Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Johannes Vorrath Johannes Ernst Theodor Vorrath

(23.02.1898 Cuxhaven - 17.04.1952 Hamburg)
Pastor
Wirkungsstätte: St. Nikolai-Gemeinde, Norderschulweg 11, Hamburg-Finkenwerder
Adresse und Wirkungsstätte: Grevenweg 12 (1933) Feldbrunnenstraße 29 (1935) Landscheideweg 167 (1939)


Johannes Vorrath wurde am 23.02.1898 in Cuxhaven als Sohn eines Buchbinders geboren. Das Ablegen des Abiturs wurde durch seine Einberufung zum Heer am 17.11.1916 unterbrochen. Im Frühjahr erlitt er eine schwere Verwundung und verbrachte die restliche Kriegszeit im Lazarett. Als er am 01.05.1919 entlassen wurde, hatte er mehrere Orden erhalten, u. a. das Hanseatenkreuz sowie das Eiserne Kreuz zweiter Klasse. Sein Abiturzeugnis erhielt er ohne Prüfung. Danach studierte er in Rostock, Erlangen und Leipzig Theologie. Ab dem 15.01.1925 erhielt er die Zuweisung an das Friedhofspfarramt in Ohlsburg, wo er schon seit dem 21.09.1924 tätig war. Die Entbindung von diesem Amt erfolgte erst am 11.12.1932. Seine Ordination erfolgte in Hamburg-Fuhlsbüttel. Dann war er als Hilfsprediger zunächst in Hamburg-St. Katharinen und ab 1926 im Allgemeinen Krankenhaus in Hamburg-St. Georg. Im selben Jahr heiratete er.

Sein erstes volles Pfarramt erhielt Vorrath 1926 in der Dankeskirche in Hamburg-Südhamm. 1933 erfolgte der Eintritt sowohl in die NSDAP als auch in den Verband der Deutschen Christen, für die er die Gruppe in Harvestehude leitete. Bald zählte sich Vorrath zu den radikalen Thüringer Deutschen Christen, die sich für eine vollkommene Ausgrenzung allen jüdischen Einflusses aus der christlichen Kirche einsetzten. Vorrathstheologischen wie politischen Ansichten waren von einem überzeugten antisemitischen Rassismus gefärbt. Er wurde stark vom Hamburger Landesbischof Schöffel kritisiert wegen eines Vortrag mit dem Titel „Nationalsozialismus und Kirche“, in dem Vorrath die Kirche als Angelegenheit einzelner bezeichnet und das Christentum der vergangenen Zeit als kraft- und hingabelos kritisiert haben soll (LKAK, 32.03.01 Nr. 844, Blatt 73).

In Süd-Hamm engagierte sich Vorrath besonders durch eine umfangreiche Jugendarbeit, für die er auch Beihilfen durch den Kirchenrat erhielt. Aus einem Schreiben von Schöffel vom 29.01.1934 an alle Kirchenvorstände geht hervor, dass Vorrath durch den Reichsjugendpfarrer Zahn zum alleinigen Bevollmächtigten für die Eingliederung der Ev. Jugend in die Hamburger Hitler Jugend ernannt wurde. Schöffel bat darum, dass Vorrath unterstützt werde (LKAK, 32.03.01. Nr. 844, Blatt 71). Am 21.03.1934 wurde Vorrath zum kommissarischen Landesjugendpastor in Hamburg ernannt. Der bisherige Amtsinhaber Pastor Gotthold Donndorf wurde Leiter des Landeskirchlichen Amtes für Innere Mission. Als Landesbischof Tügel die Geschäftsstelle der Deutschen Christen aus dem Landeskirchenamt verlegen ließ, duldete Tügel die Verlegung ins Landesjugendpfarramt. Als öffentliche Veranstaltungen der Deutschen Christen in Hamburg durch Tügel verboten wurden, sprach Vorrath in der Funktion des Landesjugendpfarrers, ohne seine Mitgliedschaft zu erwähnen.

Untypisch und entgegen seiner sonstigen Ansichten vollzog er 1935 die kirchliche Trauung der Hamburger Theologie Dr. Sophie Kunert, mit der Vorrath gemeinsam die zweite theologische Prüfung abgelegt hatte, mit dem getauften Christen und Pastoren Bruno Benfey. Sonst hatte sich kein Pastor gefunden, der dies öffentlich tun wollte, war doch Benfey nicht „arischer Herkunft“.

Ins Jahr 1935 fiel auch ein Vorfall in der Schule von Vorraths Tochter. An dieser Schule war eine jüdische Lehrerin angestellt, die Vorraths Tochter unterrichten sollte. Vorrath schrieb an den Nationalsozialistischen Lehrerbund Gau Hamburg und forderte die Versetzung. Es gehe ihm dabei nicht um die Frage der fachlichen Qualifikation der Lehrerin, sondern darum, dass sie Jüdin sei. Dieser Forderung wurde von Seiten der Landesunterrichtsbehörde nicht nachgegeben. Trotzdem musste die Lehrerin im Herbst 1935 den Schuldienst verlassen.

1935 erhielt Vorrath einen Dienstauftrag zur Verwaltung des Studentenpfarramtes in Hamburg. In einem Schreiben der Arbeitsgemeinschaft ev. Jugendführer vom 23.10.1936 wird Vorrath vorgeworfen, er wäre nicht in der Lage, seine Aufgaben wahrzunehmen. Er besitze nicht das Vertrauen der Verbände durch die Art und Weise, wie er die Evangelische Jugend in die HJ eingegliedert habe, weil er Deutscher Christ sei und sich dem Reichsjugendpastor unterstelle, der aus kirchlichen Gründen abzulehnen sei. Außerdem vertrete er die Hamburger Jugend gegenüber dem Reichskirchenausschuss falsch und habe in diesen Verhandlungen keine ausreichende Zuverlässigkeit bewiesen. Ihm fehle die sachliche und theologische Eignung zur Jugendarbeit (LKAK, 32.03.01 Nr. 844, Blatt 83a). Am 07.12.1936 stellte Vorrath seine Ämter als Landesjugendpastor und kommissarischer Leiter des Studentendienstes zur Verfügung und bewarb sich auf die Pastorenstelle in Finkenwerder. Als Gründe für die Niederlegung der Ämter nannte er fehlendes Vertrauen sowie den Umstand, dass ihn bisher nur die Treue zum Reichsjugendpfarrer Zahn im Amt gehalten habe, der nun aber ausgeschieden sei und ihm somit die Entscheidung einfach gemacht sei (LKAK, 32.03.01 Nr. 844, Blatt 83b). Außerdem trat Vorrath 1936 aus den Deutschen Christen aus.

1937 erhielt er einen Dienstauftrag in der St. Nikolai-Gemeinde in Finkenwerder, die damals noch zur Hannoverschen Landeskirche gehörte. Die Wahl zum Pastor erfolgte am 08.04.1938. Seit dem 01.04.1938 war Finkenwerder der Hamburger Landeskirche zugehörig. Schon im nächsten Jahr wurde Vorrath als Kriegspfarrer eingezogen. Dabei erhielt er wieder einige Auszeichnungen wie u.a. das Kriegsverdienstkreuz 1. Klasse mit Schwertern. Nach Kriegsende und der Entlassung aus der Gefangenschaft kehrte er nach Finkenwerder zurück. Hier wurden bald Bestrebungen in Gang gesetzt, Vorrath als ehemaligen Deutschen Christen aus dem Amt zu entfernen. Die Vorwürfe waren hart. Er habe im Amt Christliches und Parteipolitisches verbunden und sei als überzeugter Deutscher Christ und Nationalsozialist nicht tragbar. Von Seiten der Landeskirche hieß es, dass ein Entnazifizierungsverfahren eingeleitet werde (LKAK, 32.03.01 Nr. 844, Blatt 122). Der Beginn des Verfahrens zog sich aber in die Länge. In seinem Entnazifizierungsbogen gab Vorrath am 30.11.1945 an, er sei seit dem 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP gewesen. Bis zum Juni 1936 sei er Mitglied der "Deutschen Christen" gewesen, in die er anfänglich große Hoffnungen gesetzt habe. Theologische Unterschiede und die zunehmende "Politisierung" hätten ihn 1936 zum Verlassen der DC bewegt (LKAK, 32.03.01 Nr. 844, Blatt 171). Auf Empfehlung des Kirchengeschworenenausschusses ließ sich Vorrath aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzen. Aber schon bald bemühte er sich wie zahlreiche andere belastete Pastoren wieder um ein Pfarramt. Seit dem 01.11.1948 unterstützte er bereits das Pfarramt in Groß Borstel, bevor er am 01.08.1951 das neugeschaffene dritte Pfarramt dort antrat. Johannes Vorrath starb am 17.04.1952 während einer Kirchenvorstandssitzung.

Text: Benjamin Hein M.A.