Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Lothar Schreyer

(19.10.1886 Blasewitz/Dresden – 18.6.1966 Hamburg)
Dramaturg, Schriftsteller (Pseudonym Angelus Pauper)
Westerfelde 8 (Wohnadresse)
Namensgeber für Schreyerring, Steilshoop, (benannt 1973)


Schreyer, der nach 1945 in Hamburg Volksdorf Westerfelde 8 lebte, hatte das Gymnasium besucht und 1906 Abitur gemacht. Von 1906 bis 1911 studierte er in Heidelberg, Berlin und Leipzig und schloss sein Studium 1911 mit der Promotion zum Dr. juris utriusque ab. 1)

Von 1911 bis 1918 arbeitete er als Dramaturg am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. „Schreyer arbeitet ab 1914 mit Herwarth Walden, dem Leiter der Galerie ‚Der Sturm‘ in Berlin, zusammen. Der Künstler wird von 1916 bis 1928 Schriftleiter der gleichnamigen Zeitschrift.

Lothar Schreyer gründet gemeinsam mit Herwarth Walden 1918 eine expressionistische Versuchsbühne mit dem Namen ‚Sturm-Bühne‘. 

Als Meister wird Lothar Schreyer 1921 an das Bauhaus berufen, wo er die Bühnenwerkstatt leitet. Nach dem Misserfolg seiner Inszenierung ‚Mondspiel‘ verlässt der Künstler das Bauhaus jedoch bereits zwei Jahre später. Das kultisch-religiöse Spiel, bei dem die bühnenkünstlerischen Mittel aus den Grundformen, Grundfarben, Grundbewegungen und Grundtönen gebildet werden sollten, hatte bei den Studierenden zu starkem Protest geführt. 

Von 1924 bis 1927 ist Schreyer Lehrer und zeitweise auch Leiter der Berliner Kunstschule ‚Der Weg‘. Die Position des Cheflektors in der Hanseatischen Verlagsanstalt nimmt Schreyer von 1928 bis 1931 ein. Lothar Schreyer konvertiert 1933 zum Katholizismus und beschäftigt sich seitdem vorwiegend mit Themen der christlichen Kunst. 

Schon Lothar Schreyers frühe Werke der 1920er Jahre sind Ausdruck eines kultisch religiösen Expressionismus, wandeln sich aber bald vom Expressionismus zu einer überindividuellen und sachlichen Formensprache. In den dreißiger Jahren beschäftigt sich der Künstler mit dem christlichen Mystizismus und mit völkischen Ideen, schließlich mit der nationalsozialistischen Ideologie.“ 2)

Im Mai 1933 trat Schreyer, der vor 1933 die Centrums Partei gewählt hatte, der NSDAP bei 1) und gehörte im Oktober 1933 zu den 88 Schriftstellern, die das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler unterzeichneten. 3) Von 1936 bis 1945 war Schreyer Mitglied der NSV.

Von Januar 1931 bis Dezember 1931 arbeitete er als Lektor bei der Hanseatischen Verlagsanstalt und wurde wegen Abbau der Stelle entlassen. Von Januar 1932 bis Januar 1944 war er als freier Schriftsteller und Maler tätig, von Dezember 1944 bis Februar 1945 wieder als Lektor für „schöne Literatur“ in der Hanseatischen Verlagsanstalt angestellt, dort aber nach einiger Zeit wegen Sparmaßnahmen entlassen. Ab Mai 1945 war er wieder als freier Schriftsteller und Maler tätig.1)

In der Anlage zu seinem Entnazifizierungsfragebogen beschreibt Schreyer seine Situation in der NS-Zeit: „Ich wurde als Schriftsteller wegen meines katholischen Glaubens öffentlich verfolgt, da meine katholischen Bücher dem geistigen Widerstand gegen den Nationalsozialismus dienten. Ich konvertierte 1933. Als Maler und Dichter wurde ich wegen meines Eintretens für den Expressionismus, zu dessen Vorkämpfern ich zählte, öffentlich verfolgt. Ich erlitt durch diese Verfolgungen moralische und berufliche Schädigungen.

Verboten, beschlagnahmt und eingestampft wurden meine in Verlag ‚Der Sturm‘, Berlin erschienenen Bücher ‚Jungfrau‘, ‚Die neue Kunst‘, ‚Nacht‘, ‚Meer, Sehnte, Mann‘.

Verboten wurde der Hanseatischen Verlagsanstalt, Hamburg, der Vertrieb meiner hier erschienenen Bücher ‚Die bildende Kunst der Deutschen‘, ‚Deutsche Landschaft‘, ‚Die Mystik der Deutschen‘, ‚Sinnbilder deutscher Volkskunst‘. Dem Verlag wurde weiterhin verboten, neue Verträge mit mir abzuschliessen.

Meine im Verlag Stalling, Oldenburg, erschienenen Bücher ‚Der Bamberger Reiter‘, ‚Frau Uta aus Bamberg‘, wurden für unerwünscht erklärt und dadurch weitere Auflagen unmöglich gemacht.

Mein im Verlag Herder & Co., Freiburg i. Br., erschienenen Bücher ‚Bildnis der Engel‘, ‚Bildnis des heiligen Geistes‘ durften (wie auch die übrigen Werke dieses Verlages) in den letzten Jahren nicht mehr in Deutschland vertrieben werden. Für weitere Arbeiten von mir wurde dem Verlag die Papiergenehmigung verweigert.

Durch staatliche Verfügung wurden von meinen Verlagen geschlossen der Verlag ‚Der Sturm‘, Berlin, und der Ciritasverlag, Freiburg i. Br.

Als Maler und Dichter wurde ich in der Ausstellung ‚Die Entarteten‘ angeprangert, so dass es mir nicht mehr möglich war, mich an neuen öffentlichen Ausstellungen zu beteiligen.

Als ‚Volksschädling‘ wurde ich bekämpft von der Parteizeitschrift ‚Wille und Macht‘ und von den ‚Schulungsbriefen der NSDAP‘.“ 1)

Der Fachausschuss No. 7 für die Ausschaltung von Nationalsozialisten kam mit Schreiben an Schreyer vom 30.11.1946 zu dem Ergebnis: „Der Fachausschuss hat unter dem 16.11.1946 mit Zustimmung der Militärregierung festgestellt, dass Sie nur nominelles Mitglied der NSDAP gewesen sind.“ 1) Und im Fragebogen Action Sheet vom 10.11.1946 heißt es: „Lothar Schreyer ist, obwohl er 1933 in die Partei eintrat, als gänzlich entlastet zu betrachten. Er hat laut eigener Angabe, die durch zuverlässige Bescheinigungen gestützt werden, aktiven Widerstand gegen die NSDAP geleistet und kann als rehabilitiert gelten.“ 1)

„Die ehemalige ‚Sturm-Bühne‘ führt Schreyer nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Namen ‚Kampf-Bühne‘ in Hamburg fort. Aufführungen der Bühnenwerke ‚Kreuzigung‘, ‚Mann‘ und ‚Kindsterben‘ werden gezeigt.“ 4)