Heinrich Pette
(23. November 1887 Eickel/ Westfalen – 2. Oktober 1964 Meran)
Neurologe
Adresse: Hochallee 102 (1933), Rothenbaumchaussee 136 (ab 1935)
Wirkungsstätte: Uni. Nervenklinik Eppendorfer Krankenhaus, Martinistraße 52
Ole Boomgaarden 2, bestatte auf dem Waldfriedhof Hamburg-Wohldorf/Ohlstedt
Pette war ab 1927 als Oberarzt und außerplanmäßiger Professor an der Neurologischen Universitätsklinik unter dem Klinikleiter Max Nonne in Hamburg beschäftigt. Im Mai 1933 trat er der NSDAP sowie NS-Berufsorganisationen, dem NS-Ärzte-, NS-Lehrer- und NS-Dozentenbund bei. Im November 1933 unterschrieb er das „Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“. Im Juli 1934 wurde er Nachfolger von Nonne als Direktor der Klinik und übernahm auch dessen Lehrstuhl. In seiner Forschung betonte Pette, das durch die Einbindung der Erbbiologie in der Neurologie neue Kenntnisse zu erwarten seien. In seiner Antrittsvorlesung 1935 äußert er sich wie folgt: „[…] Zu den vordringlichsten Aufgaben einer neurologischen Klinik gehört deswegen die weitere Ausgestaltung einer auf Auslese gerichteten sozialen Hygiene.[…]“ (zitiert nach Bussche: Die Hamburger Universitätsmedizin im Nationalsozialismus, Berlin / Hamburg 2014, S. 239.) Allerdings schien Pette selbst in seinen Publikationen Bezüge zur Erbbiologie zu meiden. Ende 1937 wurde er als Beisitzer ins „Erbgesundheitsgericht“ berufen, was er aus persönlichen Gründen ablehnte. Gutachten für das „Erbgesundheitsgericht“ musste er dennoch erstellen und diagnostizierte in mindestens 15 Fällen Erbepilepsie, was vermutlich jeweils zur Sterilisation geführt hat. 1941 wurde Pette zum stellvertretenden Vorsitzenden der Gesellschaft Deutscher Neurologen und Psychiater ernannt.
Nach Kriegsende wurde Pette aufgrund seiner frühen Mitgliedschaft in der NSDAP von der britischen Militärregierung von seinem Posten entlassen. In seinen persönlichen Stellungnahmen im Entnazifizierungsverfahren äußerte er sich widersprüchlich. Einerseits wollte er derjenige gewesen sein, der die NS-Euthanasie 1941 in auf Reichsgebiet zum Stoppen gebracht hatte, andererseits wollte er von allem nichts gewusst gehabt haben. „Wie man heftig und erfolgreich Widerstand gegen etwas leisten kann, von dem man nichts weiß, wird wohl immer das Geheimnis des Herrn Pette bleiben. Belastbare Dokumente konnte er in keiner diese Angelegenheiten und zu keinem Zeitpunkt vorbringen. Stattdessen benannte er eine lange Reihe von Zeugen, die aber als Mit- oder Haupttäter, Gutachter, Unterstützer oder Nutznießer […] schwer belastet waren […].“ (Bussche: Die Hamburger Universitätsmedizin im Nationalsozialismus, Berlin / Hamburg 2014, S.245.)
Im Jahr 1947 kehrte Pette auf seinen Lehrstuhl in Hamburg zurück. 1953 wurde er Vorsitzender der Gesellschaft Deutscher Neurologen und Psychiater. Fünf Jahre später erfolgte seine Emeritierung. Zu seinem Tod im Jahr 1964 wurde das als Stiftung zur Erforschung der spinalen Kinderlähmung 1948 in Hamburg gegründete Institut in „Heinrich-Pette-Institut für Experimentelle Virologie und Immunologie an der Universität Hamburg" unbenannt.
Im Frühjahr 2021 entschied das Institut, seinen Namen bis Ende 2022 abzulegen, weil Heinrich Pette als Gutachter an den sogenannten Erbgesundheitsverfahren der Nationalsozialisten mitgewirkt und sich in dieser Funktion in mindestens sieben Fällen für die Sterilisierung von Menschen ausgesprochen hatte.
Text: Katharina Tenti