Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Kurt Heißmeyer Dr. Kurt Heißmeyer

(26.12.1905 Lamspringe / Hildesheim - 29.8.1967 Bautzen)
SS-Arzt
Adresse und Wirkungsstätte: KZ Neuengamme (heute: KZ Gedenkstätte Neuengamme, Jean-Dolidier-Weg 76)


Heißmeyer studierte in Marburg Medizin und wurde Mitglied der Burschenschaft Arminia, wie bereits sein Vater. Nach der Promotion arbeitete Heißmeyer ein Jahr in der Schweiz, bevor er 1934 an das Auguste-Viktoria-Sanatorium nach Hohenlychen, nördlich von Berlin ging. Hier machte er seine Ausbildung zum Lungenfacharzt und wurde 1938 Oberarzt sowie Leiter des Sanatoriums für Lungenkranke. Seit 1937 war Heißmeyer Mitglied der NSDAP und pflegte auch durch familiäre Verbindungen, sein Onkel war August Heißmeyer, SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS, Kontakte zu führenden NS-Funktionären. Nach Kriegsbeginn wurde die Heilanstalt in Hohenlychen eine Zeit lang als Wehrmachtslazarett genutzt, bevor sie 1942 von der SS als eigenes Sanatorium übernommen wurden. Heißmeyer, der bis zu Ende des Krieges als Arzt in Hohenlychen beschäftigt war, widmete sich im Sinne der NS-Rassentheorien seiner pseudowissenschaftlichen Tuberkuloseforschung und stellte die These auf, Tuberkulose sei keine Infektionskrankheit sondern eine „Ausleseerscheinung“, die besonders „rassisch minderwertige Menschen“ beträfe. Um seine Theorien weiter stützen zu können fiel die Entscheidung, Menschenversuche im Konzentrationslager vorzunehmen. Weitere Ärztinnen und Ärzte wie Dr. Herta Oberheuser oder Dr. Fritz Fischer, die auch in Hohenlychen tätig waren, führten Experimente an Häftlingen im nicht weit entfernten KZ Ravensbrück durch, während Heißmeyer im Juni 1944 eine „Sonderabteilung“ im KZ Neuengamme errichtete. Er ließ unter Aufsicht des SS-Standortarztes Dr. Trzebinski ca. 100 Erwachsene, sowie ab Dezember 1944 auch Kinder, die aus dem KZ Auschwitz gebracht wurden, mit virulenten Tuberkuloseerregern infizieren. Die künstlich infizierten Häftlinge hatten unglaubliche Qualen zu leiden, viele starben an den Folgen der Experimente; ihr Leiden wurde penibel notiert. Zur Vertuschung dieser Menschenversuche wurden in der Nacht vom 20. auf den 21. April 1945 im Keller des Schulgebäudes am Bullenhuser Damm, Außenlager Rothenburgsort, die Kinder sowie Betreuer und sowjetische Kriegsgefangene ermordet. Nach den ermordeten Kindern wurde in den 1990er Jahren in Hamburg Straßen benannt.

Nach 1945 ließ sich Heißmeyer als Lungenfacharzt in Magdeburg nieder, obwohl Prozesse im Hamburger Curio-Haus gegen Beteiligte des Kindermordes liefen und Heißmeyer belastet wurde, wurde sein Aufenthaltsort in Magdeburg zunächst nicht bekannt. In den Nürnberger Prozessen fiel ebenfalls Heißmeyers Name und ab 1948 wurde er international gesucht, dennoch konnte er weiter in Magdeburg leben und als Arzt praktizieren. Obwohl in Magdeburg Gerüchte über Heißmeyers Vergangenheit auftauchten, er ab den 1950er Jahren von der DDR Staatssicherheit überwacht wurde und Publikationen über die Menschenversuche im KZ Neuengamme erschienen, wurde er erst 1963 verhaftet. Am 30.6. 1966 wurde er durch das Bezirksgericht Magdeburg der DDR wegen fortgesetzten Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft verurteilt. Ein Jahr später starb er an einem Herzinfakt in der Strafvollzugsanstalt Bautzen II.

Text: Katharina Tenti