Osdorf, Lurup, Stellingen, Eidelstedt, Niendorf, Lokstedt und Schnelsen
Stadtteile Osdorf, Lurup, Stellingen, Eidelstedt, Niendorf, Lokstedt und Schnelsen, die 1933 zum Kreis Pinneberg oder zu Altona gehörten, in der NS-Zeit
Bei Osdorf, Lurup, Stellingen, Eidelstedt, Niendorf, Lokstedt und Schnelsen handelt es sich um ehemals holsteinische Dörfer. Sie tauchen zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert erstmals urkundlich auf. Lediglich Lurup wurde erst im 18. Jahrhundert gegründet. Durch die Zuordnung zum Herzogtum Holstein gehörten die Dörfer seit 1460 zum Königreich Dänemark, da in diesem Jahr der dänische König in Personalunion auch Herzog von Holstein wurde. (…) Nach dem Sieg Preußens im dänisch-preußischen Krieg wurde Holstein, und damit auch die hier genannten Dörfer, preußisch. Sie gehörten zunächst zum Kreis Pinneberg. Eidelstedt, Stellingen, Osdorf und Lurup wurden 1927 nach Altona eingemeindet und kamen so 1937 unter hamburgische Hoheit. (…)
Eidelstedt wurde 1588 erstmals urkundlich erwähnt. Im frühen 20. Jahrhundert war es noch ländlich geprägt, es hatten sich aber auch bereits mehrere Industriebetriebe (u. a. Lack, Drahtnetze, Dünger, Fischkonserven und Bier) angesiedelt und noch vor dem Ersten Weltkrieg wurde ein großer Rangier- und Güterbahnhof gebaut, der vor allem für Altonaer Betriebe von Interesse war. Als 1925 der Gau Schleswig-Holstein der NSDAP gegründet wurde, war Eidelstedt bereits mit einer eigenen Ortsgruppe (einer von zweien im Kreis Pinneberg, die zweite war in Elmshorn) vertreten. Offenbar war deren Wirken erfolgreich, denn trotz eines hohen proletarischen Bevölkerungsanteils stimmten die Eidelstedter und Eidelstedterinnen bereits im November 1932 mehrheitlich „rechts“: SPD 1.153, KPD 688, NSDAP 1.234, DNVP 1652.
Stellingen hatte sich in früheren Jahrhunderten durch seine Produktion von Butter und Milch einen Namen gemacht. 1907 siedelte sich hier Hagenbecks Tierpark an. 1921 wurde dort eine Gartensiedlung für Kriegsversehrte errichtet. Im November 1932 waren die politischen Lager bei den Wählerstimmen ungefähr gleich stark vertreten: SPD 1345, KPD 936, NSDAP 1.857, DNVP 456.
In Osdorf waren seit dem Mittelalter das Kloster Harvestehude und das Hamburger Domkapitel durch Landbesitz präsent. Der Ort blieb bis weit ins 19. Jahrhundert ländlich geprägt. 1869 wurde an dem immer noch wenig besiedelten Platz das Altonaer Armenhaus gebaut, 1931 im Norden Behelfshäuser für arme Familien errichtet. Im Süden entstand Ende des 19. Jahrhunderts die Villenkolonie Hochkamp. Hier hatte das linke Lager im November 1932 noch eine deutliche Mehrheit: SPD 500, KPD 580, NSDAP 605, DNVP 127.
In Lurup hatten zahlreiche Einwohner Altonas Gartenland gepachtet. Der kleine Ort war bis in die 1930er Jahre landwirtschaftlich und proletarisch geprägt. Auch hier gab es im November 1932 noch eine linke Stimmenmehrheit, wobei KPD und NSDAP gleich stark waren: SPD 489, KPD 288, NSDAP 289, DNVP 45.
In Niendorf war bereits seit 1343 das Hamburger Domkapitel präsent: In jenem Jahr kam es in Besitz eines Landstücks, das ihm von einem Hamburger Bürger vermacht worden war. In diesem Ort siedelten sich Handwerker und Kaufleute an, so dass er für die umliegenden Dörfer eine zentrale Funktion einnahm. Im 19. Jahrhundert wurde das landwirtschaftlich geprägte Niendorf, wie auch Lokstedt und Schnelsen, zunehmend zum Ausflugsziel für die Hamburgerinnen und Hamburger. Begüterte Bürger ließen sich dort in neu erbauten Landhäusern und Villen nieder. Um 1900 zogen auch zahlreiche Arbeiterfamilien dorthin, weil die Wohnkosten hier geringer waren als in den nahen Großstädten Altona und Hamburg. Die seit 1907 bis nach Niendorf ausgebaute Straßenbahnlinie beschleunigte diese Entwicklungen. Niendorf, Lokstedt und Schnelsen wuchsen immer weiter zusammen und vereinigten sich 1927 zur Großgemeinde Lokstedt. Mit dem Groß-Hamburg-Gesetz 1937 wurden Lokstedt, Niendorf und Schnelsen Hamburger Stadtteile.
Am 6. November 1932 unterlagen die linken Parteien den rechten bereits bezüglich der Wählerstimmen: SPD 2.239, KPD 1.309, NSDAP 3.637, DNVP 1.297. Dies verstärkte sich noch bei der Wahl im März 1933: SPD 2.409, KPD 1.112, NSDAP 5.503, Kampfbund Schwarz-Weiß-Rot: 1.194. Damit lagen sie im Trend des Kreises Pinneberg, wo die NSDAP schon seit Mitte der 1920er Jahre in weiten Bevölkerungsteilen Sympathien genoss. Hinzu kam der Terror: Im Juli 1932 wurden von Nationalsozialisten in Elmshorn mehrere Bombenanschläge verübt, die sich gegen Verkaufsstätten der „Produktion“ richteten und gegen Lokale, in denen sich Anhänger von KPD und SPD trafen. Am 6. November 1932 gab es im Kreis Pinneberg die folgenden Stimm-Ergebnisse: SPD 16.284, KPD 9.377, NSDAP 31.326, DNVP 5.911. Im März 1933 hatten die linken Parteien nur relativ wenige Stimmen verloren, während die NSDAP kräftig dazugewann: SPD 15.904, KPD 8.308, NSDAP 38.508, Kampfbund Schwarz-Weiß-Rot 5.983.
Text von Ulrike Sparr, entnommen aus dem Buch vonUlrike Sparr und Björn Eggert: Stolpersteine in Hamburg. Biographische Spurensuche. Herausgegeben von der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und dem Institut für die Geschichte der deutschen Juden. Hamburg 2011.