Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Hans Göbbels

Arzt
Hartwikusstraße 19, 1. Stock (Wohnadresse)
Speersort 4, 2. Stock (Praxis)


Der Hamburger Arzt Hans Göbbels strengte eine Zivilklage gegen Milius Hochfeld an wegen Betrugs.
Für Milius Hochfeld, geboren am 2. Juli 1877, gestorben am 26. Mai 1945 an den Folgen der KZ-Haft, liegt vor seiner ehemaligen Wohnung am Axel-Springer-Platz Ecke Amelungstraße (damalige Adresse: Fuhlentwiete 14, 2. Stock) ein Stolperstein.
Am 2. Juni 1940 erstattete Dr. Göbbels Strafanzeige gegen Milius Hochfeld}} wegen Betruges und begründete dies wie folgt: {{nolink: „Hochfeld wurde von mir ärztlich behandelt. Er unterdrückte dabei die Tatsache, dass er Jude ist, vielleicht aus der Befürchtung heraus, dass ich aus diesem Grunde seine Behandlung ablehnen würde. Er führte sich mit einer Empfehlung meines Kollegen Dr. Roggenkämper ein, der ihm, wie fernmündliche spätere Rückfrage ergab, eine solche nie gegeben hatte. Die Tatsache, dass H. Jude ist ergab sich erst nach Abschluss meiner Behandlung dadurch, dass H. auf meinen Vorschlag der Krankenhauseinweisung hin, die Überweisung an das Jüdische Krankenhaus erbat und auf Rückfrage zugeben musste, dass er Jude ist. Die Verpflichtung, den Vornamen 'Israel' zu führen, hat er mir gegenüber unterlassen. Dass dies nicht rein fahrlässig geschah, ergibt sich aus der Tatsache, dass er auch sein späteres Offenbarungseid-Protokoll nur mit dem Vornamen 'Milius' unterschrieb. Er erregte ferner den Irrtum, dass er wohlsituierter Vertreter grösserer Möbelfirmen sei und unterstützte diesen Irrtum fortlaufend durch sein ganzes Gehaben und Auftreten und insbesondere durch die außerordentlichen Ansprüche, die selbst im Rahmen einer guten Privatpraxis auffielen. Entgegen seinem ganzen Verhalten stellte sich bei der späteren Einklagung meiner Honorarforderungen heraus, dass H. vollständig vermögenslos ist und er ihn etwa verbliebene Werte auf seine Frau überschrieben hatte. Da ich seit längerer Zeit im Heeresdienst stehe, die Anzeige also insbesondere aus grundsätzlichen Erwägungen erstatte, bitte ich, da ich nicht in Hamburg eingesetzt bin, erforderliche Unterlagen (…), Offenbarungseid-Protokoll pp) direkt bei meinem Rechtsanwalt, der die Zivilklage durchgeführt hat, Herrn Dr. jur. Günther Pieper, Hamburg, Mönckebergstraße 7, anzufordern, der über die Herausgabe von mir verständigt ist. Heil Hitler“ [1]
Einige Monate zuvor hatte Dr. Göbbels am 19. März 1940 gegen Milius Hochfeld}} ein Offenbarungseidverfahren angestrengt, da Milius {{nolink: Hochfeld}} die Arztrechnung nicht bezahlt hatte. {{nolink: Hochfeld musste 50 Reichsmark Strafe zahlen oder eine Gefängnisstrafe von zehn Tagen abzuleisten, weil, so heißt es im Strafbefehl, „Sie (…) als Jude deutscher Staatsangehörigkeit bei Angabe Ihres Vermögensverzeichnisses im Offenbarungseidverfahren am 19.3.40 nicht unaufgefordert auf Ihre Eigenschaft als Jude hingewiesen, sowie Kennwort und Kennnummer Ihrer Kennkarte angegeben haben.“ [2]
Milius Hochfeld}} wurde in Höxter geboren, wo er das Gymnasium besuchte. 1904 ging er seine erste Ehe ein. Mit seiner ersten Frau Mathilde Heinemann bekam er drei Kinder. 1919 wurde die Ehe wegen „gegenseitiger Abneigung“ geschieden. 1926 heiratete Milius {{nolink: Hochfeld eine - wie es im Nazijargon hieß – arische Frau namens Mathilde Erna Stahl. Das Paar bekam zwei Kinder.
Bis 1924 betrieb Milius Hochfeld eine Möbelfabrik mit ca. 60 Angestellten in Hamburg Vossmannstraße 6-8. 1923 spendete er 10.000 (Inflations-)Mark für die Bedürftigen in Höxter. Bedingt durch die Inflation musste das Unternehmen Konkurs anmelden.
Milius Hochfeld}} übernahm dann bis 1926 Vertretungen in der Möbelbranche. Nach seiner Heirat mit Mathilde Erna Stahl eröffnete er auf den Namen seiner Frau eine Möbeltischlerei im Schulweg 30 und beschäftigte 4 Personen, Doch bereits nach einem Jahr musste er sein Geschäft aufgeben, weil es sich finanziell nicht lohnte. Nun versuchte Mathilde Erna {{nolink: Hochfeld}} als Vertreterin in der Möbelbranche der Familie ein finanzielles Auskommen zu geben. Milius {{nolink: Hochfeld unterstützte sie dabei, reiste mit ihr und schloss auch Verträge mit Händlern ab. 1938 erkrankte er an einer Hautkrankheit und musste sich deshalb in ärztliche Behandlung geben. Er konsultierte den  Arzt Dr. med. Hans Göbbels.
Milius Hochfeld äußerte sich in seiner schriftlichen Stellungnahme als des Betruges Beschuldigten: „Zu Anfang meiner Krankheit habe ich mir eine Salbe von einer Apotheke geholt und da ich keine Besserung sah, habe ich im Januar 1939 den Arzt Dr. med. Göbbels in seiner Praxis, Speersort aufgesucht und war ich etwa 14 Tage – 3 Wochen in seiner Behandlung. Mir wurden Tropfen verschrieben und hat sich meine Krankheit verschlimmert. Meine Augen schwollen ganz zu und war ich vollkommen blind. Ich nehme an, dass die Verschlimmerung meiner Krankheit durch die Tropfen, die mir Dr. Göbbels verschrieben hat, entstanden ist. (…) Da ich nicht mehr sehen konnte, hat meine Ehefrau mit dem Arzt telefoniert und verschrieb er mir ein Pulver und konnte ich nach diesem wieder etwas sehen. Da ich nicht alleine auf der Strasse gehen konnte, ist meine Frau mit mir zu Dr. Göbbels gegangen und habe ich ihn gebeten, er möge mich ins Krankenhaus schreiben. Ich wurde gefragt in welchem und sagte ich, ins Israelitische. Ohne überhaupt mich nach meiner Rassezugehörigkeit zu fragen, hat er mich dann ins israelitische Krankenhaus geschrieben. Die Angaben des Anzeigenden, Dr. Göbbels sind mir vorgehalten und erkläre ich hierzu folgendes: Als ich den Anzeigenden in der ersten Sprechstunde aufsuchte, fragte er nach meinem Leiden und Beruf. Ich gab mich als Möbelvertreter aus. Ich habe nicht gesagt, dass ich von Dr. Roggenkämper geschickt sei. Die Sache ist folgendermassen. Dr. Roggenkämper hatte ich bei meinen beiden Kindern, die Masernverdächtig waren. Ich habe gelegentlich ihm meine Leiden erzählt und meinte er, ich solle mal zu einem hömopathischen Arzt gehen und nannte Dr. Göbbels. Mir war nicht bekannt, dass ich einer Privatperson gegenüber meinen jüdischen Zusatznahmen angeben muss. Wohl ist mir bekannt, dass ich Behörden gegenüber dieses angeben muss. Ein Monat nach Beendigung meiner Behandlung bei Dr. Göbbels habe ich eine Rechnung in Höhe von 46 RM durch die Post erhalten. Diese habe ich nicht bezahlen können, da ich nichts verdiente, auch keiner Krankenkasse angehörte. Im Krankenhaus habe ich auf Lasten des Wohlfahrtsamtes gelegen und habe ich schon einen Anfang gemacht, diese Schuld in Höhe von etwa 130 RM abzutragen. Die erste Rate habe ich im April in Höhe von 10-RM bezahlt. (…) Ich gebe zu, dass ich ein wenig gleichgültig gehandelt habe. Ich hätte dem Arzt Nachricht geben lassen sollen, dass ich z. Zt. nicht in der Lage bin, die Rechnung zu begleichen. Meine Krankheit ist eine derartige, dass ich Tag und Nacht keine Ruhe habe. Dieses kann Dr. F. Zimmern, der mich jetzt behandelt, bezeugen. Ich bin vor einem halben Jahr von Dr. Göbbels zu einem Offenbarungseide getrieben worden und  bin ich ohne jegliche Werte. Meine Frau hat ihren Hausstand und ernährt mich auch. Ich bin gewillt, dem Arzt sein Geld zu geben, sowie ich dazu in der Lage bin. Meine Ehefrau wird versuchen, die Schuld vielleicht im nächsten Jahre bezahlen zu können. Ich bin, wie schon erwähnt, immer noch in ärztlicher Behandlung und kostet meine Krankheit viel. Der Verdienst meiner Ehefrau ist auch augenblicklich nicht viel, sodass wir kaum das Notwendigste zum Leben haben. Eine Betrugsabsicht habe ich niemals gehabt. Ich habe mir im November 1938 von meinem vetter aus London 100 RM schicken lassen und wollte ich hierfür die Rechnung bezahlen. Es war aber nicht möglich, da ich das Geld für Medikamente verwandt habe.“ [3]
Zu Hochfelds Aussage erklärte Dr. Göbbels: „Nicht richtig ist die Angabe des H., er sei etwa 14 Tage bis 3 Wochen in meiner Behandlung gewesen. Richtig ist vielmehr, ausweislich meiner Honorakarte, dass H. vom 30.1.39 bis zum 8.2.39 in meiner Behandlung stand.
Nicht richtig ist die Angabe des H., es seinen ihm anfänglich nur Tropfen verschrieben worden. Richtig ist, ausweislich meiner Aufzeichnungen, dass H. neben den tropfen eine Salbe und ein Öl zur Behandlung seiner Erkrankung verordnet erhielt. (…)
Nicht richtig ist die Angabe des H., er habe nichts mehr sehen können. Richtig ist, dass H. an einer Schwellung der Augenlider litt, die jedoch das Sehvermögen als solches in keiner Weise beeinträchtigte. Die subjektiven Beschwerden wurden, darüber kann ich mir ein urteil auf Grund einer Reihe ähnlicher Fälle erlauben, von H. masslos übertrieben bzw. überwertet. (…)
Nicht richtig ist, dass ich H. anlässlich seines Wunsches ins israelitische Krankenhaus zu gehen, nicht nach seiner Rassenzugehörigkeit gefragt habe. Richtig ist vielmehr, dass ich ihn sehr erstaunt gefragt habe.‘Nanu, sind Sie denn Jude?‘ Ich fühlte mich zu dieser Frage aus zwei Gründen verpflichtet, nämlich 1. Da es mich erstaunte, dass sich zu mir ein Jude in Behandlung begeben hatte unter Verschweigung seiner Rassenzugehörigkeit, und 2. Weil mir eine Anordnung bekannt ist, dass nichtjüdische Patienten, auch bei ausgesprochenen Wunsch, nicht in das jüdische Krankenhaus überwiesen werden dürfen. (…) Auf meine ausdrückliche Frage nach seiner Rassenzugehörigkeit bejahte H,, er sei Jude. (…)
Nicht richtig ist, wenn H. irgendwie von seiner misslichen Vermögenslage Mitteilung gemacht haben will. Richtig ist vielmehr, dass er in seinem ganzen Auftreten den Eindruck eines anspruchsvollen und anspruchsberechtigten gutsituierten Patienten machte.
Wenn H. ausführt, er sei mir zum Offenbarungseid getrieben worden, so vergisst er auszuführen, dass er vorher mehrmals gemahnt wurde und längst Zeit gehabt hätte, den Umstand, er könne die Rechnung nicht bezahlen, zur Kenntnis zu bringen.
Richtig ist, dass H. in keiner Weise sich um die Klärung des Tatbestandes bemühte oder um Stundung ersuchte. Dasselbe gilt für seine Frau, die ebenfalls ihre Rechnung noch nicht bezahlte, obwohl sie nach den Angaben ihres Mannes über Mittel verfügt. An die Betrugsabsicht des H. muss ich, nach seinem ganzen Verhalten und Auftreten nach wie vor glauben. Hätte H. die Absicht gehabt, zu bezahlen, so hätte er längst den Weg zu mir gefunden. Er gibt ja selbst zu, dass er trotz seiner Vermögenslosigkeit die Mittel hat, die Kosten für seine Erkrankung laufend aufzubringen, (…).“ [4]
Milius Hochfeld wurde 1944 im KZ Neuengamme inhaftiert, d.h. nicht im Zusammenhang mit den Vorfällen um Dr. Göbbels. Das Schicksal seines Sohnes ist nicht unbekannt.