Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Pascual Jordan

(18.10.1902 Hannover – 31.7.1980 Hamburg)
Physiker
Fuhlsbüttler Straße 756, bestattet auf dem Ohlsdorfer Friedhof, Prominentenliste, Grab: E 9, 259-260


Arbeitete an der Entwicklung der Quantenmechanik mit. Ab 1929 außerordentlicher Professor an der Universität Rostock, 1935 Berufung auf den Lehrstuhl für Theoretische Physik.

Jordan wurde 1933 Mitglied der NSDAP und der SA. Er diente sich willentlich dem NS-Regime an.

Rainer Scharf schreibt am 12.11.2003 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über Jordan: „Im Zusammenhang mit seinen Überlegungen zur Biologie trat die Weltanschauung Jordans, (…) besonders deutlich zutage. Beyler wies darauf hin, daß Jordan die lebende Zelle mit ihrem Kontrollzentrum als Metapher für den nationalsozialistischen Staat mit seinem Führer sah. Tote, unstrukturierte Materie setzte er mit der parlamentarischen Demokratie gleich, deren Lebensfähigkeit er dann auch bestritt. Trotz seiner in Schriften und Büchern offen ausgedrückten nationalsozialistischen Einstellung machte Jordan im Dritten Reich keine Karriere. Von 1929 bis 1943 hatte er lediglich eine Professur in Rostock. Erst 1943 erhielt er, (…), einen Ruf nach Berlin auf den Lehrstuhl Max von Laues. Nach dem Krieg bekam Jordan dank der Fürsprache von Wolfgang Pauli eine Professur in Hamburg, allerdings erst 1947. Hier konnte er seine wissenschaftliche Arbeit - von ideologischem ‚Ballast‘ befreit - fortsetzen. [ Jordan war bis 1971 ordentlicher Professor an der Hamburger Universität].

Doch auch in der Bundesrepublik blieb Jordan ein politischer Mensch, wie Arne Schirrmacher vom Deutschen Museum in München aufzeigte. Wahrscheinlich auf Betreiben Adenauers erhielt der Forscher bei der Bundestagswahl 1957 einen sicheren Platz auf der Niedersächsischen Landesliste der CDU, für die er von 1957 bis 1961 im Bundestag saß. Während des Bundestagswahlkampfes griff er die ‚Göttinger Achtzehn‘ in verletzender Weise an. Diese Gruppe von Atomwissenschaftlern um Otto Hahn, Max Born, Werner Heisenberg und Carl Friedrich von Weizsäcker hatte sich offen gegen Adenauers Pläne ausgesprochen, die Bundeswehr atomar zu bewaffnen.“ [1]

Und in einer Veröffentlichung des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsforschung heißt es über Jordan: „Jordans politisches Wirken, insbesondere sein fatales Engagement für den NS-Staat, aber auch sein Einsatz für Atomwaffen in der frühen Bundesrepublik, wirft auch heute noch einen Schatten auf sein Lebenswerk. Der amerikanische Wissenschaftshistoriker Norton Wise hat darauf hingewiesen, dass das moralische Problem, das Jordans politisches Wirken aufwirft, keineswegs allein in seinen vor NS-Terminologie strotzenden Schriften aus den dreißiger und vierziger Jahren zu suchen ist. Der Kern dieses moralischen Problems ist vielmehr das Verhältnis von Wissenschaft und Macht, welches nicht so sehr in der Sphäre des Geistes oder Ungeistes wurzelt, als vielmehr im konkreten Handeln, im Opportunismus, vor allem aber in der Bedenkenlosigkeit, mit der hier ein Wissenschaftler den jeweils Mächtigen die Machtmittel der Wissenschaft in die Hände zu geben trachtete, und sei es— wie im Falle eines antizipierten Atomkriegs— um den Preis der möglichen Vernichtung eines Teils der Menschheit. Trotz solcher Verfehlungen war Jordans Leben reich an Anerkennung und Ehrungen. So wurde er 1942 mit der höchsten Auszeichnung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, der Max Planck-Medaille und 1955 mit der Gauß-Medaille der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft geehrt, weiterhin erhielt er den Preis der Gravity Reserch Foundation (1967) und den Konrad-Adenauer-Preis (1970). Jordan war von 1957 bis 1961 Mitglied des deutschen Bundestages.“[2]