Martin Weiß
(3.6.1905 Weiden/Oberpfalz - 29.5.1946 Hinrichtung in Landsberg/Lech)
Elektrotechniker; Kommandant KZ Neuengamme 1940–1942
Wirkungsstätte: KZ Neuengamme (heute: KZ Gedenkstätte, Jean-Dolidier-Weg 75)
Im „Offenen Archiv der KZ Gedenkstätte Neuengamme“ heißt es: „Geboren am 3. Juni 1905 in Weiden/Oberpfalz, schloss Martin Weiß 1924 die staatliche Maschinenbauschule in Landshut ab. 1923 hatte er sechs Monate als Zeitfreiwilliger in der Reichswehr gedient und war dem ‚Verein national gesinnter Soldaten‘, einem Verband politisch rechts orientierter ehemaliger Soldaten und Freikorpskämpfer, beigetreten. 1924 wechselte er zum ‚Völkisch-Sozialen Block‘ und zum ‚Bund Reichskriegsflagge‘ und trat 1925 auch dem ‚Treubund Schlageter‘ bei. Seit dem 1. August 1926 Mitglied der NSDAP, gründete Weiß in Weiden die SA und die HJ mit. Er beendete 1930 das Studium der Elektrotechnik im thüringischen Bad Frankenhausen. Als Arbeitsloser im März 1932 zurück in Weiden, trat Weiß am 1. April in die SS ein und gründete den ersten SS-Sturm in seiner Heimatstadt. Zu den dortigen Gründungsmitgliedern zählte auch Richard Baer, sein späterer Adjutant im KZ Neuengamme. Die Mitglieder formierten sich als ‚Rednerschutz‘ in den Dörfern und meldeten sich am 10. März 1933 als ‚Hilfspolizisten‘.
Am 11. April 1933 kam Martin Weiß als Wachmann zu den Wachmannschaften im KZ Dachau. 1934 heiratete er Maria S. aus Weiden. Die Ehe wurde im November 1941 geschieden. Ostern 1943 heiratete er die 21-jährige Lisa A. Der erste Sohn wurde im Februar 1945, der zweite im Januar 1946 geboren. Die Familie lebte bis Kriegsende in der Dachauer SS-Siedlung. Martin Weiß übernahm am 20. April 1936 die Funktion des Lageringenieurs in Dachau, am 12. September 1937 wurde er zum SS-Obersturmführer befördert und Adjutant des Kommandanten, SS-Standartenführer Hans Loritz (seit 1. April 1936 im Amt). Nach dem Tod des Kommandanten des KZ Neuengamme, Walter Eisfeld, wurde Weiß am 15. April 1940 dessen Nachfolger. Er lebte im SS-Lager. Die Zahl der Häftlinge in Neuengamme stieg während des Jahres 1940 deutlich: von 100 im Januar auf 2900 im Dezember. 430 Häftlinge starben, während Martin Weiß Kommandant war. Berichte von Überlebenden zeichnen Weiß im Vergleich zu seinem Nachfolger Max Pauly eher positiv, unter seiner Führung seien weniger Gewaltexzesse vorgekommen als später. 1942 setzte Weiß entgegen der Dienstvorschrift nicht den Schutzhaftlagerführer, sondern seinen Adjutanten Richard Baer als seinen Stellvertreter ein. Diesem überließ er die Regelung der Verhältnisse im Schutzhaftlager. So erklärt sich wahrscheinlich das positive Bild von Weiß bei den Häftlingen, die sämtliche Brutalitäten Baer zuschrieben. Im Frühjahr 1942 übernahm der inzwischen zum SS-Sturmbannführer beförderte Martin Weiß neben der Leitung des KZ Neuengamme auch den Aufbau des KZ Arbeitsdorf in Fallersleben beim Volkswagenwerk, ein Pilotprojekt für die Rüstungsproduktion. Mit Wirkung vom 1. September 1942 wurde Weiß als Kommandant ins KZ Dachau versetzt. Am 1. November 1943 kam er als Kommmandant ins KZ Lublin-Majdanek. Am 3./4. November wurde hier die ‚Aktion Erntefest‘ durchgeführt, eine Massenerschießung der SS, bei der zwischen 40 000 und 43 000 Jüdinnen und Juden ermordet wurden. Das KZ Lublin-Majdanek wurde im Frühjahr 1944 vor den heranrückenden sowjetischen Truppen geräumt. Weiß wurde am 5. Mai 1944 Amtschef in der Amtsgruppe D (Inspektion der Konzentrationslager) des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamtes und war ab Herbst als Sonderbeauftragter für Verlagerungsprojekte, 1945 auch für die Auflösung der Konzentrationslager, zuständig.
Weiß wurde am 15. November 1945 im US-amerikanischen Militärgerichtsprozess wegen der Verbrechen im KZ Dachau angeklagt. Nachdem sich einige Überlebende positiv über Weiß als Kommandanten geäußert hatten, kam das Gericht zu der Überzeugung, Weiß sei ‚unzweifelhaft der beste Kommandant [gewesen], der jemals in Dachau Dienst tat‘. Auch Aussagen ehemaliger Häftlinge des KZ Neuengamme zum Kommandanten Martin Weiß sind in Teilen positiv, Weiß trat den Häftlingen gegenüber nicht unkontrolliert und offen gewalttätig auf. Tatsächlich konnte er jedoch zum Zeitpunkt seiner Verurteilung auf eine konsequent verfolgte Karriere im NS-System mit exponierten Funktionen zurück- blicken. Martin Weiß wurde wegen Verbrechen im KZ Dachau am 13. Dezember 1945 zum Tode verurteilt und am 29. Mai 1946 in Landsberg hingerichtet.“[1]
Dokumente und Materialien über Martin Weiß, unter: http://media.offenes-archiv.de/ss2_1_2_bio_1972.pdf