsten Sinne deutscher Künstler“ gelobt wurde. Im Unterschied zu Malern wie Nolde oder Klee, die als „Artfremde“ attackiert wurden, sei er „einer von denen, die dafür Sorge tragen, daß die lebende deutsche Kunst nicht mit leeren Händen ins Dritte Reich einziehen wird“.[11] Der Autor bezog sich dabei u.a. auf Darstellungen germanischer Gottheiten, die Illies zur gleichen Zeit in einer Ausstellung zeigte. Ob die positive Würdigung seitens der Hamburger Nationalsozialisten zu dieser Zeit auf Gegenseitigkeit beruhte, lässt sich nicht gesichert beantworten.
Nach Ende des Sommersemesters 1933 ging Arthur Illies mit 63 Jahren in den Ruhestand. Zum 1. Mai 1933 war er in die NSDAP eingetreten.[12] Laut Illies´ eigenen Angaben wurde sein Antrag zunächst aufgrund seiner Logenzugehörigkeit von der Ortsgruppe Hamburg abgelehnt. Der Ortsgruppe Wandsbek, die sich „in dem Punkte großzügiger“ gezeigt habe, konnte er jedoch beitreten.[13] 1933 war Illies zudem für einige Monate Leiter der Abteilung bildende Kunst im „Kampfbund für deutsche Kultur“.[14] Als die expressionistische Künstlervereinigung „Sezession“ 1933 starken Angriffen von NS-Seite ausgesetzt war, soll Illies – laut 1962 getätigten Angaben des „Sezession“-Künstlers Arnold Fiedler – gefordert haben, dass alle Angehörigen der Vereinigung „ins Konzentrationslager eingeliefert werden“.[15] Verifizieren ließ sich diese Angabe nicht. Der Bildhauer Ludolf Albrecht gab 1949 an, dass Illies vom Leiter des Kampfbundes Dr. Heinrich Haselmayer nach kurzer Zeit „in verletzender Form“ aus der Organisation „herausgedrängt“ worden sei.[16] Illies war außerdem Mitglied in der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt und der Reichskammer der bildenden Künste.[17] Carsten Meyer-Tönnesmann charakterisiert ihn als „ideologische[n] Gefolgsmann der NS-Kulturpolitik“ und einen der „wenigen Künstler in Hamburg […], die als ,parteilinientreuʽ zu bezeichnen sind“.[18]
1934 zog Arthur Illies von Hamburg zunächst nach Ochtmissen und dann nach Lüneburg, laut Meyer-Tönnesmann „verbittert über die Ablehnung seiner künstlerischen Bestrebungen“ in der Hansestadt.[19] Damit zielte er insbesondere auf den neuen Leiter der Hamburger Kunsthalle, der verstärkt expressionistische Kunst förderte. Demgegenüber setzte Illies seine Hoffnungen auf ein hartes Durchgreifen Alfred Rosenbergs als Leiter des „Kampfbundes“ gegen Kunst, „wie sie auch Hamburg für gut hält“.[20] Auch antisemitische Kommentare finden sich weiterhin in der Korrespondenz von Illies, etwa wenn er 1938 die Macht der „Kunstvereinsjuden“ in Hamburg vor der Machtübernahme beschwor.[21]
1934 wurden Werke schleswig-holsteinischer Künstler in der Kieler Kunsthalle ausgestellt, die „den Geist des neuen Deutschland widerspiegeln“ sollten, darunter auch eines von Illies.[22] Die NSDAP-Kreisleitung Lüneburg schenkte dem Gauleiter von Ost-Hannover Otto Telschow 1935 ein von Illies angefertigtes Gemälde des Schlosses Bleckede.[23] Telschow wurde während des „Dritten Reiches“ zudem von Illies persönlich porträtiert.[24] Ebenfalls 1935 beteiligte dieser sich an einem Wettbewerb, um die Wandbilder in der Ruhmeshalle der NSDAP im Lübecker Holstentor zu gestalten, und entwarf dafür Motive mit Hakenkreuzen und SA-Aufmärschen, die aber abgelehnt wurden.[25] Ein Jahr später lud ihn jedoch der Generaldirektor der Lübecker Museen zu einem mehrmonatigen Aufenthalt in die Hansestadt ein, aus der zahlreiche Werke über die Stadt hervorgingen.[26] 1937 organisierte Alfred Rosenbergs Amt für Kunstpflege eine Ausstellung der Werke von drei Hamburger Künstlern, darunter Illies, im Ausstellungshaus der NS-Kulturgemeinde in Berlin. In Anwesenheit Rosenbergs wurde sie eröffnet.[27]
1939 wurde Illies als erstem Künstler der von Telschow gestiftete Niederdeutsche Malerpreis verliehen. 1940 waren Werke von ihm in einer Sondersektion einer von der NSDAP-Gauleitung Ost-Hannover initiierten Kunstausstellung im Celler Schloss zu sehen.[28] Im selben Jahr zeichneten das Reichspropagandaamt Ost-Hannover und die Reichskammer der bildenden Künste für eine Ausstellung von Illies im Lüneburger Museum verantwortlich, bei dem u.a. das Ölgemälde „Heimkehr der Flotte der Legion Condor“ gezeigt wurde.[29] Zu seinem 70. Geburtstag 1940 erschienen Würdigungen in Hamburger Tageszeitungen sowie zwei Aufsätze im Jahrbuch des Alstervereins, in denen das „niederdeutsche“ Element von Illies´ Schaffen hervorgehoben wurde. Hans Martin Tibor behauptete, dass dessen „Leben und Werk den Kampf der bodenständigen deutschen Kunst gegen falsche Historie und artfremde Ueberlagerung“ widerspiegelten.[30] Auch der Völkische Beobachter lobte seinen frühen Widerstand gegen die „Internationalität“ in der Kunst.[31] Anfang der 1940er Jahre leitete Illies die Lüneburger Gesellschaft für Kunst und Wissenschaft.[32] Von 1941 bis 1943 wurden Werke von ihm mehrfach im „Haus der Kunst“ in München gezeigt.[33] Illies´ Orientierung auf eine heimatbezogene und niederdeutsche Malerei ließ sich insofern mit den kulturpolitischen Bestrebungen der Nationalsozialisten in Einklang bringen, auch wenn er in seiner Heimatstadt Hamburg keine Förderung erfuhr – was den Grundstein für seine nachträgliche Stilisierung zum Geschädigten des Regimes bildete.
In der Entnazifizierung wurden Illies „Nazi activities“ vorgeworfen.[34] Im Juni 1946 wurde ihm die Pension aberkannt, zudem wurde der Zugriff auf sein Bankvermögen blockiert.[35] Illies legte Beschwerde ein und betonte mit Verweis auf seine Logenzugehörigkeit „die Widerstände“, mit denen er „seit 1933 zu kämpfen hatte“. Er behauptete, aufgrund eines „Intrigenspiel[s]“ und von „Denunziationen“ 1933 seinen Posten verloren zu haben, obwohl er weiter hätte im Amt bleiben können. Zudem hätte Hitler persönlich das Zeigen seiner Bilder im Haus der Deutschen Kunst abgelehnt.[36] Auch sein Anwalt verteidigte ihn mit Hinweis darauf, die Nationalsozialisten hätten „alles getan, um ihm jede Wirkungsmöglichkeit in der Öffentlichkeit zu erschweren“ (was mit Blick auf die NS-Ausstellung 1937 in Berlin nicht der Wahrheit entsprach).[37] Der Beratende Ausschuss für bildende Kunst im Fachausschuss 7 lehnte den Einspruch ab und verwies darauf, Illies sei „als Nazi schärfster Prägung in der gesamten Künstlerschaft bekannt“.[38] Dieser konnte nur vereinzelt Leumundszeugnisse aufbringen, darunter vom Kulturjournalisten Hugo Sieker, der sich in einem Schreiben an Illies darüber echauffierte, dass „man Sie auch noch mit dem Nazi-Blödsinn behelligt“.[39] Der um ein Gutachten gebetene Kunsthändler Ernst Hauswedell warf Illies dagegen vor, als „Wortführer des Nationalsozialismus“ gewirkt zu haben und für die Schließung einer Ausstellung der Künstlergruppe Hamburgische Secession 1933 mit verantwortlich gewesen zu sein.[40]
Der Berufungsausschuss billigte im Januar 1947 Illies die halbe Pension zu und konzedierte, dass er „sehr verschieden“ beurteilt werde.[41] Illies´ Rechtsanwalt beantragte im November 1948 die Wiederaufnahme des Verfahrens. Im Juni 1949 wurde der Berufung stattgegeben, Illies in Kategorie V eingestuft und ihm die volle Pension bewilligt.[42]
Arthur Illies verstarb am 27. Mai 1952 im Alter von 82 Jahren.[43] Im Jahr zuvor hatte ihn das Museum für Völkerkunde noch mit einer Jubiläums-Ausstellung geehrt.[44] 1951 war er zudem zum Ehrenmitglied der wiedergegründeten „Hamburger Künstlerschaft“ ernannt worden.[45] 1955 wurde ein Weg in Barmbek, 1956 zudem eine Brücke im Alstertal nach ihm benannt.[46]
Nach seinem Tod wurden Illies´ Werke in etlichen Ausstellungen gezeigt, etwa 1968 in der Fritz-Schumacher-Schule in Langenhorn, 1974 bei Brinke & Riemenschneider, 1978 und 1981 in der Bücherstube Felix Jud & Co., 1992 in der Hamburger Kunsthalle und 1997 in der Galerie Herold.[47] Illies wurde dabei als „Züchter ganzer Generationen von Impressionisten“ gewürdigt, als „Revolutionär“ und „Künstler, der entscheidend mitgewirkt hat, die Kunst in Hamburg während der Jahrhundertwende zu prägen und ihr neue Wege zu weisen“.[48] Zwischen 1981 und 1985 gab Arthur Illies´ Sohn Kurt Illies Erinnerungen und Briefe seines Vaters in drei Bänden heraus.[49] Dabei beschönigte er das Verhalten seines Vaters während des „Dritten Reiches“ und ließ belastende Briefpassagen in den publizierten Bänden weg.[50] 1998 wurde die Arthur und Georgie Illies Familien-Stiftung in Lüneburg ins Leben gerufen.[51] 2005 wies Wolf Jahn in einem Artikel im Hamburger Abendblatt auf Illies´ „zeitweise Nähe zu den Kunstvorstellungen der Nazis“ hin.[52]
Text: David Templin