Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Paul Riebesell

(9. Juni 1883 Hamburg - 16. März 1950 ebd.)
Versicherungsmathematiker
Adresse: Erikastraße 122 (1933)
Wirkungsstätte: Hamburger Feuerkasse, Kurze Mühren 2 / Universität Hamburg, Mathematisches Seminar, Rothenbaumchaussee 21-23
Fuhlsbüttler Straße 756, Ohlsdorfer Friedhof, Grablage: 0 8, 69-88


Riebesell studierte Mathematik und Naturwissenschaften an den Universitäten in München und Kiel und beendete sein Studium mit der Promotion sowie dem Staatsexamen für das höhere Lehramt. Anschließend wurde er Gymnasiallehrer in Hamburg-St-Georg. Ab 1918 wurde er zweiter Direktor des Hamburger Jugendamtes und übernahm ein Jahr später nebenberuflich einen Lehrauftrag an der Universität Hamburg an. 1920 habilitierte er sich und wurde 1921 zum außerplanmäßigen Professor für Versicherungsmathematik und Statistik berufen. Hauptberuflich bestellte ihn der Hamburger Senat 1923 zum Direktor der Feuerkasse. Riebesell führte in seiner Amtszeit entscheidende Neuerungen ein, wie beispielsweise die Rückversicherung, die gleitende Neuwertversicherung und die Ausweitung des Versicherungsschutzes auf Sturm- und Hagelschäden. Nach der Machtübernahme des NS-Regimes trat Riebesell zum 1. Mai 1933 in die NSDAP ein und unterzeichnete im gleichen Jahr das „Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“. 1934 wurde Riebesell als Präsident des Reichsverbandes der öffentlich-rechtlichen Versicherung nach Berlin berufen. Auch hier übernahm er nebenberufliche Lehrtätigkeiten an der Universität. Als Honorarprofessor war er 1934 an der Technischen Hochschule und ab 1935 an der Universität Berlin tätig. Im Dezember 1937 musste sich Riebesell vor dem NSDAP Parteigericht verantworten, da einer seiner ehemaligen Studenten jüdischer Herkunft im Vorwort einer Veröffentlichung auf seine positiven Bewertungen durch Riebesell hinwies. Öffentlich wurde Riebesell angegriffen, so dass er von seinem Posten zurücktrat. 1938 übernahm er die Leitung der „Isar Lebensversicherungs-AG“ in München, hielt ab 1940 erneut Vorlesungen an der Universität und wurde 1942 Direktor der Bayerischen Rückversicherungs-AG. Nach Kriegsende 1945 wurde Riebesell durch die US-amerikanische Militärregierung inhaftiert, nach dem Entnazifizierungsverfahren im Juni 1946 dennoch als politisch entlastet eingestuft und aus der Haft entlassen.

Daraufhin wurde er erneut Präsident der Hamburger Feuerkasse. 1948 gründete er gemeinsam mit weiteren angewandt arbeitenden Mathematikern die Deutsche Gesellschaft für Versicherungsmathematik und wurde ihr erster Vorsitzender.

Text: Katharina Tenti