Robert Stuewer Friedrich Robert Erwin Stuewer
(12.04.1892 Hamburg - 10.04.1957 Hamburg)
Pastor
Wirkungsstätte: St. Jacobi-Kirche, Jakobikirchhof 4
Robert Stuewer wurde am 12.04.1892 in Hamburg geboren. Sein Vater war Großkaufmann und besaß eine Fabrik. Er achtete darauf, dass die Erziehung seines Sohnes streng christlich war. Nachdem er sein Abitur im Jahr 1911 abgelegt hatte, studierte Stuewer Theologie in Heidelberg, Berlin und Leipzig. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, meldete sich Stuewer „von glühender Vaterlandsliebe getrieben“ am 05.08.1914 freiwillig und wurde Feldartillerist. Er wurde an der Ost- und Westfront eingesetzt und erhielt mehrere militärische Auszeichnungen. Am 07.01.1919 schied er aus dem Militärdienst aus und wurde Hilfsprediger in St. Nikolai. Seine Ordination erfolgte am14.01.1921 in der St. Petri-Kirche. Danach wurde er Pastor in St. Katharinen und wechselte 1925 als Pastor nach St. Jacobi. Hinzu kam die Neugründung des Presseamtes der Hamburgischen Landeskirche, dessen Leitung Stuewer überantwortet wurde.
Anfänglich war Stuewers Begeisterung für den Nationalsozialismus sehr gering, aber schon im April 1933 war sein Enthusiasmus für den politischen Wechsel geweckt und es wurde das Tragen von Uniformen und Fahnen in seiner Kirche erlaubt. Auch das Hakenkreuz war nun in der Jacobi-Kirche zu sehen. Im Mai trat Stuewer der NSDAP und den Deutschen Christen bei.
Die Anzahl an Gruppen in der deutschkirchlichen Bewegung war groß und man war sich untereinander uneins. Im Januar 1937 entstand mit der „Kampfgruppe der Kommenden Kirche“ in Hamburg eine weitere Organisation als Ableger der radikalen Bremer Deutschen Christen um Pastor Weidemann. Stuewer gehörte der Führungsriege in Hamburg an. Doch kam es schnell zu inneren Problemen, hatte doch erstens Weidemann erklärt, keine Organisation in Hamburg zu gründen, und zweitens erkannte Weidemann Pastor Stuewer als Leiter der Gruppe nicht an. Nach einigen inneren Konflikten schloss sich Stuewers Organisation den radikalen Thüringer Deutschen Christen an, die sich als besonders antisemitisch und nationalsozialistisch begriffen, und Stuewer änderte den Namen in „Deutsche Christen (Nationalkirchliche Bewegung) Gau Hamburg“. Die Geschäftsstelle befand sich in seinem Pastorat und auf den Flugblättern waren Stuewers Name, Anschrift und Telefonnummer zu lesen. Auf diesbezügliche Vorwürfe entgegnete er später, dass die Anschrift nur aus organisatorischen Gründen angegeben worden sei.
Die theologischen und politischen Ansichten Stuewers standen denen seine Landesbischofs Tügel entgegen. Tügel sah in den Auffassungen der Deutschen Christen Bekenntniswidrigkeiten (u.a. war Tügel gegen den Ausschluss von Christen jüdischer Herkunft aus der Kirche) und einen Bruch mit dem Nationalsozialismus. So wurde Stuewer 1935 auch von Tügel vom Amt des Pressepastors entbunden.
Im Jahr 1939 gab es eine längere Auseinandersetzung zwischen Tügel und Stuewer. Stuewer hatte eigenmächtig die Liturgie in seinen Gottesdiensten nach den Vorgaben der Deutschen Christen geändert und seine Predigten trugen dementsprechend deutsch-christliche und politische Züge. Die Gottesdienste sollen stark an Propagandareden erinnert haben. In einem Beschwerdebrief eines Gottesdienstbesuchers heißt es über Stuewers Gottesdienst: „Die Behandlung der Rassen- und Judenfrage wurde in absolut zur Bibel stehendem Gegensatz behandelt. Gegen Ende seiner Ausführungen stellte Herr Stuewer noch die Behauptung auf, der Kampf der Kirche ginge jetzt darum, ob Gott mit Christus oder ohne Christus. Vorläufig müßten wir noch Gott mit Christus anerkennen, da er der Gott unserer Väter sei (....)" (LKAK, 32.03.01 Nr. 813, Blatt 90). Tügel sah die Problematik, aber: „Leider habe ich keine Möglichkeit, in solchem Fall kirchendisziplinarisch vorzugehen, da der Staat uns bei solchem Vorgehen keine Hilfe leisten wird. Es ist in unseren anderen Landeskirchen bereits erprobt worden, immer mit negativem Erfolge (....)" (LKAK, 32.03.01 Nr. 813, Blatt 91).
Der Pastor und Kirchenbibliothekar Herwarth von Schade hat den Konfirmationsunterricht Stuewers untersucht. Für jede Konfirmationsunterrichtsstunde hatte Stuewer „Lernblätter“ verfasst, aus denen die gesungenen Lieder und Lerninhalte hervorgehen. Ebenso gab es mehrere Spruchtafeln, die wahrscheinlich Vorschläge für den Konfirmationsspruch beinhalteten. Von Schade stellte fest, dass keine der Bibelstellen, der Lerninhalte und keiner der Sprüche aus dem Alten Testament stammten und nur die Sprüche dem Wortlaut der Lutherbibel folgten. Die anderen Bibelstellen waren aus der „Botschaft Gottes“, der „von allem jüdischen Einfluss befreiten“ Bibelfassung der Deutschen Christen. Auch die sonstigen Themen des Unterrichts lassen Stuewers Haltung deutlich hervortreten: „Staatenbildung und Obrigkeit“, „Der Germanenglaube“, „Arianismus, Chlodwig, Karl d. G., Widukind. Die Volkswerdung der Deutschen“ oder „Hel und Ragnarök“ (zitiert nach von Schade 2010,S. 57-58). Die Indoktrinierung der Konfirmandinnen und Konfirmanden ist auch anhand der gesungenen Lieder zu sehen. Stuewer griff auf das herkömmliche, das vom „Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ herausgegebene Gesangsbuch „Großer Gott, wir loben dich“ zurück sowie auf Lieder, die von Nationalsozialisten und Deutschen Christen geschrieben wurden. Die deutsch-christliche Ausrichtung des Konfirmandenunterrichts war nicht zu leugnen.
Mit Kriegsende wurde Stuewer nahe gelegt, wie auch vielen anderen als belastet geltenden Pastoren, sich in den Ruhestand versetzen zu lassen, um einem möglicherweise problematischen Entnazifizierungsverfahren zu entgehen. So erfolgte die Emeritierung am
01.12.1945 auf eigenen Wunsch. In der Folgezeit vollzog sich ein langer Streit um die Wiedereinstellung. Stuewer selbst empfand seine Pensionierung als Bestrafung. 1951 wurde Stuewer durch den Rehabilitierungsausschuss wieder auf die Kandidatenliste gesetzt und erhielt bis Ende April 1952 die Vertretung für die St. Stephanus-Gemeinde in Eimsbüttel, bis diese Pfarrstelle neu besetzt wurde. In diese Amtszeit fällt ein sonderbarer Fall. Stuewer vollzog eine von Hauptpastor Drechsler abgelehnte Beerdigung, „trotzdem der Verstorbene Jude und seine Frau Katholikin ist“ (LKAK, 32.03.01 Nr. 813, Blatt 152). Stuewer betonte, er habe kein Geld für diese Beerdigung erhalten und verhindern wollen, dass man ihm als ehemaligen Nationalsozialisten etwas nachsagen könne. (LKAK, 32.03.01 Nr. 813, Blatt 154).
Für die Neubesetzung der Stelle in Eimsbüttel bewarb sich auch Stuewer. Im Zuge des Bewerbungsverfahrens wurde Stuewer von einem anderen Pastor beschuldigt, den Verfasser des 23. Psalms als „dicken, fetten Juden“ bezeichnet zu haben. Es wurde kein Disziplinarverfahren eingeleitet, weil Stuewer es wohl nicht gesagt hatte und der anklagende Pastor distanzierte sich von seiner Äußerung. Trotzdem beschloss die Kirchenleitung eine Kirchenvisitation in Eimsbüttel durchzuführen. Landesbischof Schöffel stellte fest, dass Stuewer niemals christozentrisch predige, er sich selbst in den Vordergrund stelle, sich gegen das Alte Testament stelle und immer noch deutsch-christliche Gedankengänge vertrete (LKAK, 32.03.01 Nr. 813, Blatt 155).
In einer anderen Angelegenheit kam es erneut zu einer Untersuchung durch den Kirchenrat. Stuewer wurde wegen eines aufgetauchten Flugblattes seiner „Deutsche Christen (Nationalkirchliche Bewegung) Gau Hamburg“ mit antisemitischen Inhalten und natürlich der alten Pastoratsadresse Stuewers befragt. Dieser bestritt der Verfasser zu sein. Im Protokoll der 197. Kirchenratssitzung vom 18.09.1952 heißt es: „Die Aussprache mit Pastor Stuewer war schwierig (...).“ Außerdem gab es noch Fragen zur Gottesdienstpraxis Stuewers: „Zum Schluß fragte der Landesbischof Pastor Stuewer, ob es wahr sei, daß er im Gottesdienst weder das „Halleluja" habe singen lassen, noch geduldet habe, daß das Lied „Tochter Zion, freue dich", oder „Jehova, Jehova" gesungen wurde. Pastor Stuewer gab das zu, indem er seinerseits ergänzte, auch das „Amen" habe er weggelassen aus linguistischen Gründen, um alle Fremdwörter auszumerzen.“ Stuewer erhielt keine weitere Pfarrstelle mehr in Hamburg, war aber weiter bei vollen Bezügen angestellt.
Robert Stuewer starb am 10.04.1957 in Hamburg.
Text: Benjamin Hein M.A.