Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Karl Lau Dr. Karl Lau

(14.01.1895 – 20.09.1973)
Adresse: Reinbek, Buchtallee 15 (1939, 1947)
Wirkungsstätten: Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Sievekingplatz 1-3;
Gericht der Division z.b.V. 410, Kaserne Bundesstraße, Bundesstraße 54.


Karl Lau, am 14. Januar 1895 als Sohn eines Pastors in Weddingstedt (Dithmarschen) geboren, nahm als Soldat am Ersten Weltkrieg teil und war 1919/1920 Mitglied im Freikorps Brigade Löwenfeld in Kiel. Anschließend studierte er Rechtswissenschaften. Nach Beendigung des Jurastudiums wurde Karl Lau 1923 Staatsanwalt in Hamburg und 1926 Richter am Landgericht Hamburg. Im Mai 1933 trat er in die SA und die NSDAP ein. 1935 wechselte er als Hilfsrichter zum Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG), ab 1937 als Oberlandesgerichtsrat, an dem er sowohl im Zivil- als auch im Strafsenat tätig war. Dort war Lau auch in Verfahren wegen Vorbereitung zum Hochverrat gegen politische Gegner des NS-Regimes involviert. 1939 zog ihn die Wehrmacht ein, er nahm als Oberleutnant der Reserve am Polen- und am Frankreich-Feldzug teil und wurde 1940 wegen einer Knieverletzung zunächst aus der Wehrmacht entlassen. Im Herbst 1941 wurde Karl Lau auf eigenen Wunsch wieder zur Wehrmacht eingezogen – laut Nachkriegsbekundung deshalb, weil er nicht mehr am Strafsenat des OLG Richter sein wollte. Die Wehrmacht versetzte ihn nun als Hauptmann der Reserve zur Artillerie-Ersatzabteilung 30 nach Rendsburg, ab dem 10. April 1943 wurde er als Heeresrichter kraft Amtes beim Gericht der Division z.b.V. 410 in Hamburg eingesetzt. Dieses Gericht befand sich – neben anderen Hamburger Kriegsgerichten – in der Alten Kaserne an der Bundesstraße. Nach einem Monat der Tätigkeit an diesem Gericht sprach Karl Lau sein erstes Todesurteil gegen einen Deserteur, den Obergefreiten Franz Krohn. Krohn, geboren am 25. August 1919 in Engelbrechtsche Wildnis bei Glückstadt, hatte im Sommer 1942 an der Ostfront den Befehl erhalten, Versorgungsgüter einzutauschen. Da er den Auftrag nicht schnell genug ausführen konnte, blieb er zunächst länger als erlaubt seiner Truppe fern. Aus Angst vor einer Strafe fasste er dann den Entschluss, nicht mehr zurück zu kehren. Eine lange Odyssee führte Franz Krohn durch halb Europa, u.a. zu seiner Familie nach Glückstadt, nach Frankreich, ins Vogtland sowie zu einem – vergeblichen – Fluchtversuch ins besetzte Dänemark. Nach acht Monaten auf der Flucht wurde Franz Krohn schließlich von einer Wehrmachtstreife in Hamburg-St. Georg geschnappt, in das Wehrmacht-Untersuchungsgefängnis Hamburg-Altona überführt und wegen Fahnenflucht vor Gericht gestellt. In der Urteilsbegründung vom 14. Mai 1943 schrieb Karl Lau, das Verhalten des Angeklagten habe die härteste Verurteilung verdient. Das Todesurteil wurde allerdings nicht vollstreckt, da der zuständige Gerichtsherr, der damalige Befehlshaber des Ersatzheers, Generaloberst Friedrich Fromm, es in eine 15-jährige Zuchthausstrafe umwandelte. Dieses Strafmaß führte Krohn zunächst in das Straflager Börgermoor im Emsland und in das Wehrmachtgefängnis Torgau-Fort Zinna. Ab Herbst 1944 kam er in der „Bewährungstruppe 500“ zum Einsatz. Sein letztes Lebenszeichen stammt vom 10. April 1945; seitdem gilt er als vermisst.
Karl Lau wurde bald nach dem Beginn seiner Tätigkeit bei dem Hamburger Kriegsgericht zum Kriegsgerichtsrat der Reserve ernannt und bereits nach vier Monaten an das Gericht der Wehrmachtkommandantur Berlin versetzt, dem größten Wehrmachtgericht im Bereich des Ersatzheers. Auch von Laus Tätigkeit in Berlin ist ein Todesurteil überliefert, das gegen den Rechtsanwalt und Kriegsverwaltungsinspektor Dr. Herbert Falk erging. Falk hatte im Jahre 1941 geäußert, dass in Polen eine Kugel zu wenig geflogen sei, nämlich die, welche den „Führer“ hätte treffen sollen. Diese Bekundung wurde ihm vor Gericht als „Zersetzung der Wehrkraft“ ausgelegt. Im Oktober 1943 verurteilte Karl Lau als Verhandlungsleiter im Prozess gegen Herbert Falk diesen zum Tode. In der Urteilsbegründung gab Lau an, die Äußerungen ließen die Absicht des Angeklagten erkennen, „lähmend auf den Willen des deutschen Volkes zur wehrhaften Selbstbehauptung zu wirken“. Diese Tat sei daher „nur mit der Todesstrafe gerecht gesühnt“. Auch dieses Todesurteil wurde nicht vollstreckt, da es Herbert Falk und seinem Anwalt gelang, ein Wiederaufnahmeverfahren durchzusetzen. In jenem zweiten Verfahren wurde Herbert Falk in der gleichen Sache von einem anderen Richter zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.
Karl Lau kam im Juni 1945 nach Hamburg zurück und wurde von den Briten unter Beibehaltung seines Dienstrangs als Oberlandesgerichtsrat als Mitglied des Gesetzgebungsausschusses für die Justizgesetze delegiert. Als Richter wurde er zunächst jedoch nicht eingesetzt. Im Dezember 1947 wurde Lau in einem Entnazifizierungsverfahren vom Ausschuss „Justiz“ für die Ausschaltung von Nationalsozialisten in die Kategorie IV eingestuft, d.h. als „Mitläufer“. Von diesem Moment an durfte er nur noch als Amtsgerichtrat tätig sein und wurde auch entsprechend bezahlt. Die Gründe für seine Nichtzulassung als Oberlandesgerichtsrat waren seine Tätigkeit im politischen Senat des Hanseatischen OLG während der NS-Zeit sowie seine Tätigkeit am Wehrmachtkommandanturgericht in Berlin, das damals zu Recht beim Ausschuss „Justiz“ als „politisches“ Gericht galt. Seit dieser Zeit versuchte allerdings Karl Lau, wieder in seine alte Position als Oberlandesgerichtsrat zurück zu kehren, was ihm 1951 gelang.
Doch später hatten die wehrmachtgerichtlichen Todesurteile doch noch Folgen für die Karriere Laus. 1958 wandte sich Herbert Falk, der den Rest des Krieges in einem Berliner Gefängnis verbracht hatte, an die Hamburger Justizverwaltung, weil er erfahren hatte, dass der Richter, der ihn 1943 zum Tode verurteilt hatte, nun wieder als Oberlandesgerichtsrat am Hanseatischen OLG in Hamburg tätig war. Kurz darauf leitete der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg ein förmliches Disziplinarverfahren gegen Karl Lau wegen Verletzung seiner Richterpflichten in dem Verfahren gegen Herbert Falk ein. Das Urteil hatte sich nämlich im Wesentlichen auf die Aussagen der damaligen Ehefrau Falks gestützt, ohne dass diese auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht hingewiesen worden wäre. Aufgrund von Ermittlungen gegen einen weiteren Richter in einem anderen Fall zog dieses Verfahren ab 1959 auch ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin gegen Lau wegen Rechtsbeugung und versuchten Totschlags nach sich. Alle Verfahren wurden aber letztlich eingestellt. Doch während des noch schwebenden Verfahrens wegen Rechtsbeugung gegen Karl Lau gab der 67-Jährige im Jahr 1962 dem Druck der Hamburger Senatskommission für die Justizverwaltung nach, auf sein Richteramt zu verzichten und nach § 116 des Deutschen Richtergesetzes mit vollen Bezügen in Pension zu gehen. Möglich wurde dies, weil zumindest einige Justizverwaltungen in der Bundesrepublik erkannt hatten, dass immer noch zahlreiche ehemalige NS-Richter in der bundesdeutschen Justiz tätig waren. Die Schaffung des § 116 des Richtergesetzes sollte es belasteten NS-Richtern und –Staatsanwälten ermöglichen, bei vollen Bezügen aus dem Dienst auszuscheiden. Allerdings konnten sie nicht gezwungen werden, sondern sie mussten den Rückzug von sich aus beantragen. Daher machten nur sehr wenige Richter von der Regelung Gebrauch; in Hamburg waren es nur dreizehn, wovon zwei in der NS-Zeit Wehrmachtrichter gewesen waren. Einer davon war Karl Lau. Zahlreiche andere ehemalige Wehrmachtrichter verblieben jedoch im Hamburger Justizdienst. Karl Lau starb am 20. September 1973 in Reinbek bei Hamburg.
Text: Dr. Claudia Bade