Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Ernst Kabel

(1879-1955)
Vorsitzender des Vereins „Geborene Hamburger e.V.“, Vater der Schauspielerin Heidi Kabel
Große Bleichen 30 (Wohn- und Wirkungsstätte)
Ernst-Kabel-Stieg, Hohenfelde (seit 1957)
Fuhlsbüttler Straße 756, Ohlsdorfer Friedhof, Grablage: S 3, 393-400


Ernst Eduard Kabel war selbstständiger Buchdrucker und hatte seinen Betrieb im Hinterhaus der Großen Bleichen 30. Verheiratet war er mit Agnes, geb. Oelkers, deren Vater eine Linierfabrik in der Katharinenstraße besaß.
In der Druckerei wurden Vereins-Zeitungen, Plakate für Konzert-Direktionen, Eintrittskarten, Prospekte und Broschüren gedruckt. Agnes Kabel half ihrem Mann in der Druckerei - manchmal bis in die Nacht hinein.
In seiner Freizeit lernte Ernst Kabel Richard Ohnsorg kennen, denn Heidi Kabels Vater trat als Rezitator und auf Plattdeutschen Abenden auf und war außerdem als Vorsitzender des Vereins Geborene Hamburger aktiv. Dieser Verein hatte sich 1897 gegründet, um ein Signal gegen die Überfremdung durch Zugezogene zu setzen. Mitglied durften nur Männer werden, die in den Grenzen des alten Hamburgs geboren waren. Erst seit 1977 wird Frauen nicht mehr die Mitgliedschaft verwehrt.
Vor 1933 gehörte Ernst Kabel der Deutschen Volkspartei an.[1]
1935 trat der Vorstand des Vereins geschlossen der NSDAP bei. Heidi Kabel schreibt dazu in ihren Erinnerungen: „Mein Vater erzählte mir, daß sicherlich auch er und die anderen Herren des Vorstandes vom Verein geborener Hamburger wohl bald in die NSDAP eintreten müßten, wollten sie nicht riskieren, ‚gleichgeschaltet‘ zu werden. ‚Gleichgeschaltet‘ hieß damals für den Verein: Einzug des Vereinsvermögens und das Einsetzen eines neuen Vorstandes aus Parteimitgliedern, der dann dem Verein auch neue, andere Ziele als die bisherigen setzen würde.
Um all‘ das zu erhalten, was der Verein seit Gründung im Jahre 1897 aufgebaut hatte, darunter das Ferienheim, das nur durch die Beiträge und Spenden der Mitglieder finanziert wurde, würden die Vorstandsherren kaum drumherum können, der NSDAP beizutreten.
Es blieb keine Wahl, wenn man als oberstes Ziel die Rettung des Vereins im Auge hatte, in jenem Jahr 1935. Daß der Grund, einen Verein zu retten, einem ein paar Jahre später, angesichts dessen, was noch geschehen sollte, nicht mehr ausreichte, um den Beitritt zu dieser Partei zu erklären, war eine schmerzliche Erfahrung. Nur konnte man aus dieser Partei auch nicht austreten, wollte man nicht seine gesamte bürgerliche Existenz verlieren.
Ein paar Wochen später trat der Vorstand des Vereins geschlossen der NSDAP bei, auch mein Vater.“ [2]
Der Vereinsvorstand verhinderte seine „Gleichschaltung“ möglicherweise tatsächlich durch eine „Selbstgleichschaltung“, allerdings um den Preis, dass der Verein von nun an „freiwillig“ die nationalsozialistischen „Spielregeln“ beherzigte, d. h., die Satzung musste z. B. dahingehend geändert werden, dass Juden kein Mitglied werden durften. Andere Vereine entzogen sich solch einer „Gleichschaltung“, indem sie sich vorher auflösten.
Zu dem von Heidi Kabel angesprochenen „Verlust der bürgerlichen Existenz“, wenn jemand während der NS-Zeit aus der NSDAP austrat, ist anzumerken: In der Regel kam es zu Nachfragen oder Schikanen durch die Partei, nicht aber zum Verlust der bürgerlichen Existenz, so der renommierte Historiker Professor Dr. Wolfgang Benz in seinem Buch: Wie wurde man Parteigenosse? Frankfurt a. M. 2009.
Im Bundesarchiv befindet sich die NSDAP-Mitgliederkartei. Daraus ist zu ersehen. Ernst Kabel war bereits 1933 der NSDAP beigetreten und nicht erst 1935. (Mitgliedsnummer: 2999170) [3]
Auch aus seinem Entnazifizierungsfragebogen geht hervor, dass er 1933 in die NSDAP eintrat. Darüber hinaus war er seit 1938 Mitglied der NSV. Im Fragebogen /Action Sheet der Entnazifizierung Ernst Kabels heißt es am 11.11.1946: „… nur nominelles Mitglied, in jetziger Position [Buchdruckerei] tragbar.“[4]