Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Carl Bulcke

(29.4.1875 Königsberg – 24.2.1936 Berlin)
Schriftsteller, Staatsanwalt
Bulckestraße (1949 benannt)


Carl Bulcke wurde 1875 im ostpreußischen Königsberg geboren.[1] An den Universitäten Freiburg, Berlin und Kiel studierte er Jura. Um 1900 war Bulcke als Referendar u.a. am Amtsgericht in Altona tätig. In den frühen 1910er Jahren arbeitete er in Nordhausen und Essen als Staatsanwalt. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert verfasste Bulcke Gedichte, Novellen und Romane, darunter „Balzereit“ bzw. „Ein Mensch namens Balzereit“ (1917), „Und so verbringst du deine kurzen Tage“ (1930) und „Tapferer Cassio“ (1934).[2] 1911 trat Bulcke dem zwei Jahre zuvor gegründeten Schutzverband deutscher Schriftsteller bei. Seit 1920 arbeitete er im Vorstand des Verbandes mit und amtierte 1922/23 auch als dessen Vorsitzender.[3]

Nach Ende des Ersten Weltkrieges zog Bulcke nach Berlin und wurde 1920 Leiter der Film-Oberprüfstelle und damit der Filmzensur. In dieser Funktion urteilte er über als „Kolportage“- und „Schundfilme“ deklarierte Produktionen. 1921 wurde er zum Oberregierungsrat ernannt.[4] Im Juli 1921 erlaubte er den Film „Das Judenmädel von Sosnowice“, der zuvor mit Verweis auf Antisemitismus verboten worden war. In der von Bulcke unterzeichneten Begründung hieß es, zwar sei „eine antisemitische Tendenz“ des Films zu erkennen, aber ebenso ein „soziales Mitleid“ gegenüber osteuropäischen Juden. Die Provokation antisemitischer Kundgebungen sei nicht zu erwarten, da der Film „nicht etwa deutsche Juden und etwaige Charaktermängel deutscher Juden [zeige] […] sondern […] die Verderbtheit der russisch-polnischen Juden“.[5] Daniel Wild hat in seiner Studie zur Filmzensur in der Weimarer Republik betont, dass Bulckes Entscheidung zwar als zynischer Versuch der Zulassung eines antisemitischen Films gewertet werden könne, gleichzeitig aber darauf aufmerksam gemacht, dass Bulcke in anderen Fällen sehr darauf bedacht war, Filme mit antisemitischem Inhalt zu verbieten, und prorepublikanisch argumentierte.[6] So verbot er Anfang der 1920er Jahre zwei antifranzösische und rassistische Propagandafilme, auch wenn er konzedierte, dass die „Entrüstung des deutschen Volkes über die schwarze Besatzung im Rheinlande […] als Gefühlsausdruck“ berechtigt sei.[7]

Als 1922 der Film „Nathan der Weise“ erscheinen sollte und eine nationalsozialistische Kampagne gegen diesen einsetzte, vor deren Hintergrund auch Gutachter der Münchener Filmprüfstelle für ein Verbot votierten, stellte sich Bulcke „geradezu demonstrativ hinter den Film“, wie Stefan Volk betont, und erklärte es zur Aufgabe der Polizei, gegen eine mögliche Störung der öffentlichen Ordnung durch antisemitische Proteste vorzugehen.[8] Im März 1924 wurde Bulcke auf dem Posten des Filmzensors abgelöst.[9]

Carl Bulcke wurde nicht Mitglied der NSDAP,[10] unterzeichnete jedoch das Ende Oktober 1933 reichsweit verbreitete „Gelöbnis treuester Gefolgschaft“, das 88 deutsche Schriftsteller auf eine Initiative der Deutschen Akademie der Dichtung (der gleichgeschalteten, vormaligen Preußischen Akademie der Künste) unterschrieben hatten. Mit dem Gelöbnis sollte der politische Kurs Adolf Hitlers bedingungslos unterstützt werden.[11] Jenseits dieses Aktes der öffentlichen Unterstützung des neuen Regimes konnten keine weiteren Hinweise zu Bulckes Haltung zum Nationalsozialismus oder zu etwaigen Mitgliedschaften in NS-Organisationen ausgemacht werden. Auch über seine letzten Lebensjahre ist wenig bekannt. 1934 veröffentlichte er einen letzten Roman, 1934/35 verbrachte er mehrere Ferienaufenthalte auf Helgoland. Entsprechende Tagebuchnotizen wurden 1940 posthum veröffentlicht.[12] Im Februar 1936 starb Bulcke schließlich im Alter von 60 Jahren in Berlin – wie in der Presse berichtet wurde, „nach langem, schwerem Leiden“.[13]

Im Februar 1949 wurde eine Straße in Blankenese nach Carl Bulcke benannt, der nach 1900 einige Jahre dort gelebt hatte.[14] 1953/54 druckte das Hamburger Abendblatt mehrere seiner Kurzgeschichten ab.[15] Ende 2014 stellte der Förderkreis Historisches Blankenese die Forderung auf, die Bulckestraße umzubenennen und als alternative Namensgeberin die wohltätig wirkende Friederike Klünder (1776-1848) zu wählen. Begründet wurde der Umbenennungswunsch u.a. mit Verweis auf die Unterzeichnung des Treuegelöbnisses durch Bulcke.[16]

Text: David Templin