Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Kurt Hengst KG, Feinkost-Fabrik und Getränke-Industrie

Lager für Zwangsarbeiter*innen
Otto-Blöcker-Straße 72 (heute Falkenried)


In dem Lager waren auch Kinder untergebracht.

Luschi Boiko kam am 9.5.1944 in Hamburg zur Welt. Ihre Mutter Olga Boiko, geb. am 10.5.1925 in Sawin/Cholm, war griechisch-orthodoxen Glaubens und ledig. Aus ihrer Heimat Ukraine verschleppt, musste sie als „Fabrikarbeiterin“ zunächst in Hamburg-Barmbek für Heidenreich & Harbeck am Wiesendamm Zwangsarbeit leisten, später für die New-York Hamburger Gummi-Waaren Companie. Olga Boiko war im „Gemeinschaftslager“ Maurienstraße 19 untergebracht. Anschließend kam sie nach Hamburg-Eppendorf in das Lager Methfesselstraße 88 (richtig Nr. 81, Lager der Ingenieurbaugesellschaft Christiani & Nielsen mbH). Danach erfolgte die Verlegung in das Lager Otto-Blöcker-Straße 72 (heute Falkenried) zum Zwangsarbeitseinsatz für die Kurt Hengst KG, Feinkost und Getränke. In dieser Zeit war sie schwanger.

Am Tag der Geburt ihres Kindes wurde sie im Universitätskrankenhaus Eppendorf aufgenommen. Olga Boiko brachte in einer Spontangeburt am 9. Mai 1944 um 20:45 Uhr ein „unreifes“ Mädchen, 44 cm groß und 2050 Gramm schwer, zur Welt. Das achttägige Wochenbett verlief fieberfrei ohne Befund. Im Geburtsbuch ist notiert: „Kind verlegt Pav. 56“ (Pavillon 56, Abteilung Kinder).

Acht Tage nach der Entbindung wurde Olga Boiko am 17. Mai 1944 ohne ihre Tochter Luschi aus dem Krankenhaus in das Lager Otto-Blöcker Straße 72 entlassen. Am selben Tag verstarb Luschi im Krankenhaus, Pavillon 56 a, Abteilung Kinder, um 19:35 Uhr. In der Todesanzeige des Krankenhauses ist als Todesursache „Kreislaufschwäche“, „Frühgeburt“, „Pemphigoid“ (blasenbildende Hauterkrankung), „Bronchopneumonie“ (Lungenentzündung) und als unterzeichnender Arzt Hasselkuss* angegeben.

Luschis Leiche wurde zwei Tage später zur Sektion freigegeben. Dass eine Einverständniserklärung der Mutter dazu vorlag, darf bezweifelt werden.

Text: Margot Löhr