Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Friedrich Stanik

(11. April 1898 Borkum - 25. Februar 1964 Hamburg)
SA-Führer, Staatsrat
Adresse: Hammer Landstraße 55 (1933), Chapeaurougeweg 13 (1934), Schlageterstraße 32a (1939)
Wirkungsstätte: Hamburger Hochbahn Aktiengesellschaft, Steinstraße 20


Kriegsfreiwilliger im 1. WK. In den 20er Jahren nach eiern kaufmännischen Ausbildung im Ölgeschäft tätig. Mitglied im konservativen und antisemitischen Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verband (DHV). Am 1. Dezember 1929 trat Friedrich Stanik in die NSDAP ein und war auch seit den Kriegszeiten in der Hamburger SA aktiv und im NS-Kraftfahrkorps. Ab 1931 Abgeordneter der NSDAP in der Hamburgischen Bürgerschaft.; dort Vorsitz im Verkehrsausschuss und seitdem im Aufsichtsrat der Hamburger Hochbahn AG (HHA). 1933 zum Hochbahn-Vorstand berufen. 1938 Ernennung zum Generaldirektor. Diese Stelle behielt er bis Mai 1945 bei. Insgesamt wurden in dieser Zeit rund 260 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der HHA aus rassischen Gründen entlassen und durch Regime-Anhänger ersetzt. Unter Stanik nahm die HHA an zahlreichen Aufmärschen, Umzügen und Festveranstaltungen der NSDAP teil. Zudem gab es Ausbaupläne des Hamburger Verkehrsnetzes, die aber aus Geldmangel und Kriegsbeginn nicht verwirklicht wurden. Im Dezember 1934 wurde Stanik zum Hamburger Staatsrat ernannt, und nach der Auflösung dieses Gremiums Mitglied der Ratsherrenversammlung, dem Nachfolgegremium. Zudem war er NSDAP-Gauinspektor und ab 1941 Stellvertreter des Gauleiters Karl Kaufmann , mit dem er auch privat engen Kontakt hielt.

Stanik, seit April 1933 Vorstandsvorsitzender der Hamburger Hochbahn AG, koordinierte den Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, die u.a. auch bei der Hochbahn zur Wagenreinigung und in Werkstätten eingesetzt wurden.[1] Christoph Strupp schreibt in seinem grundlegenden Werk „Nahverkehr und Nationalsozialismus. Die Hamburger Hochbahn AG im ‚Dritten Reich‘“ über Friedrich Stanik, dass dieser „ab 1933 (…) zu einer der zentralen Figuren der NS-Herrschaft in Hamburg“ [2] wurde. Und weiter heißt es bei Christoph Strupp: „Im März 1933 wurde er zum NSDAP-Gauinspektor ernannt und vertrat Kaufmann in den Jahren danach regelmäßig bei öffentlichen Anlässen und vor allem in der Kriegszeit auch bei wichtigen Sitzungen. (…) Ende 1934 wurde er zum Hamburger Staatsrat und nach der Auflösung dieses Gremiums zum Mitglied des Nachfolgegremiums, der Ratsherrenversammlung ernannt.“ [3] 1939 wurde ihm das Goldene Parteiabzeichen der NSDAP verliehen. Er war 1929 in die Partei eingetreten und 1931 Bürgerschaftsabgeordneter für die NSDAP geworden. Als Abgeordneter hatte er den Vorsitz im Verkehrsausschuss „und gehörte seitdem dem Aufsichtsrat der Hamburger Hochbahn an“. [4] Außerdem gehörte Stanik bereits vor 1933 der SA und SS an. [5]

1944 wurde Stanik zum "Inspekteur für den gesamten Arbeitseinsatz im Gau Hamburg" ernannt und erhielt noch die Position eines Beisitzers beim Volksgerichtshof. „In der Wirtschaft übernahm Stanik Aufsichtsratsposten bei den Hamburger Elektrizitätswerken, der Hafen-Dampfschiffahrts-Aktiengesellschaft (Hadag) und der gleichgeschalteten Konsumgenossenschaft Produktion. Um die Jahreswende 1934/35 war er einer der Wirtschaftsvertreter im 'Kleinen Konvent' der Deutschen Arbeitsfront (DAF) in Hamburg, in dem Fragen der Arbeitsorganisation und der Sozialpolitik besprochen wurden. Im Bereich des Verkehrswesens wurde er 1934 einer von drei Vizepräsidenten des Reichsverkehrsverbandes, im November 1935 Leiter der Straßen- und Kleinbahn-Berufsgenossenschaft, 1938 erster Vizepräsident des Internationalen Verkehrsverbandes in Brüssel und 1939 Leiter der Fachgruppe Straßenbahn der Reichsverkehrsgruppe Schienenbahnen in Berlin." [6]
Stanik war Vorstandsvorsitzender des Vereins Kinderkrankenhaus Rothenburgsort, wo Kinder-Euthanasie betrieben wurde.

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wurde Stanik am 20. Juni 1945 von den Briten wegen seiner Zugehörigkeit zur NSDAP, SA und SS aus seiner Position bei der Hochbahn entlassen. In dieser Zeit war er bereits interniert. Er verbrachte 2 1/2 Jahre in verschiedenen Internierungslagern. Stanik wurde wegen seiner Funktion als Gauinspekteur vor ein Spruchgericht gestellt. Hier sagte er aus, "von den Verbrechen in den Konzentrationslagern habe er 'nichts gehört. In den KZ.-Lägern sassen kriminelle u(nd) politische Verbrecher nach meiner Kenntnis der Dinge auf Grund eines gerichtlichen Urteils ein.' (...) Auch die Berliner Anweisungen zum Zwangsarbeitereinsatz habe er nicht zur Kenntnis genommen. Aus seiner Tätigkeit als Hochbahn-Vorstand führte er entlastend an, dass er den 1933 entlassenen Direktoren bis 1945 jährlich 12.000 RM Pension gezahlt und dem Buchhalter Samuel Brimer die Pension bis zum Verbot durch das Auswärtige Amt sogar nach Palästina überwiesen habe. Da dem allerdings keine gesetzlichen Vorschriften entgegenstanden, war dies kein besonders mutiger Akt gewesen, wie das Gericht später auch hervorhob. (...)
Die Zeugnisse, die Stanik beibrachte, reihten gängige 'Persilschein'-Klischees aneinander und präsentierten den hochrangigen NS-Funktionär als 'anständigen, hilfsbereiten und bescheidenen Menschen', dessen Handlungen und Ansichten eigentlich keine Berührungspunkte mit dem Regime aufwiesen. Der Hamburger Polizei, die für die Anklage gegen Stanik ermittelte, gelang es nur teilweise, dieses Bild durch Fakten zu erschüttern: Ihr Abschlussbericht brachte ihn zwar enger mit der nicht zu übersehenden Gewalt gegen Juden sowie dem Einsatz der Zwangsarbeiter in Hamburg in Verbindung und wies auch auf Staniks Tätigkeit als Beisitzer des Volksgerichtshofs 1944/45 und eine schwebende Untersuchung wegen angeblicher Unterschlagung hin. Persönlich begangene Verbrechen ließen sich aber nicht nachweisen, und auch bei der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) lag nicht gegen ihn vor. (...) Das Spruchgericht verurteilte ihn zu fünf Jahren Gefängnis, von denen ein Jahr und zehn Monate durch die Internierung als verbüßt gelten sollten, sowie 10.000 RM Geldstrafe - ein vergleichsweise hartes Urteil, das dem für Gauleiter und Reichsleiter der NSDAP nahekam. (...) Ins Gefängnis musste Stanik allerdings nicht mehr: Am 4. März 1948 war er im Zuge der sogenannten Robertson-Aktion frei gelassen worden und nach Hamburg zurückgekehrt ." [7] Staniks Anwälte schafften es, dass das Bielefelder Urteil  "wegen formaler und inhaltlicher Mängel aufgehoben [wurde] und das Verfahren an die Bergedorfer Zweigstelle des Spruchgerichts für eine neue Verhandlung zurückverwiesen wurde.[8] Schlussendlich erließ 1954 der Senat unter Bürgermeister Kurt Sieveking (CDU) Stanik die Reststrafe - "gezahlt hatte Stanik am Ende insgesamt nur 1.585 DM." [9]

In seinem Entnazifizierungsverfahren wurde Stanik in Stufe III (Minderbelastete) eingestuft. Dagegen legte Stanik Einspruch ein und erhielt daraufhin 1950 die Herabstufung in Kategorie IV (Mitläufer). „Nun war ihm eine Rückkehr ins Verkehrsgewerbe verwehrt, und finanzielle Forderungen gegen die Hochbahn waren ausgeschlossen, aber sonst unterlag er keinen Beschränkungen." [10] Doch Stanik begnügte sich nicht damit; er stritt auch noch um sein Ruhegeld. Es kam zu einem für Stanik günstigen Vergleich. Er bekam rückwirkend vom Mai 1950 fortan monatlich 500 DM Ruhegeld. [11]

Stanik wurde Gesellschafter einer kleinen Kaffeehandelsfirma und Kaffeerösterei.

Text: Katharina Tenti und Rita Bake