Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Adolf Woderich

(27.4.1906 Hamburg – 28.3.1963 Hamburg)
Schriftsteller, Mundartdichter
Fuhlsbüttler Straße 314 (Privatadresse, 1938)
Namensgeber für Woderichweg, Fuhlsbüttel, (benannt 1973)
Fuhlsbüttler Straße 756, bestattet auf dem Ohlsdorfer Friedhof, AC 5, 20, aufgenommen in der Prominentenliste des Ohlsdorfer Friedhofes


Adolf Woderich bestand 1925 die Handwerksprüfung für den Buchdrucker Meister. In der NS-Zeit trat er nicht der NSDAP bei. Er war von 1934 bis 1945 Mitglied der DAF (Deutsche Arbeitsfront), von 1937-1938 Mitglied der Deutschen-Christen-Bewegung sowie von 1933-1945 Mitglied in der Reichskultur- und Reichsschrifttumskammer.[1] „Die Deutschen Christen (DC) waren eine rassistische, antisemitische und am Führerprinzip orientierte Strömung im deutschen Protestantismus, die diesen von 1932 bis 1945 an die Ideologie des Nationalsozialismus angleichen wollte.“[2]
Eines seiner bekanntesten Bühnenstücke, welches auch heute noch aufgeführt bzw. als aufgezeichnete Aufführung im Fernsehen gesendet wird, ist „der Bürgermeisterstuhl“ von 1937.
In seinem, im September 1946 ausgefüllten Entnazifizierungsfragebogen notierte er in der Rubrik „Angaben zum Einkommen“: „zwischen 1931 und 1934 Buchveröffentlichungen und Aufführungen von Bühnenwerken sowie unpolitische Mitarbeit an norddeutschen Tageszeitungen mit vorwiegend plattdeutschen Dichtungen“.[3]
Wissenschaftler, die sich mit Woderichs Texten befasst haben, kommen allerdings zu dem Schluss, er habe die Ideologie des Nationalsozialismus vertreten. „Adolf Woderich ist zunächst mit niederdeutschen Theaterstücken hervorgetreten, von denen ‚De Achtertrepp. En Speel in dree Optög‘ (1935) erfolgreich war. Das Stück ‚Jugend von gestern. Ein Spiel um junge Menschen‘ (1937) war eindeutig der NS-Ideologie verpflichtet, für die Woderich auch in theoretischen Beiträgen eingetreten war, so mit ‚Volk up’n Weg‘ (1935) oder ‚Aufgaben der plattdeutschen Dichtung‘ (1933) und ‚Dütschland steit fest‘ (1936).“[4]
Und Kai Dohnke schreibt in seinem Aufsatz „‘Ik stäk die Fahn ut‘ Verhaltensweisen niederdeutscher Schriftsteller im Nationalsozialismus“ über Woderich und andere damaligen „Newcomer“ der niederdeutschen Schriftstellerbranche: „wer gerade erst [um 1933] mit plattdeutschen Texten debüttiert hatte, musste ernsthaft erwägen, seine noch ungesicherte Position auch durch politische ‚Dichtungen‘ zu stabilisieren. So gelang Adolf Woderich vor allem mit seinem Zeitverhältnisse darstellenden Stück De Achtertrepp (Woderich 1935) der eigentliche Durchbruch, den er durch ideologiehaltige Gedichte und Artikel stützte.“[5] Und weiter schreibt Dohnke über Woderich: „Adolf Woderich, gleichermaßen mit traditionellen wie direkt politischen Gelegenheitsdichtungen in Vereinsblättern und Tageszeitungen präsent, verdeutlichte seine Positionen durch programmatische Aufsätze zur Rolle der Literatur (‚Echte Dichter aber sind Seher, sind Wegweiser und Führer des Volkes, und den Sinn: Volk! Nation! Lebendig zu machen und zu heiligen, in dieser Aufgabe allein hat die Dichtung ihre Berechtigung und Ziele zu suchen.‘ (…) Woderich 1933) (…) Adolf Woderich, Jep, Andersen und Hans Hansen-Palmus, Martha Jochens und Carl Budich, Heinrich Andresen und Fritz Wischer zählten zu den eifrigsten Verfassern plattdeutscher Lobgesänge auf das Hitlerregime und machten sich zum Sprachrohr des Faschismus, auch wenn sie im Sinne einer Doppelstrategie nebenher weiterhin traditionelle, ‚unpolitische‘ Dichtungen veröffentlichten. (…) Woderich war es schließlich auch, der in einem eigenwilligen und bemüht kunstvollen lyrischen Werk die Synthese von niederdeutsch-völkischer und nationalsozialistischer Ideologie auf die Spitze trieb. Schon äußerlich hob sich De ewige Quickborn. En plattdütschen Sonettenkranz (Woderich 1940a) von gewöhnlichen Büchern ab: bibliophile Ausstattung, Verzicht auf Paginierung, schließlich die geringe Auflage von 200 numerierten und signierten Exemplaren gaben dem Werk eine besondere Aura des Erhabenen, was durch die formale Struktur noch verstärkt wurde: jedes Sonett beginnt mit der Schlußzeile des Vorhergehenden, und das letzte Gedicht setzt sich vollständig aus den Anfangsversen der 14 anderen zusammen.
Woderichs 15 Sonette präsentieren schiere Ideologie. Voller Pathos stilisiert der Autor den Nationalsozialismus zum Höhepunkt und Ziel des Aktes der ‚Volkswerdung‘. (…) De ewige Quickborn bringt schließlich das faschistische Menschenbild des Nationalsozialismus voller Aggressivität und Selbstgerechtigkeit zum Ausdruck (‚Sla doot! De sik vör’n Stot./ Hier sünd de Minschen blonde Riesen./ De sik eern Gott vun’n Heven langt.‘ 11. Sonett) – kaum eine andere plattdeutsche ‚Dichtung‘ sprach eine deutlichere Sprache und belegt so eindringlich, wie regionale Mundartliteratur zum Instrument faschistischer Ästhetik umfunktioniert werden konnte. Man kann De ewige Quickborn mit Recht als Bekenntnisbuch des Autors ansehen, das von vornherein nicht für den breiteren Markt bestimmt war. Neben dieser wohl perfidesten plattdeutschen Nazidichtung war Woderich im literarischen Leben des Jahres 1940 aber noch mit einem völlig anders ausgerichteten Buch präsent: Hier wackelt de Wand (Woderich 1940b), einer Sammlung früher entstandener humoristisch- anspruchsloser Erzählungen und Gedichte. Die Möglichkeiten literarisch-ideologischer Doppelstrategie wurden von ihm auf solche Weise nahezu perfekt realisiert.“[6]
In der seinem Entnazifizierungsfragebogen beigelegten Auflistung seiner Buchveröffentlichungen aus dem Jahre 1940 führt Woderich nur „Hier wackelt de Wand“ auf, nicht aber sein „De ewige Qickborn“ auf.[7]
Während des Zweiten Weltkriegs leistete Woderich von 1940 bis 1945 Wehrdienst als Obergefreiter (Bautruppe) in Russland. Im September 1941 bekam er die Ostmedaille verliehen: das Kriegsverdienstkreuz für die Kriegsteilnehmerschaft vom 7.3.1940 bis 1945.[8] „Vor allem wegen der von Deutschen geplanten und ausgeführten Massenverbrechen an der Zivilbevölkerung starben im Kriegsverlauf zwischen 24 und 40 Millionen Bewohner der Sowjetunion sowie etwa 2,7 Millionen deutsche Soldaten. Dieser Krieg gilt wegen seiner verbrecherischen Ziele, Kriegsführung und Ergebnisse allgemein als der ‚ungeheuerlichste Eroberungs-, Versklavungs- und Vernichtungskrieg, den die moderne Geschichte kennt‘.[9]
Woderich kam in russische Kriegsgefangenschaft, aus der er 1947 entlassen wurde, kehrte nach Hamburg zurück und arbeitete dort als Schriftsteller u. a. war er beim NWDR (Nordwestdeutscher Rundfunk) tätig.
Nach dem zweiten Weltkrieg gab Woderich seine Erfahrungen in russischer Kriegsgefangenschaft heraus. Dazu heißt es bei Klaus Körner zur Ausstellung „Deutschland im Kalten Krieg. Deutsch-Deutsche Feindbilder in der politischen Propaganda 1945 bis 1963“ des Historischen Museums München vom 28.8.-24.11.1992 im Zeughaus Berlin: „Die deutsche Öffentlichkeit blickte im Frühjahr 1947 erwartungsvoll nach Moskau. Dort begann am 10. März eine Konferenz der Außenminister der vier Siegermächte über die deutsche Frage. Unmittelbar vor Konferenzbeginn strahlte der Nordwestdeutsche Rundfunk in Hamburg das Hörspiel aus ‚Was wäre, wenn...‘. Hörspielautor Axel Eggebrecht entwarf darin ein utopisches Szenario: Deutschland wird 1947 UNO-Mandatsgebiet, mit den umliegenden Staaten wird dieses Gebiet zu ‚C.E. (Central Europe)‘ vereinigt, und nach vier Jahren können dann Volksentscheide über eine etwaige Rückkehr zu den alten Nationalstaaten bestimmen. Die Hörer waren von der Sendung so angetan, daß sie massenhaft die Zusendung des Textes erbaten. Der Verleger der Rundfunkzeitschrift ‚Nordwestdeutsche Hefte‘, Axel Springer, brachte das Hörspiel als Sonderheft in Großauflage heraus. Im Gegensatz zu diesem schönen Zukunftsbild stand die tatsächliche Entwicklung nach der Moskauer Konferenz: Beginn des Kalten Krieges und Vertiefung der Spaltung Europas und Deutschlands.
Gleichzeitig mit der Eggebrecht-Schrift erschienen im Hamburger ‚Morawe & Scheffelt Verlag‘ zwei damals wenig beachtete Broschüren, deren Umschläge bereits das außenpolitische Weltbild der Westdeutschen zeichneten, wie es sich die Westmächte wünschten: Bereitschaft zur Westintegration und Abgrenzung gegenüber der Sowjetunion. Die erste Broschüre hat einen Umschlag in Grün, der Farbe der Europa-Bewegung, und den Titel ‚Die letzte Chance. Deutschland und die Vereinigten Staaten von Europa‘. Die zweite Schrift hat einen Umschlag in Rot und der Titel lautet ‚Sibirien. Wie leben die deutschen Kriegsgefangenen in Sowjet-Rußland‘. Der Heimkehrer Adolf Woderich berichtet über die triste Lage der Kriegsgefangenen und weist zum Schluß darauf hin, wieviel besser es doch die Deutschen hätten, die in westliche Gefangenschaft geraten seien. Wahrscheinlich stammen die Ideen zu diesem Schluß und dem roten Sibirien-Umschlag vom Autor der Europa-Schrift, Dr. Eberhard Taubert, der sich jetzt Dr. Erwin Kohl nannte. Taubert mußte 1947 noch unter einem Decknamen leben, weil er bis 1945 als Leiter der Ostabteilung des Propagandaministeriums in Berlin gearbeitet hatte und jetzt den britischen Geheimdienst in Fragen des Kalten Krieges beriet. Von britischer Seite wurde jedoch kein Geld für politische Schriften ausgegeben, das überließen sie den Amerikanern.“[10]
Der von Woderich 1940 veröffentlichte Roman „Der Geiger von Mölln“ wurde sogar in der DDR wieder neu aufgelegt. Dazu Eckardt Opitz
Woderich „verdient Beachtung, weil er 1940 den Roman ‚Der Geiger von Mölln‘ veröffentlicht hat Das Buch ist 1957 im Petermänken-Verlag, Schwerin, in 2. Auflage erschienen, was erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass sich der Autor in besonderer Weise dem Nationalsozialismus zugewandt hatte.“[11]