Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Franz Beckermann

(13.06.1903 Hohenwepel – 28.06.1976)
Arzt (Internist), Universitätsprofessor
Abendrothsweg 15 (Wohnadresse)
Beckermannweg (1981 benannt in Hamburg-Langenhorn)
Fuhlsbüttler Straße 756, Ohlsdorfer Friedhof, Grablage: BO 70, 13-14.


Franz Beckermann wurde am 13. Juni 1903 in Hohenwepel im Kreis Warburg als Sohn eines Lehrers geboren.[1] Von 1914 bis 1923 besuchte er Gymnasien in Warburg und Paderborn. Nach dem Medizinstudium in Münster, München, Wien und Berlin arbeitete er von 1929 bis Ende März 1935 bei der Städtischen Krankenanstalt Dortmund, bis Ende 1934 als Assistenzarzt und anschließend als Oberarzt. Am 1. April 1935 wurde Franz Beckermann als Oberarzt an der Medizinischen Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf (UKE) angestellt.[2] 1939 habilitierte sich Beckermann und lehrte als Dozent für Innere Medizin, nachdem ihm im Juli 1940 die Lehrbefugnis verliehen wurde.[3] Aufgrund einer Thrombose im Bein wurde er nicht zur Wehrmacht eingezogen.[4]

Beckermann trat im November 1933 in die SA ein, laut eigener Auskunft in der Entnazifizierung, da dies vom ärztlichen Direktor des Dortmunder Krankenhauses, einem SA-Führer, von ihm verlangt worden sei. Er blieb bis 1935 in der paramilitärischen Formation der Nationalsozialisten, wo er als Sturmbannarzt wirkte, und wurde offiziell aus Krankheitsgründen aus dieser entlassen.[5] Nachdem die Aufnahmesperre der NSDAP aufgehoben worden war und der Präsident der Kultur- und Schulbehörde um Beitrittsgesuche gebeten hatte, meldete sich im Mai 1937 auch Beckermann.[6]  Aufgenommen wurde er allerdings erst zum 1. Januar 1940, und in der NSDAP-Mitgliedskartei ist vermerkt, dass er die Aufnahme Ende November 1939 beantragt hatte – laut späterer eigener Aussage, da seine Dozentur seitens des Professors Georg Anschütz „vom Nachweis einer politischen Betätigung abhängig gemacht“ worden war.[7] Hendrik van den Bussche hat in einer Studie darauf hingewiesen, dass „fast der gesamte Lehrkörper der Medizin im Reich ab 1937 der NSDAP beitrat“ und – obwohl es weiterhin möglich war, ohne Parteibuch Professor zu werden – auch an der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg sieben von acht Berufenen seit 1939 NSDAP-Mitglieder waren.[8] Der Zeitpunkt seines Parteibeitritts spricht dafür, dass Beckermanns nachträgliche Rechtfertigung, die Dozentur nur als Parteimitglied erhalten zu haben, zutrifft oder er sich zumindest bessere Chancen versprach – wobei dies mit Blick auf die unterschiedlichen Angaben in den Quellen zum Zeitpunkt seines Beitrittsersuchens offen bleiben muss. Zwar wurde Beckermann lediglich als Privatdozent eingestellt, ob und inwieweit auf ihn Druck ausgeübt wurde, kann jedoch nicht zweifelsfrei geklärt werden. Beckermann wurde außerdem 1937 Mitglied der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) und 1940 Mitglied im Reichskolonialbund. Seit 1935 war er Mitglied im Reichslehrerbund.[9]

Laut Beckermanns eigener Angabe leitete er seit Mitte der 1930er Jahre die Diätschule des UKE.[10] Der offizielle Ärztliche Leiter der Schule war zwischen 1935 und 1960 allerdings Beckermanns unmittelbarer Vorgesetzter, Professor Hans Berg.[11] Den Erinnerungen der Krankenschwester Amelie Meyn zufolge leitete Beckermann die Krankenpflegeschule. Diese 1937/38 eingerichtete Einrichtung ging auf einen Vertrag zwischen dem UKE und der NSV zurück, mit der das Klinikum die Ausbildung der NSV-Schwestern übernahm. Damit verbunden war auch die Einführung weltanschaulicher Prüfungen vor dem Krankenpflegeexamen. Amelie Meyn erinnerte sich in den 1980er Jahren, dass Beckermann ihr Ende der 1930er Jahre während eines Examens zugeflüstert habe: „Wissen Sie, mir ist es ja lieber, wenn eine Schwester einen anständigen Einlauf machen kann, als wenn sie weiß, wann Hitler geboren ist.“[12]

Der Hamburger Anzeiger berichtete im November 1943 in einem Artikel über einen Vortrag Beckermanns „über das Menschenblut und seine Funktionen“. Hinweise auf nationalsozialistische Ideologieelemente lassen sich darin nicht finden.[13] Auch sonst lassen sich ihm politische Aktivitäten im Sinne des Nationalsozialismus nicht nachweisen.

Unmittelbar vor Kriegsende gehörte Beckermann einem aus Mitarbeitern der Medizinischen Fakultät zusammengesetzten „Ausschuß für die Übergangszeit“ an, der beanspruchte, die Fakultät zu entnazifizieren und kommissarisch deren Geschäfte zu leiten. Neben Beckermann waren im Ausschuss auch weitere NSDAP-Mitglieder vertreten.[14] Die Militärregierung sah im November 1945 allerdings keinen Grund, Beckermann seiner Stellung zu entheben.[15]  Dieser nahm in seinem Fragebogen 1946 für sich in Anspruch, „der NSDAP weltanschaulich und politisch fern“ gestanden zu haben und lediglich auf Druck der SA und der Partei beigetreten zu sein. Als Leiter der Diätschule Eppendorf habe er „jede weltanschauliche Ausbildung der Diätschülerinnen verhindert“ und sich an seiner katholischen Einstellung orientiert.[16]

Nach Kriegsende übernahm Beckermann die Leitung des Krankenhauses Heidberg im Hamburger Stadtteil Langenhorn, dessen Aufbau in einer ehemaligen Kaserne er betrieb. Ende der 1950er Jahre initiierte er u.a. die Einrichtung einer Dialysestation.[17] Zudem wirkte er als Vorsitzender der Norddeutschen Tuberkulose-Gesellschaft.[18]  1969 trat Beckermann mit 65 Jahren in den Ruhestand, übernahm 1971 allerdings noch einmal interimsmäßig für einige Monate die Leitung des Israelitischen Krankenhauses.[19] Im Juni 1976 starb er.[20]

Text: David Templin