Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Werner Thiede

(12.2.1895 Munster – 11.2.1961 Hamburg)
Kaufmann, Maler, Architekt
Reventlowstraße 4 (Privatadresse)


Ab 1930 Mitglied der NSDAP und des Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps. Maike Bruhns beschreibt Thiedes Werdegang in der NS-Zeit: „Nebenbei grub er während der Zehner, Dreißiger und Vierziger Jahre in Finnland und Norwegen Gold, ein Unternehmen, das Philipp Reemtsma unterstützte und das als ‚Geschäfte und Bodenforschung‘ getarnt war. Durch Beziehungen gelangte er 1934 auf den Posten des Landesleiters der Reichskammer der bildenden Künste in Hannover. Nach dem Abbruch der Künstlerbundausstellung in Hamburg wurde er im Oktober 1936 zum Nachfolger von Gerhard Langmaack als Landesleiter der Reichskunstkammer berufen. Mit seinem Amtsantritt erfuhr die Freizügigkeit im Hamburger Ausstellungs- und Kulturbetrieb eine erhebliche Einbuße, Thiede hatte fortan gemeinsam mit Hans Rodde vom Reichspropagandaministerium als ‚Prüfer‘ für einen reibungslosen Ablauf der Veranstaltungen zu sorgen. Was ihnen nicht genehm war, wurde von der Eröffnung ausgeschieden. Die Zensur erstreckte sich auch auf Ausstellungen in Galerien. Thiede zeigte sich dabei nicht zögerlich, nachdem er bereits in Hannover in der Kestner-Gesellschaft an Abbrüchen mißliebiger Ausstellungen maßgebend mitgewirkt hatte. Soweit sich bei der lückenhaften Quellenlage der fehlenden Reichskammerakten und persönlichen Überlieferung feststellen ließ, hängte er auch in Hamburg fleißig ab, behinderte oder schloß Ausstellungen, besonders solche linksgesinnter Künstler, aber auch von unpolitischen Vertretern der Avantgarde wie Bargheer und Emmi Gertrud Eckermann. Er verweigerte Materialbezugsscheine oder genehmigte Ausstellungen von vornherein nicht. Virtuos handhabte der Landesleiter offenbar die Macht-Instrumente Direktiven, Restriktionen und Sanktionen, er schloß aus der Kammer aus oder überwies nach Austritt an das Arbeitsamt. (...) 1938/39 gewann er (...) eine gründliche Übersicht über die Hamburger Kunstszene, kannte die meisten Kollegen persönlich, wirkte 1940-1943 zusätzlich als Assistent an der Hamburger Kunsthalle und saß 1938-1945 im Beirat für Kunst- und Kulturangelegenheiten der Hansestadt Hamburg. Damit hatte er maßgeblichen Einfluß auf das Hamburger Kulturleben und, wie er in einem Bericht später betonte, 'eine besonders starke Position in Berlin' in der Reichskulturkammer. Er war zudem gutachtend an den Verkäufen von Kunstwerken aus jüdischem Besitz tätig (…) und nahm die Funktionen der ‚Verwertungsstelle‘ jüdischen Kunstbesitzes als Leiter der Reichkulturklammer Hamburg wahr.

(…) Nach dem 20. Juli 1944 kam es zu einem Eklat, bei dem er seine Stellung als Landesleiter der Reichskunstkammer Hamburg einbüßte. Angeblich hatte er zu freie und verfemte Kunst gezeigt.“ [1] Thiede wurde aufgefordert, als Werftarbeiter zu arbeiten. Dem entzog er sich, indem er sich zur Wehrmacht meldete. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus kam er in das Entnazifizierungsverfahren und sah sich als Opfer bzw. Oppositionellen. So schreibt Maike Bruhns: „Seinen vorzeitigen Rauswurf tarnte er zunächst als ‚freiwillige Amtsniederlegung‘ und weitsichtige Maßnahme:‘ … hat jedoch die Stellung eines Landesleiters 1944 niedergelegt, da er wohl die politische Entwicklung voraussah und ihr auf diese Weise ausweichen wollte‘. Er benutzte ihn später gar als positives Argument für eine angeblich im Entstehen begriffene Künstleropposition (…).“ [2]

1947 arbeitete Thiede als Gartenarbeiter. In seinem Entnazifizierungsverfahren gab er sich „als Verfolgter und wohlmeinender Künstlerfreund aus“. [3] 

Am Schluss des Entnazifizierungsverfahren im Januar 1947 wurde Thiede in die Belastungskategorie III mit Berufsverbot eingestuft. Thiedes Rechtsanwalt Dr. Herbert Fischer gelang es im Juni 1948, Thiede in die Kategorie IV einzustufen, "die ihm freie Berufsausübung gestattete, dazu die Aufhebung von Vermögenssperre und Nebenfolge ermöglichte. Daß Thiede den Verführungen der Macht erlag, war in seinem Charakter begründet. Nach Kriegsende gehörte er zu den Legendenbildern, die die NS-Geschichte der Stadt verharmlosten - nicht zuletzt zu eigenem Nutzen und Ansehen und unter Berufung auf eigene Leistungen." [4]