Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Friedrich Lademann

(14.6.1891 Berlin - 29.3.1966 Hamburg)
Vorstandsvorsitzender der Hamburger Hochbahn AG
Steinstraße 20 (Wirkungsstätte, Adresse der Hamburger Hochbahn)
Kellinghusenstraße 20 (Wohnadresse 1943. Im Adressbuch wird Lademanns Beruf als: Direktor der Hamburger Hochbahn angegeben)
Lademannbogen, Hummelsbüttel seit 1977
Fuhlsbüttler Straße 756, Ohlsdorfer Friedhof, Grablage: AC 10, 48-52


Im September 2020 berief die Behörde für Kultur und Medien eine Kommission aus acht Expertinnen und Experten, die Entscheidungskriterien für den Umgang mit NS-belasteten Straßennamen in Hamburg entwickeln und Empfehlungen zu möglichen Umbenennungen und Kontextualisierungen aussprechen sollte.

Zum Lademannbogen gab die Kommission im März 2022 die Empfehlung, den Straßennamen mit weiterführenden Informationen kritisch zu kontextualisieren, z. B. mittels eines Erläuterungsschildes unter dem Straßennamenschild. Folgende Begründung gab die Kommission: „Lademann war Mitglied des Vorstands der Hamburger Hochbahn AG. Der Vorstand hatte sich bewusst gegen eine Schwerarbeiterzulage für die bei der HHA beschäftigten Zwangsarbeiter entschieden. Hier wurde wissentlich nichts unternommen, um die Situation der Zwangsarbeiter zu verbessern. Hierauf sollte mit einem Erläuterungsschild hingewiesen werden.“ (Abschlussbericht der Kommission zum Umgang mit NS-belasteten Straßennamen in Hamburg, Feb. 2022, www.hamburg.de/contentblob/15965308/8ee2e6d28dbd23e8df84bf75ceabda98/data/empfehlungen-kommission-ns-belastete-strassennamen.pdf)

 

Friedrich Lademann studierte an der Technischen Hochschule Berlin Ingenieurwissenschaften und wurde 1921 an der Technischen Hochschule Braunschweig mit einer Arbeit zum Thema „Über Zugförderungskosten und virtuelle Längen“ promoviert. Von 1922 bis 1933 war er erst Direktionsassistent bei der Berliner Straßenbahn, danach Prokurist der Berliner Verkehrsgesellschaft BVG. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten entließ ihn die BVG 1933 vorübergehend und beschäftigte ihn wenig später wieder mit einem niedrigeren Gehalt. 1934 wechselte er als technischer Direktor zur Leipziger Straßenbahn. Er trat in die Deutsche Arbeitsfront DAF ein und in die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt NSV, beides an die NSDAP angeschlossene Organisationen. Nach Aufhebung der Aufnahmesperre wurde er 1937 Parteigenosse der NSDAP. Außerdem war er förderndes Mitglied der SS

Zum 1. Oktober 1938 stellte ihn die Hamburger Hochbahn – damals das zweitgrößte deutsche Nahverkehrsunternehmen, halb in städtischem, halb in privatem Besitz – als zweiten technischen Vorstand mit dem Aufgabenbereich Straßenbahnen und Busse ein. Die Erweiterung des Vorstands war durch die Eingemeindung von Altona, Wandsbek und Harburg-Wilhelmsburg im Zuge des Großhamburg-Gesetzes 1937/38 nötig geworden. Im Unterschied zu anderen städtischen Unternehmen wurden Vorstand und Aufsichtsrat der Hochbahn nicht mit fachlich ungeeigneten Kandidaten besetzt, die als Parteigenossen versorgt werden sollten. Typisch für die Besetzung beider Gremien waren unpolitische anpassungsfähige Fachmänner mit kaufmännischem Sachverstand. Gleiches galt für die Ebene unterhalb des Vorstandes.

Eine Ausnahme bildete die Personalabteilung und auch bei der Belegschaft sah es anders aus Hier prägten ab Juli 1933 Entlassungen von Juden, Sozialdemokraten und Kommunisten infolge des NS-Gesetzes zur „Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ sowie die Neueinstellung Hunderter arbeitsloser SA-Männer und damit einhergehend eine Erweiterung des vorhandenen Personalbestands den Arbeitsalltag. Außerdem folgten die Betriebsabläufe nun dem „Führerprinzip“; Arbeiter und Angestellte mussten sich nach außen wie nach innen immer wieder zur Ideologie des Nationalsozialismus bekennen.

Ab 1937 durften zudem jüdische Unternehmen nicht mehr in den Verkehrsmitteln der Hochbahn werben und ab 1941 war es Jüdinnen und Juden reichsweit nicht mehr erlaubt, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Aber schon in den 1930er-Jahren, so der Historiker Christoph Strupp, wurden sie in Bussen und Bahnen angepöbelt, ohne dass das Personal einschritt.

Nach Kriegsbeginn 1939 fehlten der Hochbahn zunehmend männliche Arbeitskräfte, die zur Wehrmacht mussten. Daraufhin stellte das Verkehrsunternehmen ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ein. Erstmals erwähnte der Geschäftsbericht für 1941 die Beschäftigung von 6200 italienischen Zivilarbeitern, vor allem für den Straßenbahn-Gleisbau. 1942 arbeiteten noch 50 und im folgenden Jahr noch 23 Italiener für die Hochbahn. 1943 kamen vorübergehend französische Zivilarbeiter hinzu, außerdem sowjetische Kriegsgefangene (Männer und Frauen) Ab Herbst 1943 wuchs die Zahl ausländischer Arbeitskräfte durch 300 italienische „Militärinternierte“ (IMI) wieder erheblich. Sie mussten vor allem schwere körperliche Arbeit verrichten, obwohl sie in schlechtem körperlichen Zustand und unterernährt waren. Lademann beteiligte sich an der Diskussion über mögliche Schwerarbeiterzulagen durch die Hochbahn. Die Verantwortlichen entschieden sich aber dagegen und erklärten die Leitung der Wohnlager zuständig für den Gesundheits- und Ernährungszustand der IMI.

Im Oktober 1943 verpflichtete die Hochbahn zudem 16 Zwangsarbeiterinnen aus der Sowjetunion, sogenannte Ostarbeiterinnen. Die Frauen hatten anfangs, so der Historiker Strupp, „,einen Anmarsch von 6 km barfuß’, bis der Werkstattleiter sie mit einem Wagen abholen ließ.“ Ostarbeiterinnen und Ostarbeiter standen generell in der Hierarchie der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter ganz unten und wurden extrem schlecht versorgt und behandelt. Strupp zitiert dazu weiter aus einer technischen Besprechung bei der Hochbahn: „,Schwub schildert, daß die Unterbringung der Russenfrauen im Lager Sportstraße katastrophal und ihre Verpflegung noch schlimmer sei. Bei der Ernährung würden sie umkommen und könnten keinesfalls gute Arbeit leisten, obwohl sie sonst willig und sauber seien.’“ Auch hier wussten die Hochbahn-Verantwortlichen über die äußerst schlechte Behandlung der Zwangsarbeiterinnen, entschied sich aber auch hier, nichts dagegen zu unternehmen. 1944 leisteten nach wie vor die 300 Italiener und die 16 sowjetischen Frauen Zwangsarbeit für die Hochbahn; hinzu kamen 200 französische Zivilarbeiter.

Nach Kriegsende konnte Friedrich Lademann ohne jegliche Schwierigkeiten im Amt bleiben. Dabei, so der Historiker Strupp, „hatte Lademann in den Kriegsjahren das Unternehmen weitgehend selbstständig geleitet und trug damit z.B. auch die Verantwortung für den Einsatz der Zwangsarbeiter bei der Hochbahn. Er konnte in seinem Entnazifizierungsverfahren aber auf die Entlassung bei der Berliner Verkehrsgesellschaft 1933 und seine spätere Beschäftigung bei dem im Februar 1945 als Widerstandskämpfer hingerichteten Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler verweisen.“ 1947 wurde Lademann Vorstandsvorsitzender der Hamburger Hochbahn und blieb in diesem Amt bis 1960. Ab 1950 war er zudem Präsident des Verbandes öffentlicher Verkehrsbetriebe in der Bundesrepublik. 1955 verlieh ihm der damalige Bundesverkehrsminister Hans-Christoph Seebohm das Große Verdienstkreuz.

Text: Frauke Steinhäuser