Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Albert Bannwarth Dr. Ing.eh. Albert Albert, Lothar, Joachim Bannwarth

(26.11.1872 Arnsberg – 2.4.1947 Hamburg)
Ingenieur, Direktor der HEW, Mitglied diverser Aufsichtsräte
Heilwigstraße 64 (Wohnadresse)
Bannwarthstraße (1962 benannt in Hamburg-Bramfeld)
Fuhlsbüttler Straße 756, Ohlsdorfer Friedhof, Grablage: J5 (278-283)


Albert Bannwarth wurde am 26. November 1872 in Arnsberg in Westfalen geboren, die Volksschule und das Gymnasium besuchte er in Sigmaringen.[1] Seit 1891 besuchte er die Technischen Hochschulen von Stuttgart und Hannover. 1896 wurde er als Ingenieur bei der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft (AEG) in Berlin eingestellt, 1897 wechselte er zur Siemens & Halske AG (später Siemens-Schuckertwerke GmbH) – zunächst in Berlin, seit 1898 dann als Büroleiter in Dresden. 1902 wurde Bannwarth zum Oberingenieur ernannt, als Vorstand des Technischen Büros der Firma in Köln wechselte er für ein Jahr in diese Stadt. Im August 1905 siedelte er nach Hamburg über, wo er als Direktor des Hamburger Firmenbüros tätig war.[2]
Von 1912 bis 1933 amtierte Bannwarth als Generaldirektor der Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW), die zunächst ein privatwirtschaftliches und seit 1914 ein gemischtwirtschaftliches Unter-nehmen (mit 50-prozentiger Beteiligung des Hamburger Staates) darstellten. Bannwarth leitete die Verhandlungen mit dem Hamburger Staat und organisierte als HEW-Direktor den Bau, Aufkauf und die Modernisierung zahlreicher Kraftwerke. Unter seiner Leitung kam es zum massiven Ausbau des Unternehmens und der Energieversorgung.[3]
Neben seinem Direktorenposten war Bannwarth von 1919 bis 1933 Mitglied der Handelskammer (als deren stellvertretender Präsens er 1920/21 fungierte), von 1924 bis 1927 Vorsitzender der Vereinigung der Elektrizitätswerke Berlin, 1928 bis 1930 Vorstandsmitglied des Vereins Deutscher Ingenieure sowie Vorstandsmitglied im Verband Deutscher Elektrotechniker, im Hamburger Industrie-Verein und im Arbeitgeberverband. 1924 erhielt er den Ehrendoktortitel der Technischen Hochschule Hannover verliehen, die ihn 1931 auch zum Ehrenbürger ernannte. Zudem war er Mitglied in mehreren Aufsichtsräten, darunter dem der Commerz- und Privat-Bank.[4]
Politisch war Bannwarth vor 1933 Mitglied der rechtsliberalen Deutschen Volkspartei (DVP). Er unterzeichnete einen Aufruf zur Wahl „der bürgerlichen Parteien“ und gegen „den Weg des zerstörenden Radikalismus“, der im September 1930 in deutschen Tageszeitungen veröffentlicht wurde.[5]
Im März 1933 kam es zu einer Kampagne der nationalsozialistischen Presse gegen Bannwarth. Unter dem Titel „Der feine Herr Direktor von der HEW. Wann verschwindet Bannwarth, der Mann mit über 100 000 Mark Einkommen?“ machte das Hamburger Tageblatt Stimmung gegen den HEW-Direktor. Bannwarth wurde dort als „der typische Nutznießer und Günstling des verflossenen Systems“ charakterisiert, der exorbitante Summen verdiene. Ihm wurden abfällige Äußerungen über den neuen Senat unterstellt und betont, dass er „Schwierigkeiten machte, als von ihm gefordert wurde, die Hakenkreuzfahne auf dem Gebäude der HEW zu hissen“.[6] Der Betriebsratsvorsitzende der HEW behauptete 1946 gar, dass sich Bannwarth bei der Machtübernahme geweigert hätte, die Fahne zu hissen.[7] Das Hamburger Tageblatt forderte die „sofortige Entfernung“ Bannwarths.[8] Laut Bannwarths eigenen Aussagen kam es in der Folge jedoch zu Gesprächen mit dem Gauleiter Karl Kaufmann, die bewirkten, dass die nationalsozialistische Presse Richtigstellungen publizierte und ihre Beschuldigungen zurücknahm.[9] Am 6. April war im Tageblatt zu lesen, dass „die Vorwürfe gegen Direktor Bannwarth nicht zutreffen“ und dieser „rückhaltlos hinter dem jetzigen Senat“ stehe.[10] Nichtsdestotrotz wurde Bannwarth an der Spitze der HEW ausgewechselt. Nach einem mehrmonatigen Urlaub schied er am 30. Juni 1933 aus dem Vorstand der HEW aus und trat in den Ruhestand.[11] Bannwarths Ablösung entspricht dem Austausch der Direktorenposten zahlreicher anderer städtischer Unternehmen durch die Hamburger Nationalsozialisten, die diese Posten mit Parteimitgliedern neu besetzten.[12] Laut Bannwarths wenig glaubhafter Darstellung von 1942/43 ging sein Ausscheiden aus den HEW Ende Juni 1933 auf seinen eigenen Entschluss zurück. Zweifel an dieser Darstellung sind auch mit Blick auf die folgenden Sätze angebracht: „Mit bitterem Gefühl nahm ich Abschied, lange Zeit hatte ich gebraucht, bis sich meine Nerven wieder einigermaßen beruhigt hatten. […] Ich war oft sehr niedergeschlagen, wenn ich meine Freunde und Bekannten ihrer gewohnten Arbeit nachgehen sah und selbst zum Nichtstun verdonnert war.“[13] In der Tagespresse wurde sein Ruhestand mit „Gesundheitsgründen“ erklärt.[14]
Die Ablösung Bannwarths auf dem Direktorenposten der HEW lässt sich nur mit Einschränkungen als politisch motivierte Schädigung werten – insbesondere, da Bannwarth bereits Anfang Oktober 1933 in den Aufsichtsrat der Werke aufgenommen wurde, um „die reichen Erfahrungen und das große Wissen des früheren Generaldirektors [...] nutzbar zu machen“, wie es in der Presse hieß.[15] Er blieb über das Ende des NS-Regimes hinaus im Aufsichtsrat. Als 1943/44 innerhalb kürzester Zeit zwei HEW-Direktoren starben, wurde Bannwarth dem Vorstand als ständiger Berater zur Seite gestellt.[16] Insofern wurde er von den neuen Machthabern in Hamburg zwar beruflich geschädigt, indem er in den Ruhestand gedrängt wurde. Andererseits griffen diese auf seine Expertise zurück, womit er – gewissermaßen in einem Arrangement mit dem NS-Regime – weiterhin am Unternehmen beteiligt wurde.
Mitglied der NSDAP wurde Bannwarth nicht. Er trat lediglich der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) bei, dem NS-Bund deutscher Technik und dem Reichskolonialbund.[17] Zudem findet sich in seiner Entnazifizierungsakte ein Hinweis auf eine mögliche Mitgliedschaft als Förderndes Mitglied der SS (FM-SS).[18] Wie Bastian Hein gezeigt hat, warb die SS nach der „Machtergreifung“ aggressiv um Spender/innen. In Bezug auf die fördernde Mitgliedschaft ist insofern von einer „Schutzgeldfunktion“ gesprochen worden. Hein schätzt die Zugehörigkeit zu den FM-SS vor diesem Hintergrund als „weder völlig harmlos noch als schwer belastend“ ein.[19]
In der Zeit des Nationalsozialismus expandierten die HEW, indem sie im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes zum Strommonopolisten Hamburgs aufstiegen.[20] Für den Bau des seit 1938 geplanten HEW-Kohlekraftwerks Alt-Garge bei Bleckede wurden seit 1940 Zwangsarbeiter herangezogen, darunter osteuropäische Kriegsgefangene sowie KZ-Häftlinge aus Polen und Skandinavien.[21] Geprägt war dieser Einsatz von zahlreichen Todesfällen – belegt wurden von John Hopp 49, die HEW selbst sprachen in der unmittelbaren Nachkriegszeit von 61 verstorbenen KZ-Häftlingen.[22] Am Kraftwerksbau beteiligt waren neben den HEW auch weitere Firmen, für die Bannwarth gearbeitet hatte (Siemens-Schuckertwerke AG) oder in deren Aufsichtsrat er saß (Dürrwerke AG).[23] Zur Frage, von wem die Initiative zum Einsatz von KZ-Häftlingen ausging, und zur Rolle der HEW konnte Hopp nur wenige Dokumente ausfindig machen. Es ist anzunehmen, dass die Häftlinge den HEW zur Verfügung gestellt wurden, die sie ihrerseits an Subunternehmen verliehen.[24] Zur Instandsetzung kriegsbeschädigter Anlagen der HEW kamen ebenfalls Zwangsarbeiter zum Einsatz, 1944 waren es insgesamt über 900.[25] Bannwarths spezifische Rolle im Einsatz von KZ-Häftlingen und anderen Zwangsarbeitern muss an dieser Stelle offenbleiben. Auch wenn es keine Belege für seine direkte Beteiligung an der Anordnung dieses Einsatzes gibt, wird er diesen als ständiger Berater des Vorstandes um 1944 jedoch mit zu verantworten haben.
Bannwarth blieb in der NS-Zeit auch Mitglied diverser Aufsichtsräte, darunter der Commerz- und Privat-Bank, der Bavaria- und St. Pauli-Brauerei und der Dürrwerke AG (Ratingen).[26] Im Winter 1942/43 verfasste Bannwarth seine „Lebenserinnerungen“, die nach seinem Tod 1947 veröffentlicht wurden. Darin berief er sich, Bismarck zitierend, auf das Leitbild der Pflichterfüllung und äußerte seine Hoffnung auf einen Sieg Deutschlands im Zweiten Weltkrieg.[27] Im Gefolge der Kriegszerstörungen Hamburgs wurde Bannwarths Villa zur Zwangseinquartierung Ausgebombter herangezogen.[28]
Nach der britischen Besatzung Hamburgs im Mai 1945 wurde Albert Bannwarth im Alter von 72 Jahren vom neuen Bürgermeister Rudolf Petersen wieder als Generaldirektor der HEW eingesetzt.[29] In einer Stellungnahme im Rahmen seiner Entnazifizierung bezeichnete sich Bannwarth selbst als „keen opponent to the Nazis“.[30] Und auch in einem Polizeibericht vom Juli 1946 hieß es, „Nazi“ sei dieser „niemals gewesen“, sondern habe dem Nationalsozialismus „immer feindlich gegenübergestanden“.[31] Die Entnazifizierungsausschüsse stuften ihn einen Monat später als „einwandfrei“ ein.[32] Kurz vor seinem anvisierten Ausscheiden aus dem Unternehmen starb er im April 1947.[33]
Text: David Templin