Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Wilhelm Dwenger Wilhelm Heinrich Dwenger

(15.4.1893 Oldenswort (Eiderstedt) - 24.5.1970)
Pastor in Allermöhe, 1927 bis 1936 und 1945 bis 1961, Wehrmachtpfarrer von 1939–1944
Dwengerkamp, seit 1998 im Bezirk Bergedorf, im Stadtteil Allermöhe (1998)


Wilhelm Dwenger legte 1913 am Matthias-Claudius-Gymnasium in Wandsbek sein Abitur ab. [1] Anschließend studierte er in Tübingen, Berlin und Kiel evangelische Theologie, unterbrochen durch seine Einberufung als Soldat im Ersten Weltkrieg. [2] Am 5.11.1922 wurde er in Kiel ordiniert. Danach war er zunächst in Schleswig-Holstein tätig, erst als Hilfsgeistlicher in Neumühlen-Dietrichsdorf und anschließend in Preetz/Holstein; ab 1923 als Pastor in Kappeln. 1927 wechselte er nach Hamburg und trat im August jenen Jahres sein Amt als Pastor der Dreieinigkeitskirche in Allermöhe bei Bergedorf an. Ein Ausschnitt aus seiner Antrittsrede: „Alles harrt einer neuen Zeit, menschliche Versuche aller Art werden gemacht, sie heraufzuführen – aber sie kann nur kommen, wenn Gott selbst sie schickt. Darauf wollen wir warten und uns innerlich darauf vorbereiten.“ Im August 1936 – die Nationalsozialisten waren bereits rund dreieinhalb Jahre an der Macht – wurde er Friedhofspastor in Ohlsdorf, zwei Jahre später, am 6.11.1938, fand seine Amtseinführung als Pastor der Katharinenkirche (St. Katharinen II) statt. Dortiger Hauptpastor war zu jener Zeit Karl Dubbels, der 1934 zu den Verfassern eines Gutachtens gegen die Eingliederung der hamburgischen Landeskirche in die Reichskirche, und damit ihre Gleichschaltung, gehört hatte. [3] Die meisten der 72 Geistlichen der damaligen Evangelisch-Lutherischen Kirche im Hamburgischen Staate bekannten sich allerdings zu den NS-treuen Deutschen Christen [4], die rassistisch und antisemitisch ausgerichtet waren und sich am Führerprinzip orientierten.
Schon ein Jahr später, unmittelbar nach dem deutschen Überfall auf Polen und damit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, verließ Dwenger die Gemeinde der Katharinenkirche, um als Kriegspfarrer für die Wehrmacht zu arbeiten. Er gehörte damit in Hamburg zu der ersten Gruppe evangelischer Geistlicher (25 Pastoren sowie 6 Vikare), die eingezogen wurden. [5] Organisatorisch hatte das Hamburger Landeskirchenamt diese Einsätze bereits vor Kriegsbeginn organisiert – mithilfe eines „Stellen- und Geschäftsverteilungsplans für den Mobilmachungsfall“, der Angaben zu Abteilung, Name, Amtsbezeichnung, Sachgebiet, Alter und Militärverhältnis enthielt. [6] Dwenger hatte zudem schon seit Wiedereinführung der Wehrpflicht 1935 zusammen mit anderen Pastoren, Hilfspredigern und Vikaren an Wehrübungen teilgenommen. [7]
Welche grundsätzliche Aufgabe den Geistlichen im Krieg zukam, formulierte das „Merkblatt über Feldseelsorge“ vom 21.8.1939, herausgegeben von der Gruppe Seelsorge im Oberkommando des Heeres: „Alle Kriegserfahrungen haben gelehrt, dass die seelische Kraft des Heeres seine beste Waffe ist. Sie zieht aber ihre Kraft in erster Linie aus einem festen Glauben. Die Feldseelsorge ist daher ein wichtiges Mittel zur Stärkung der Schlagkraft des Heeres.“ [8] Eine Anlage zur Heeresdienstvorschrift 373 vom 24.5.1942 ergänzte: „Der siegreiche Ausgang des nationalsozialistischen Freiheitskampfes entscheidet die Zukunft der deutschen Volksgemeinschaft und damit jedes einzelnen Deutschen. Die Wehrmachtseelsorge hat dieser Tatsache eindeutig Rechnung zu tragen.“ [9] Die Kriegspfarrer wirkten demnach nicht in einem „vom nationalsozialistischen Machtanspruch freien Raum“, sondern wurden für politische und militärische Zwecke instrumentalisiert.
Wilhelm Dwenger war auf Kriegsdauer berufen und damit Wehrmachtbeamter. Direkt nach dem achttägigen Lehrgang für Kriegspfarrer in Berlin hatte er wie vorgeschrieben den Rang eines Hauptmanns erhalten [10] und war nach einem Jahr, ebenfalls entsprechend der Vorgaben, zum Major befördert worden. Gleichwohl verließ er die Wehrmacht 1944 wieder und wurde im September jenen Jahres zum Pastor der Maria-Magdalenen-Kirche in Klein-Borstel gewählt. Die Amtseinführung erfolgte Anfang Januar 1945. Noch im Oktober 1945 wechselte er an die Dreieinigkeitskirche in Allermöhe, wo er bereits von 1927 bis 1936 tätig gewesen war. Zum 1.5.1961 ging er in den Ruhestand.
Bis lange nach Kriegsende wurde die kirchengeschichtliche Forschung über die Rolle von Kriegs- und Wehrmachtpfarrern von solchen Publikationen bestimmt, die die Geistlichen selbst verfasst und in denen sie sich als Opfer und Gegner inszeniert hatten. Seit den 1990er-Jahren ändert sich die Wahrnehmung und Einordnung ihrer Rolle jedoch. Die Zeitgeschichtsforschung betrachtet sie nun als „Propagandisten des Vernichtungskriegs“, die Teil der psychologischen Kriegsführung des NS-Staates waren. [11]
Text: Frauke Steinhäuser