Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Karl Boll Karl Friedrich Wilhelm Boll

(30.06.1898 in Lübeck - 12.08.1991 Reinbek)
Pastor
Wirkungsstätte: Brunsberg 27 (früher Walserseestraße), Hamburg-Lokstedt


Karl Boll wurde am 30.06.1898 in Lübeck geboren. Als Kriegsfreiwilliger im Dragoner Regiment Nr. 17 wurde er 1917 schwer an Rücken, Lunge und Oberarmgelenk verletzt und nach langen Lazarettaufenthalten 1919 als Kriegsbeschädigter entlassen. Im selben Jahr legte er sein Abitur in Lübeck ab und begann sein Studium der Philosophie und Theologie in Kiel, Tübingen, Rostock und Bethel. Nach dem Studienabschluss war er als Hauslehrer in einem Privathaushalt tätig. Am 25.11.1924 wurde ihm der Titel Dr. phil. von der Universität Rostock verliehen. Zwischen 1927 und 1929 absolvierte er sein Hilfsvikariat und wurde Hilfsprediger in Hamburg. Seine Ordination erfolgte am 21.04.1929 in St. Nikolai. Danach trat er seine langjährige Stelle in der Krankenhausseelsorge Hamburg-Eppendorf an. Zunächst noch als Hilfsgeistlicher wurde ihm am 13.06.1930 der Titel Pastor verliehen. Ab dem 01.04.1932 übernahm er die dortige Pfarrstelle. Im selben Jahr heiratet er in Halberstadt.

Seiner deutschvölkischen Gesinnung folgend wurde er 1933 Mitglied der NSDAP und der Deutschen Christen (DC). Hier nahm er eine radikale Position ein und wurde bald zur so genannten Thüringer DC gezählt, die sich als äußerst antisemitisch und nationalsozialistisch begriff. Am 05.09.1934 wurde Boll zum Oberkirchenrat (im Nebenamt) im Landeskirchenamt Hamburg ernannt. Von 13.11. bis 23.11.1934 war er für vorübergehende Dienstleistungen an die DEK-Reichskirchenregierung abgestellt.

Zwei Jahre später erfolgte allerdings wieder seine Entlassung. Dafür hatte Landesbischof Tügel verschiedene Gründe. Zuerst waren unterschiedliche theologische Auffassungen ein Grund: Bolls Zugehörigkeit zur Thüringer DC und der engen Beziehung zum nationalkirchlich orientierten Pastor Weidemann aus Bremen. Für Tügel war diese Richtung bekenntniswidrig und untragbar für die Landeskirche. Hinzu kam im Arbeitsalltag die kirchenpolitisch abweichende Haltung von Boll als Mitglied der Deutschen Christen der Thüringer Richtung. Daraus resultierend sei das Vertrauen in die anderen Amtsbrüder nicht gegeben, so Tügel. Boll werde auch von den meisten Kollegen offen abgelehnt. Tügel warf ihm zudem Unsicherheit und Unzulänglichkeiten in der Vertretung der Kirche und den christlichen Glauben vor, was auch schon zu Entrüstungen geführt haben soll. Am schwersten wog aber der Umstand, dass Boll im Landeskirchenamt als Spitzel der Gestapo arbeitete und Persönlichkeiten des kirchlichen Lebens denunzierte und diffamierte. Hierzu zählte der Fall der Denunzierung des Missionsdirektors und späteren Bischof von Hamburg Martin Witte, der dadurch im KZ Sachsenhausen in Haft genommen wurde. Es war u.a. ein defamierender Artikel in der Zeitschrift „Schwarzes Korps“ erschienen. Die Abberufung Bolls erfolgte am 18.09.1936 unter Beibehaltung des Titels mit dem Zusatz a.D. und weiterer Beschäftigung in der Landeskirche. Er kehrte in sein altes Pfarramt als Krankenhausseelsorger zurück. Auch weiterhin zeigte Boll seine ablehnende Haltung gegenüber der Landeskirche, indem er sein Amtskreuz als Oberkirchenrat nicht an das Landeskirchenamt zurückgab (dies geschah erst nach seiner Emeritierung 1945) und diesen Titel ohne den Zusatz a.D. in Veröffentlichungen benutzte, deren Inhalt der theologischen Auffassung Tügels widersprachen.

In den Jahren 1942 bis 1944 wurde Boll zum Kriegsdienst eingezogen, hielt aber trotzdem gelegentlich Andachten im Krankenhaus. Außerdem war er mit psychologischer Beratung im Heer betraut. Am 18.09.1944 wurde er verhaftet und wegen Zersetzung durch das Zentralgericht des Heeres in Berlin am 19.01.1945 zu „schwerer Zuchthausstrafe, „Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, Aberkennung der Wehrwürdigkeit und des Ranges“ verurteilt. An anderer Stelle heißt es widersprüchlich, er sei zum Tode verurteilt worden und sei während seiner Haft stark verwirrt gewesen, auch habe er einen vermeintlichen Suizidversuch unternommen. Über die Festung Spandau kam er ins Militärgefängnis Torgau. Im Zuge eines Einsatzes in einem Bewährungsbataillon kam er in amerikanische Kriegsgefangenschaft und wurde aber bald wieder entlassen und kehrte an seine alte Pfarrstelle im Krankenhaus zurück.

Als DC-Pastor wurde er zu einer seelsorgerischen Aussprache bei der Einstweiligen Kirchenleitung geladen, aufgrund derer er selbst den Antrag auf Versetzung in den Ruhestand stellte. Die Emeritierung erfolgte zum 01.12.1945. Weil man ihn eine baldige Wiedereinstellung in Aussicht stellte, verblieb Boll weiterhin in dem Pastorat und war nicht bereit auszuziehen, als die Pfarrstelle neu besetzt werden sollte. Erst 1949 konnte ein Vergleich erzielt werden und Boll zog aus. In der Folge war es Bolls Bestreben, sich zu rehabilitieren, um seine Weiterverwendung im kirchlichen Dienst zu ermöglichen. Hierzu finden sich viele Rehabilitationsschreiben von ehemaligen Wegbegleitern und Freunden. Boll behauptete wiederholt, nicht für die Denunziation von Pastor Witte verantwortlich gewesen zu sein und damit verbunden den Artikel im „Schwarzen Korps“ nicht geschrieben zu haben. Am 02.02.2002 schrieb der Sohn von Karl Boll in eines der Dialogbücher, die bei der Ausstellung „Kirche, Christen, Juden in Nordelbien1933-1945“ auslagen, dass sein Vater Witte bei der Gestapo denunziert habe. (Buss 2005, S. 324f.) Hierin ist auch zu lesen, das Boll seine Person nach 1945 vor weiteren Vorwürfen schützte, indem er dem Landeskirchenamt drohte, bekannt zu geben, dass das Pastorat in Hamburg-Lokstedt, in dem er wohnte, ein enteignetes Haus eines Juden sei. Das Rehabilitationsverfahren von Boll bei der Landeskirche war sehr unstet, da Boll immer wieder erkrankte.

Neben seinen zahlreichen Veröffentlichungen in der Zeitung des radikalen Dr. Weidemann machte sich Boll einen Namen als Kenner des Lebens und Werkes von Theodor Storm. Testamentarisch hinterließ er der Landeskirche Lübeck ein Grundstück mit einem Haus.

Dr. Karl Boll verstarb am 12.08.1991 in Reinbek.

Text: Benjamin Hein M.A.