Georg Gerdts Georg August Heinrich Adolf Gerdts
(7.01.1895 Lüdingsworth - 10.07.1960 Hamburg)
Pastor
Wirkungsstätte: Kirchengemeinde Moorburg, Moorburger Elbdeich 129
Georg Gerdts wurde am 07.01.1895 in Lüdingsworth geboren. Er studierte Theologie in Heidelberg, Tübingen und Göttingen. Seine Beteiligung am Ersten Weltkrieg war kurz. 1915 wurde er als Rekrut einberufen, wurde aber im folgenden Jahr aufgrund von Knieproblemen als dienstunfähig entlassen. Seine Ordination erfolgte am 08.05.1920 in der Schlosskirche Hannover. Vom 08.05. bis zum 16.10.1920 wurde er als einstweiliger Pfarrkollaborator in Bleckede eingesetzt, bevor er dort ab dem 17.10.1920 als Pastor tätig wurde. Im selben Jahr heiratete er. Seine Ehe war sehr kinderreich. Sein achtes Kind wurde 1934 von Reichsbischof Müller getauft. Müller war ein Freund der Familie.
Am 01.12.1922 wurde Gerdts Pastor in Arlenburg. Seit 1925 war er Mitglied im Bund der Kinderreichen, der ab 1933 Reichsbund Deutsche Familie hieß und der von der NSDAP übernommen worden war. Nach eigener Aussage war Gerdts aber zunächst lediglich aus wissenschaftlichem Interesse beigetreten. In den Jahren 1934 und 1937 nahm er an Schulungskursen des Reichsbundes in Berlin teil und übernahm die Eingliederung der südlich der Elbe gelegenen Gebiete des Kreises VIII als Kreiswart. Dieses Amt legte er 1942 nieder, weil ihm die Partei Schwierigkeiten mache (LKAK, 32.03.01 Nr. 230, Blatt 135b).
Gerdts wurde am 13.03.1927 als Pastor in Hamburg-Moorburg eingeführt. Spätestens hier begann er sich neben seinem Pastorenamt auch mit Volkskunde zu beschäftigen. Hier verquickten sich deutlich seine religiösen Auffassungen mit seinen nationalsozialistischen Ansichten. Einige Titel seiner Vorträge heißen: „Deutsche Art und christlicher Glaube“, Christenkreuz und Hakenkreuz“, Deutschland, Volk ohne Raum“ oder Kirche im Kampf gegen den Bolschewismus“ (LKAK, 32.03.01. Nr. 230, Blatt 135b).
1933 trat er zwei NS-Organisationen bei. Zuerst wurde er Mitglied der Deutschen Christen (DC). In seinem Entnazifizierungsbogen gibt Gerdts an, er habe die Erwartung gehabt, so Förderung für seine Arbeit zu erhalten und zur Einheit der Kirche beizutragen. Er habe aus der DC-Literatur und den Gesprächen mit Kollegen Positives für die Gemeindearbeit gezogen. „In ihrer großspurigen Art“ ernannte die DC ihn zum Gauredner, was „ein Titel ohne jede praktische Bedeutung“ sei. Auch habe er den Kirchenkampf verabscheut, weil die Gemeindearbeit darunter gelitten hätte und er gegenüber dem einseitig ausgeübten Führerprinzip in der Kirche die Ansicht vertreten habe, dass in einer einzuberufenden Synode ein brüderlicher Meinungsaustausch aller Kollegen zum Besten der Kirche stattfinden möchte. So wäre seine eigene Gemeinde vom Kirchenkampf vollkommen unberührt geblieben und im Bekenntnisstand unverändert. (LKAK, 32.03.01. Nr. 230, Blatt 135b).
Dass Gerdts aber einer der Vertrauensmänner des Reichsstatthalters in Hamburg war und beauftragt worden war, ständig Bericht nach Berlin zu erstatten und den Kurs der Hamburger Landeskirche im Sinne der Grundsätze der DC zu beeinflussen, war Landesbischof Tügel aber schon früh bekannt. Nach Gerdts’ Versuch in die Vorbereitungen der Volksmissionswoche einzugreifen, wurden er und Pastor Claussen von Tügel gegenüber dem Reichsstatthalter gescholten. Tügel verdeutlichte seine eigene Stellung im Gefüge der Landeskirche als Vorgesetzter.
Gerdts führt in seinem Entnazifizierungsbogen weiter aus: Seit 1936 habe er einem kleinen Kreis Hamburger DC-Pastoren angehört, die aus verschiedenen Richtungen kamen und wissenschaftliche Themen und Fragen des Gemeindeaufbaus „brüderlich besprochen“ hätten. So wäre Gerdts auch mit den Schriften der Thüringer DC in Berührung gekommen, da diese ihn als Volkskundler sehr interessiert habe. Als Gegenentwurf zu dem kirchenkritischen Werk „Der Glaube des Deutschen Bauerntums“ habe er sich ab 1942 zur Mitarbeit an der Gegenschrift „Der Glaube des Niederdeutschen Bauerntums“ im Auftrag des Eisenacher „Instituts zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ bereiterklärt.
Die zweite NS-Organisation, der Gerdts angehörte, war die SA. Gerdts begründete dies damit, dass die Moorburger SA geschlossen zum Gottesdienst erschienen sei und er gebeten worden sei, dort Feldgottesdienste und Vorträge zu halten. Er habe vor den Kameraden von Religion und Christentum sprechen wollen. Außerdem habe er sich sowohl aus religiösen Gründen, als auch aus familiären Gründen in den Nationalsozialismus eingefügt, denn seine Frau habe schottische Vorfahren und deshalb Probleme mit der Sippenkanzlei. Wegen seiner „Vorträge“ habe man ihn zum SA-Oberscharführer gemacht. (LKAK, 32.03.01. Nr. 230, Blatt 135b).
Der Dienst an seinen Gemeindegliedern im Kriegsdienst war bei Gerdts sehr ausgeprägt. Er schrieb mehr als 1000 Briefe samt Gemeinde- und Flugblättern an die Front und musste erfahren, dass dies nicht unbedingt erwünscht war. So wurde er 1941 von der Gestapo wegen Zersetzung der Deutschen Wehrmacht verhaftet und nach einem „stundenlangen“ Verhör mit einer Verwarnung wieder entlassen (LKAK, 32.03.01. Nr. 230, Blatt 135b). Zum Kriegsdienst wurde er wegen Untauglichkeit nicht einberufen.
Nach Kriegsende gehörte Gerdts zu denjenigen Pastoren, denen die Kirchgeschworenen den Rat gaben, um eine Versetzung in den Ruhestand zu bitten, weil ihre Taten von der britischen Militärregierung nicht positiv aufgenommen werden würden. So wurde Gerdts zum 01.04.1947 pensioniert. Er durfte aber in seinem Pastorat verbleiben und hoffte auf eine spätere offizielle Weiterverwendung im Kirchendienst. Trotz seiner Pensionierung führte Gerdts weiterhin Amtshandlungen in Moorburg durch, was ihm nur in Fällen, in denen Eile geboten war, erlaubt wurde. Des Weiteren wies Landesbischof Schöffel ihn darauf hin, dass seine Pensionierung zu seinem eigenen Schutz geschehen sei und er deshalb Vorsicht walten lassen solle. (LKAK, 32.03.01. Nr. 230, Blatt 70). Als die Pfarrstelle in Moorburg neu ausgeschrieben wurde, gab es eine Aktion mit 1200 Unterschriften zum Verbleib Gerdts in Moorburg.
1949 wurde die Lage um Gerdts ernster. In der Sitzung des Landeskirchenrates berichtete Schöffel über die Handlungen Gerdts in Moorburg. Gerdts habe verschiedene Bestrebungen gegen seinen Nachfolger Pastor Haubold in Gang gesetzt. Auf die Aufforderung eines Kirchenvorstandsmitgliedes auf das Amt in Moorburg zu verzichten, habe er entgegnet: „Wie komme ich dazu?“ Seine Selbstdarstellung war die eines Märtyrers. Er vollzog auch wieder Amtshandlungen in der Kirche. Von Gerdts Sohn, so Schöffel weiter, würden „häßliche Dinge“ angeregt und begangen werden: „Störung eines Passionsgottesdienstes, Störung des Polterabends von Pastor Haubold, wobei einem Kirchenvorsteher ein Eimer Wasser von oben über den Kopf geschüttet worden war, Durchschneiden des Telefonkabels, Abschlagen von kleinen Grabkreuzen usw.“ (LKAK, 32.03.01. Nr. 230, Blatt 133).
Um dies zu beenden, wurde Gerdts am 19.05.1949 die kommissarische Betreuung der Seemannsmission Hamburg übertragen. Ab dem 01.12.1949 wurde er auch hauptamtlicher Seemannspastor. Doch auch hier kam es zu Reibereien. Gerdts hatte sich zum Geschäftsführer der Seemannsmission ernennen lassen und seinen Sohn zum Seemannsmissionar gemacht. Der Sohn wäre in Opposition gegen die restliche Führung der Mission gegangen. Darüber hinaus sei das Verhältnis zwischen Gerdts und den anderen Leitern dort sehr schlecht. Da Gerdts die Kirchenleitung und den Bischof aber von seinem neuen Amt als Geschäftsführer nicht in Kenntnis gesetzt hatte, wurde dies als Vertrauensbruch gewertet und seine Abberufung beschlossen (LKAK, 32.03.01. Nr. 230, Blatt 91). Diese erfolgte zum 01.05.1954. Es folgte eine Stellenvertretung als Pastor in der Dreieinigkeitskirche in Hamburg-St. Georg. 1955 wurde Gerdts Pastor in Neuengamme. Er verstarb am 10.07.1960 in Hamburg.
Text: Benjamin Hein M.A.