Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Paul Sudeck Paul Hermann Martin Sudeck

(28.12.1866 Pinneberg – 28.9.1945 Saalfeld)
Arzt (Chirurg), Universitätsprofessor
Nonnenstieg 20 ( Wohnadresse 1943)
Sudeckstraße (1948 benannt in Hamburg Eppendorf)
Fuhlsbüttler Straße 756, Ohlsdorfer Friedhof, Grablage: M 24 (43-52)


Im Dezember 1866 wurde Paul Sudeck in Pinneberg als Sohn eines Juristen geboren. Er besuchte zwischen 1876 und 1885 in Altona das Gymnasium und studierte nach seinem Militärdienst Medizin an Universitäten in Tübingen, Kiel und Würzburg.[1] Im Dezember 1889 wurde er zum Doktor der Medizin promoviert, um anschließend vom März 1890 bis Mai 1893 als Assistent am Pathologischen Institut der Universität Würzburg zu arbeiten. Von Juni 1893 bis Mai 1895 war er Assistenzarzt im Allgemeinen Krankenhaus (AK) Eppendorf und zwischen 1897 und 1900 Sekundärarzt für Chirurgie an den Allgemeinen Krankenhäusern St. Georg und Eppendorf, bevor er sich 1900 als Spezialarzt für Chirurgie in Hamburg-Eimsbüttel niederließ. Von Juli 1906 bis September 1914 wirkte er als Oberarzt der zweiten chirurgischen Abteilung des AK St. Georg. Im Juni 1914 wurde ihm vom Hamburger Senat der Professorentitel verliehen, mit Gründung der Universität wurde er im Mai 1919 zum außerordentlichen Professor ernannt.[2]

Vom Oktober 1914 bis September 1923 wirkte Paul Sudeck als Oberarzt der ersten chirurgischen Abteilung am AK Barmbek. 1923 wurde er schließlich zum planmäßigen ordentlichen Professor für Chirurgie und zum leitenden Oberarzt der ersten chirurgischen Abteilung am AK Eppendorf ernannt. Zwischen 1925 und 1927 wirkte er als Vorsitzender der wissenschaftlichen Versammlung des Ärztlichen Vereins Hamburg, 1928 und 1932 wurde er jeweils in die Ärztekammer Hamburg gewählt. Für ein Jahr fungierte er 1929/30 als Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg. 1932 trat er dem Verband der Krankenhausärzte Deutschlands bei.[3] Laut Angaben von Hinrich Sudeck war Paul Sudeck Mitglied der nationalliberalen Deutschen Volkspartei (DVP) von „Beginn an bis zu[m] Ende“ der Partei 1933.[4]

1934 trat Paul Sudeck der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) sowie dem „Reichsbund der Kinderreichen“ bei. 1939 war er zudem Mitglied im Nationalsozialistischen Altherrenbund der Deutschen Studenten. Mitglied der NSDAP wurde er nicht.[5] Er unterzeichnete jedoch das „Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“, das am 11. November 1933 auf einer NS-Feier vorgetragen wurde.[6] Seine Korrespondenz, etwa mit der Landesunterrichtsbehörde, unterzeichnete er regelmäßig mit „Heil Hitler“.[7]

Ende März 1934 schied Sudeck auf eigenen Antrag hin aus seinem Amt als Leitender Oberarzt am UKE aus, blieb jedoch noch Universitätsprofessor.[8] Am 23. Mai 1934 erklärte ihn die Gesundheits- und Fürsorgebehörde nichtsdestotrotz zu einem der Ärzte, die zur Durchführung von Sterilisationen ermächtigt waren.[9] Ob und falls ja, in welchem Ausmaß, er trotz seines Ausscheidens aus der Stellung als Oberarzt noch Sterilisationen durchführte, bleibt unklar.

Ein Jahr später wurde Sudeck dann im Alter von 69 Jahren auch als Professor emeritiert. Van den Bussche zufolge stand die Emeritierung im Kontext der Senkung der Altersgrenze für Professoren auf 65 Jahre, die eine Ablösung älterer, von den Nationalsozialisten als „reaktionär“ angesehener Professoren durch jüngere, linientreuere Personen befördern sollte.[10] Seine Privatpraxis führte Sudeck nach der Emeritierung jedoch fort.[11] Er widmete sich allerdings verstärkt privaten Studien und Aufzeichnungen. So schrieb er 1940 seine Kindheitserinnerungen nieder, in denen er lobte, was „der nationalsozialistische Staat durch die Errichtung der Gemeinschafts-Grundschulen […] anstrebt: Aufhebung des Klassenhasses“.[12] Außerdem verfasste er eine Familiengeschichte seiner Frau, die er in einem unveröffentlichten Buchmanuskript 1941 darlegte. Eine solche Arbeit knüpfte an die private Beschäftigung vieler Deutscher mit ihrer Herkunft und ihren Vorfahren an, die im Zuge der antisemitischen „Sippenforschung“ des Nationalsozialismus einen Aufschwung genommen hatte. Wie diese rekurriert Sudeck in seiner Studie zur „Familie Vogler“ auf Kirchenbücher und Ahnenpässe. Es finden sich jedoch kaum nationalsozialistische Äußerungen darin, sondern lediglich vage Beschwörungen einer „unendlichen Kette“ der Herkunft, einer „Empfindung von Sippenfreundschaft“ sowie der Hinweis, dass ein im Ausland lebender Vorfahre „dem deutschen Namen Ehre gemacht“ habe.[13]

Im Dezember 1941 wurde Paul Sudeck anlässlich seines 75. Geburtstages auf Initiative der Medizinischen Fakultät der Universität mit der Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet.[14] Zuvor hatte der Rektor der Hansischen Universität, Eduard Keeser, Sudecks politische „Zuverlässigkeit“ gegenüber der Staatsverwaltung herausgestellt: „er förderte stets nationale Belange, wo er konnte, und nahm an dem Geschick jedes Volksgenossen, mit dem er in Berührung kam, warmen Anteil“.[15] Im Oktober 1943 ernannte die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie Sudeck zu ihrem Ehrenmitglied.[16] Angesichts der Bombenangriffe auf Hamburg blieb Sudeck mit seiner Familie 1943 im Sommerhaus in Ahrenshoop an der vorpommerischen Ostseeküste. In den letzten Monaten des Krieges zogen sie nach Saalfeld in Thüringen, wo sie das Ende des Krieges erlebten. Im September 1945 starb Paul Sudeck im Haus seines Sohnes in Saalfeld an einer Pneumonie.[17] Zu einem Entnazifizierungsverfahren war es bis dahin nicht gekommen.

Drei Jahre nach Sudecks Tod, 1948, wurde eine Straße in Eppendorf nach ihm benannt.[18] 1950 wurde in der Chirurgischen Abteilung des UKE eine Büste Sudecks aufgestellt.[19] 1964 wurde ein Studentenwohnheim in Winterhude mit dem Namen „Paul-Sudeck-Haus“ eröffnet.[20] 1980 gründete sich in Hamburg die Paul-Sudeck-Gesellschaft, die das „Lebenswerk“ Sudecks zu würdigen und die Zusammenarbeit zwischen Chirurgie und anderen medizinischen Disziplinen zu fördern bestrebt war.[21] Im Zuge der öffentlichen Thematisierung von Sudecks Rolle im Nationalsozialismus wurde u.a. das nach ihm benannte Wohnheim 2016 in Margaretha-Rothe-Haus umbenannt.[22]

Text: David Templin