Kartonagenfabrik Max Armbruster & Co. GmbH
Firmenlager für ZwangsarbeiterInnen
Weidenbaumsweg 19
Bewachtes Lager in einer Baracke und innerhalb des Betriebsgebäudes, 140 ZwangsarbeiterInnen. Das Lager bestand von April 1944 bis April 1945.
Firmeneigentümer war die Bremer Fruchthandelsgesellschaft Scipio, Geschäftsführer Kurt Nitzsche. Zunächst wurden u.a. Trommeln für Käselaibe und Kartonverpackungen für Granaten hergestellt, dann unter strenger Geheimhaltung für die Rüstungsindustrie Abbrennhülsen für die V2-Rakete.
Etwa 140 Russinnen wurden im 3. Stockwerk des Fabrikgebäudes und in einer auf dem Betriebsgelände erbauten 250 qm großen Baracke untergebracht. Das Lager stand unter Bewachung.
Lagerführerin für die genannten Frauen war Henny Jacobsen, Bergedorf; Lagerhelferin: Elsbeth Lideka, Bergedorf
22 Kinder aus dem Lager kamen in der Frauenklinik Finkenau, Hamburg-Uhlenhorst, zur Welt.
2 Schwangerschaftsunterbrechungen wurden bei Zwangsarbeiterinnen aus dem Lager Weidenbaumsweg in der Frauenklinik Finkenau vorgenommen.
2 Kinder verstarben im Lager Weidenbaumsweg.
Ehemalige Zwangsarbeiterinnen aus der Ukraine beschrieben in ihren Briefen an Panja Makrij auch die Lagerleiterin, wie 2012 die Bergedorfer Zeitung berichtete: Frau Huhn, die Lagerführerin des Lagers Weidenbaumsweg 19, galt als eine sehr brutale und hart bestrafende Lagerleiterin, die streng kontrolliert und jedes Vergehen geahndet habe. Wenn die Frauen von der Arbeit im Gemüsekeller in das Lager zurückkehrten, hätten sie den Mund öffnen müssen. Wer verbotenerweise Möhren gegessen hatte und mit gelber Zunge entdeckt wurde, habe kein Essen bekommen.
Als sich ein Mädchen einmal mit einem Kriegsgefangenen unterhalten habe, sei sie danach dermaßen geschlagen worden, dass sie hinterher kaum noch habe kriechen können. Sechs Mädchen – so der Zeitungsartikel – erfuhren wegen eines solchen Vergehens von Frau Huhn eine besonders harte Folterstrafe: Sie mussten im Keller, jeweils isoliert in einem Raum, in dem man nur stehen konnte, am Tag mit den Füßen im kalten Wasser ausharren. Die Nacht mussten sie eine Woche lang zusammen auf einer Bank verbringen.
Aleksandra (Alexandra) Wassiljewna Palwinskaja, die als Kind einer Zwangsarbeiterin überlebte, erzählte Schülerinnen und Schülern der Altonaer Max-Brauer-Schule 2007 über die äußerst schwierigen Bedingungen damals. Nach Recherchen der Autorin müssen sich die Ereignisse im Lager Weidenbaumsweg 19 abgespielt haben. Ihre Mutter Nina Solowjewa, geb. am 27.7.1916 in Sirotino/Russland, ledig, orthodoxen Glaubens, musste nach Verschleppung aus ihrer Heimat zunächst in Hamburg-Bahrenfeld für die C. Plath Fabrik, nautische Instrumente, Zwangsarbeit leisten. Sie war in der Bahrenfelderstraße 139 untergebracht und in dieser Zeit schwanger. Bereits 6 Tage vor ihrer Niederkunft kam sie in die Universitätsklinik Eppendorf. Nach der Entbindung ihrer kleinen Tochter Alexandra am 23. Juli 1944 und einem anschließenden „normalen Wochenbett“ von 9 Tagen in der Universitätsklinik Eppendorf, und dem Vermerk im Geburtenbuch „Kind gedeiht“, kehrte sie mit ihrer Tochter zunächst zurück zu Plath in die Bahrenfelderstraße. Anschließend wurde sie nach Bergedorf verlegt, dreieinhalb Wochen später dann im Lager Weidenbaumsweg 19 in der Ausländermeldekartei registriert.
Wie abhängig das Überleben eines Kindes im Einzelfall von den Gegebenheiten im Lager und dem Einsatz der Bezugspersonen war, wird auch in diesem Fall deutlich: „Die Ernährung sah so aus: Es gab [gekochte] Steckrüben zu essen. […] Und meine Mutter erzählte: [Die deutsche] Frau gab mir bzw. meiner Mutter immer zwei solche Portionen, eine [für] mich als Kind. Später, als ich dann größer wurde, das erzählte meine Mutter, stampfte man für mich die Steckrüben und wickelte sie in Mullfetzen oder vielleicht in einen Strumpf. Man band es zu, damit ich mich nicht verschlucke, das andere Ende band sich die Mutter irgendwo fest. Meine Mutter arbeitete, während ich saß und an dieser Steckrübe lutschte und alles aufaß, es blieb nur der Mull übrig…“ Und Aleksandra Wassiljewna Palwinskaja überlebte.
Für das nahegelegene Lager der Bergedorfer Stuhlrohrfabrik im Weidenbaumsweg 33 sind in der Krankenhausliste der Frauenklinik Finkenau
1 Geburt und
1 Schwangerschaftsunterbrechung
verzeichnet.
Text: Margot Löhr