Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Kurt Becher

(12.9.1909 Hamburg – 8.8.1995 Bremen)
Prokurist, SS-Standartenführer
Harvestehuder Weg 81 (Privatadresse)


Kaufmann in der Futtermittelbranche, Prokurist in einer Firma, passionierter Reiter, ab 1934 in der Reiter-SS, ab 1937 Mitglied der NSDAP. Während des Zweiten Weltkriegs bei der 1. SS-Reiterstandarte, eingesetzt zur „Entjudung“ des Pripjetgebiets. Becher befördert zum 1. Ordonnanzoffizier, dann SS-Obersturmführer, dann SS-Hauptsturmführer, tätig nun im SS-Führungshauptamt. Hier Inspektion des Reit- und Fahrwesens der SS. 1944 Sonderbeauftragter des Reichsführer-SS in Ungarn für Ausrüstung der Waffen-SS und Sicherstellung des Vermögens der SS, „beteiligt an Verhandlungen ‚Jüdisches Blut gegen Ware‘ (Freigabe ungarischer Juden gegen 10.000 Lastwagen und kriegswichtiger Edelmetalle). Am 9.4.1945 Reichssonderkommissar für sämtliche Konzentrationslager. Nach 1945 Firmenchef. Leiter der Bremer Getreide- und Futtermittelbörse.“ [1]

Und im SHOAH Rescource center (www.yadvashem.org) steht über Becher: „(1909--) Nazi official. During the first years of World War II, Kurt Becher fought on the Russian front. In 1944, he arrived in Hungary. His official SS assignment was to buy horses and horse-drawn vehicle equipment for the Waffen -SS. However, he played a key role in acquiring the huge Weiss Manfred Works for the Germans. He also represented the SS in negotiations with the Relief and Rescue Committee of Budapest concerning the fate of Hungarian Jewry. Dr. Israel Rezso Kasztner, a committee leader, depended on Becher to transport Hungarian Jews from Bergen-Belsen to Switzerland (called the ‘Kasztner transport’). With the approval of Heinrich Himmler, Becher also met with the head of the American Jewish Joint Distribution Committee in Switzerland, Mayer, and the War Refugee Board representative, Roswell McClelland, on November 4, 1944. Becher considered the meeting to be extremely important, as he was encountering President Roosevelt’s intermediary.

In January 1945 Himmler appointed Becher Special Reich Commissioner for all concentration camps. Becher and Kasztner worked together to prevent the liquidation of the camps during the last few weeks of the war. After Germany surrendered, Becher was arrested by the Allies and imprisoned in Nuremberg. However, Kasztner testified on his behalf, and he was released from jail.” [2]

Als Becher in den 1980er Jahren für den Aufsichtsrat bei Hapag-Lloyd in Bremen vorgeschlagen wurde, schrieb der Spiegel am 26.7.1982 unter der Überschrift: „Gehorsamster Becher. Mit Hilfe der Deutschen Bank zieht ein ehemals hochrangiger SS-Mann in den Hapag-Lloyd-Aufsichtsrat ein.“ „Becher, in Hamburg gebürtiger Großhandelskaufmann, schaffte zwischen 1939 und 1945 eine steile SS-Karriere: In gut fünf Jahren kletterte er vom Mannschaftsstand bis zum SS-Standartenführer empor. Bald nach Kriegsbeginn rückte Reiter Becher dank feiner Manieren zum Ordonanzoffizier Hermann Fegeleins auf, der die SS-Kavallerie kommandierte und gleichzeitig Vertreter des SS-Chefs Heinrich Himmler im Führerhauptquartier war.

Ob Fegeleins Reiter sich im besetzten Polen als reine Elite-Truppe gezeigt haben, die mit den Niederungen einer Besatzungspolitik nicht in Berührung kam, ist nicht mehr genau auszumachen. Vorwürfe an Becher, Judenerschießungen mitverantwortet zu haben, ließen sich nie beweisen.

Becher jedenfalls stieg schnell auf. Anfang 1944 schon wurde er zum SS-Sturmbannführer ernannt, was dem militärischen Rang eines Majors entspricht.

Bald danach fand sich Becher, dessen Umgänglichkeit und dessen Organisationstalent gerühmt wurden, als Vertrauensmann des Reichsführers SS Heinrich Himmler im zunächst befreundeten, später aber von der deutschen Wehrmacht besetzten Ungarn. Dort hatte Becher Gelegenheit, auch seine als Kaufmann erworbenen Spezialkenntnisse in den Dienst der Sache zu stellen.

Becher spielte mit bei dem berüchtigten Versuch, 10 000 Lastwagen gegen KZ-bedrohte Juden zu tauschen. Seinen größten Coup schaffte der Hanseat mit S.30 der Übernahme der jüdischen Budapester Industriegruppe Manfred Weiss, des größten ungarischen Wirtschaftsunternehmens.

Im Mai 1944 übernahm Becher von sogenannten arischen Mitgliedern des Weiss-Clans 55 Prozent der Weiss-Kapitalanteile und brachte sie in Himmlers SS ein. Für das Riesenvermögen versprach Becher der Weiss-Sippe 600 000 US-Dollar.

Himmlers SS zahlte am Ende wegen ‚Devisenschwierigkeiten‘ nur 170 000 Dollar. Für diese Bagatellsumme wurde die SS Mehrheitsaktionär eines der größten Industriekomplexe auf dem Balkan.

Dem Himmler-Konkurrenten und Reichsmarschall Hermann Göring, der Industriebeteiligungen unter dem Mantel seiner Reichswerke Hermann Göring (heute Salzgitter AG) sammelte, entging dieser Brocken. 1944 wurde Becher Leiter des Ausrüstungsstabes im SS-Führungshauptamt.

Damit wurde Bechers Stellung bei Himmler stärker als die des Judenvernichters Adolf Eichmann, der Bechers Tauschgeschäfte mit zunehmendem Mißbehagen sah. Im Januar überflügelte der Norddeutsche durch seine Ernennung zum SS-Standartenführer (entsprechender Wehrmacht-Rang: Oberst) den Konkurrenten auch dem äußeren Range nach. Fortan unterschrieb Becher Briefe an Himmler mit der Floskel ‚Reichsführers gehorsamster Becher‘.

Wie weit Becher fortan den Untergang jüdischer Gefangener gefördert oder verhindert hat, ist kaum beweisbar. Seinen eigenen Untergang jedoch verhinderte er perfekt. Am 5. Mai 1945, drei Tage vor Kriegsende, erschien Becher im österreichischen KZ Mauthausen und holte den prominenten ungarischen Judenfunktionär Mosche Schwaiger heraus.

Schwaiger erhielt von Becher Geld, Gold und Schmuck, das ‚dem jüdischen Volk gehörte‘, und fertigte für den SS-Mann schon am 12. Mai 1945 ein umfängliches Entlastungsschreiben an, auf dessen Inhalt sich Becher später immer wieder berief. Ohne Angst konnte der SS-Standartenführer sich den Alliierten stellen. Unbehindert startete er in der Bundesrepublik eine neue Karriere.“ [3]