Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Hans Bahn Hans (Johannes) Bahn

(1.3.1890 Havelberg - 25.9.1959 Hamburg)
Leiter des Denkmalschutzamtes Hamburg 1934-1945
(zuletzt: Alte Rabenstraße 4)
wohnhaft (bis 1959): Sierichstraße 146


Hans Bahn wurde am 1. März 1890 in Havelberg (Brandenburg) geboren.

Sein Architekturstudium in Berlin und Danzig schloss er mit der Promotion („Tausend Jahre Entwicklung von der Jahrmarktauslage zum Großstadtschaufenster“) zum Dr. ing. ab. Im Ersten Weltkrieg leistete er kurzzeitig in Ostpreußen Kriegsdienst.

Ab 1922 war er in der Hamburger Verwaltung angestellt, zunächst im Baupflegebüro, danach im Denkmalpflegeamt, später auch bei der Gewerbeaufsicht und Wohlfahrt. Traditionell wurde in Hamburg Denkmalschutz, der zunehmend Bahns Interessensgebiet wurde, wenig geachtet oder finanziell angemessen ausgestattet. Die Finanzprobleme der Stadt in den 1920er- und 1930er-Jahren führten zu einer weiteren Verschlechterung – so wurde Bahn Anfang 1933 entlassen. Immerhin hatte er sich da schon als Architekturkritiker in einschlägigen Kreisen einen Namen gemacht.

1933 trat Bahn der NSDAP bei. Ab Oktober 1934 wurde er kommissarischer Leiter des Denkmalschutzamtes, welches der Behörde für Volkstum, Kirche und Kunst angehörte, die von Senator von Allwörden (1892-1955) geleitet wurde (bis 1938).[1]

 Der Altonaer v. Allwörden hatte seine politische Karriere in völkischen Kreisen begonnen, sich bereits 1925 der NSDAP angeschlossen (ebenso 1926 der SA) und gehörte ab 1933 zum engsten Kreis um Reichsstatthalter und Gauleiter Karl Kaufmann. Unter v. Allwörden wurde die Stilisierung des nationalsozialistischen Hamburg zum Zentrum niederdeutscher Bestrebungen vorangetrieben, was eine Betonung entsprechender heimatgeschichtlicher und volkskundlicher Traditionen einschloss. (So erfolgte u.a. 1935 unter v. Allwördens Federführung die Gründung der „Vereinigung Niederdeutsches Hamburg“ als zentrales organisatorisches Instrument dieser Bemühungen.) Damit waren für Bahns Denkmalschutz-Ansätze günstigere Rahmenbedingungen geschaffen.

Als „produktiver Architekturkritiker“ vor seiner Zeit als Denkmalpfleger hatte Bahn sich vor allem für „die Großkontorhäuser“ begeistert, und insbesondere „der konservative Revolutionär Fritz Höger“ wurde von Bahn geschätzt. „Es erhebt sich so nicht die Frage, ob er [= Bahn] im 'Dritten Reich' in der Tradition der zwanziger Jahre stand, sondern ob nicht schon die Hamburger Moderne der Weimarer Republik zu Teilen völkisch-reaktionär intendiert war; zumindest das Gebäude des Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verbandes, über das Bahn 1931 ziemlich emphatisch schrieb, gehört eindeutig in diesen Kontext.“[2] Auch Bahn war ein Vertreter des „Heimatgedankens“, was für ihn ab 1934 von Amts wegen hieß, alten, als erhaltenswert betrachteten Baubestand zu konservieren.

Hauptsächlich ging es dabei um Älteres aus der Zeit bis zum Ende des 18./Anfang des 19. Jahrhunderts: Für die Hamburger Innenstadt schwebte Bahn als sein zentrales Projekt die „Deklarierung der Cremoninsel [am Nikolaifleet bzw. nahe der Nikolaikirche] und ihrer näheren Umgebung zur Denkmalschutzzone“ vor. „Ersatzbauten für Baulücken sollten sich in den Gesamtcharakter stilistisch einfügen, wobei hier auch im Geiste einer Traditionsinsel ein 'Sammelbecken all derjenigen Bauteile' sein sollte, 'die aus den Abbruchgebieten für den [vom Hamburger NS-Staat geplanten] Ost-West-Straßenzug anfallen und nicht verlorengehen dürfen'. (…) Störende Bauten wie die 'Produkte wilhelminisch-bürgerlicher Baukunst' seien durch Rekonstruktionen historischer Fassaden, durch Translozierung bzw. durch Einbau wertvoller Detailformen aus Abbruchhäusern zu verbessern. (…) Sie sind idealisierte Rekonstruktionen vermuteter oder erschließbarer historischer Zustände. Sie blenden alle späteren Veränderungen daran aus, am Befund oder auch am Analogieschluss orientiert. (…) Kernpunkt waren also der Gedanke an eine Traditionsinsel als Auffangbecken und die deutliche, einer damals vielfach noch verfolgten normativen Ästhetik folgende Einengung auf die Zeit vor der industriellen Revolution und vor der sog. Stilarchitektur der Gründerzeit, der kein Denkmalswert zugemessen wurde.“[3]

Diese Cremoninsel-Pläne wurden nie realisiert;die Bombardierung Hamburgs im Sommer 1943 machten sie buchstäblich zunichte. Etwa vorhandenen Vorstellungen, die in dieser Richtung noch nach 1945 bestehen mochten, standen Trümmerbeseitigung, Bauschuttentsorgung und anschließende Neubauprogramme der 1950er-Jahre entgegen.

1935 jedoch vertrat Bahn seine Idee bei einer Ausstellung „Die Altstadt ruft“, wobei er das zukunftsweisende Argument aufbot, schließlich sei Hamburg kein „verjudetes New York“[4]. Sein Amt, formulierte er anlässlich einer anderen Ausstellung („Blut und Boden“), wolle „sich kämpferisch seinen Anteil erringen am Werden der neuen Zeit.“[5] Diesem Bekenntnis entsprach durchaus, dass Bahn „die 'Säuberung' der letzten Gängeviertel der Neustadt (Rademachergang) billigend in Kauf genommen (und durch Dokumentation begleitet)“ hat, wie auch seine der Bombenkatastrophe 1943 „jahrelang vorausgehenden Aktivitäten im vorbereitenden Luftschutz“ damit zu vereinbaren waren.[6]

Bahns Cremoninsel-Pläne waren in der Hamburg Verwaltung nicht unumstritten, und, als er 1936 damit unabgesprochen in die Öffentlichkeit gegangen war („Hamburger Tageblatt, 15. April 1936), grundsätzlich gefährdet. Allerdings fand er Unterstützung durch den Regierenden Bürgermeister C. V. Krogmann. Der neue Kultursenator Hellmut Becker, Nachfolger v. Allwördens, gab dann für Bahns Vorhaben 1941 grünes Licht – aber wegen der Kriegsentwicklung bestand keine Chance mehr auf Verwirklichung.

Im Rahmen seines Amtsverständnisses wollte Bahn aber auch überhaupt volkskundlich bewahrend wirken. So wollte er beispielsweise im 1935 neu gestalteten Parkgelände „Planten un Blomen“ „eine kleine Sammlung“ von (translozierten) niederdeutschen Bauerhäusern aufstellen. Als 1938 die „Jahrestagung der deutschen Denkmalpflege“ in Hamburg stattfand (Thema: „Denkmalpflege und Großstadt“) ging es nicht nur um die gigantischen Elbufer-Pläne Hitlers bzw. Konstanty Gutschows, die das Gesicht Hamburgs drastisch verändert hätten (wären sie denn realisiert worden), sondern gleichzeitig auch um Bahns Konservierungsideen: So wurde u.a. auch eine kleine Ausstellung zu „Finkenwerder, Inventarisation einer Landschaft“ gezeigt[7], und in der Zeitschrift „Deutsche Kunst und Denkmalpflege“ erschien 1938 u.a. sein Aufsatz „Die Bauernhaustypen der Hamburger Landschaft“.

Ganz in Einklang mit völkischen und niederdeutschen Bestrebungen längst vor 1933, gab er 1936 die Losung aus „Ohne Heimatliebe keine Vaterlandsliebe!“[8], und 1942 hieß es in einer anderen Schrift Bahns: „Wir glauben, dass unser Volk ohne Tradition, ohne innere Bindung an die Leistungen der Vorfahren nicht den Weg in die Zukunft nehmen kann mit derjenigen Sicherheit, die der angeborene Instinkt verleiht. (…)“[9]

Hans Bahn war „1933 (…) der NSDAP beigetreten. Nach eigenem Bekunden beschränkte er aber seine Mitarbeit (…) bald auf das unbedingt Notwendige“.[10] Er war wohl, wurde daraus geschlossen, lediglich ein „Mitläufer aus Berufsidealismus“[11].

Dagegen wurde prononciert betont: „Die extrem konservative, völkische Tradition der Institution [Denkmalpflege] – die durchaus auch nach 1945 noch Spuren hinterlassen hat -, machte ihre Vertreter zu den prädestinierten Erfüllungsgehilfen des Nationalsozialismus, ob sie das bewusst so erstrebten, nur einfach in Kauf nahmen oder sogar gelegentlich in Frage stellten. Bahn war in diesem Sinne Nationalsozialist und hat nationalsozialistisch ausgerichtete Denkmalpflege betrieben, daran kann gar kein Zweifel bestehen. Niedersächsische Bauernhäuser und die in der geplanten 'Denkmalzone Cremon' stilisierte Bürgerhaustradition in sozialhygienischer und niederdeutsch-völkischer Deutung bestimmen die Ziele seiner Arbeit.“[12]

Am 18. August 1945 wurde Hans Bahn von der britischen Militärverwaltung beurlaubt, am 1. Dezember 1945 in den Ruhestand versetzt. Heimatbewegten, niederdeutschen Kreisen war er danach noch ein Begriff.[13]

Am 25. September 1959 ist er in Hamburg gestorben.

Autor: Ralph Busch, 2016