Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Hans Sixt Freiherr von Jena

(1890-1961)
Kaufmann
ohne Adresse


Dazu schreibt Frank Bajohr: "Nachdem mit Hilfe der Haus- und Grundstücksbesitzervereine alle Grundstücke jüdischer Eigentümer in Hamburg ermittelt worden waren, die sich bis dahin in der Obhut jüdischer Grundstücksverwaltungen befunden hatten, überführte sie der Gauleiter in die Zwangsverwaltung einer neugeschaffenen Grundstücksgesellschaft, nämlich der 'Hamburger Grundstücks- und Verwaltungsgesellschaft von 1938 mbH (GVG). (...)

Entbehrte schon die Zwangsverwaltung durch die GVG jeder rechtlichen Grundlage, so führten die Umstände ihrer Gründung erst recht in einen Dunstkreis von Rechtsbeugung und Korruption. Das Gründungskapital der GVG stammte nämlich aus 'Arisierungsspenden', die der Gauleiter und Reichsstatthalter Kaufmann der GVG zur Verfügung gestellt hatte. Um diesen Zusammenhang zu verschleiern, trat nach außen hin u. a. die 'Hanseatische Vermögensverwaltungs- und Treuhand-Gesellschaft mbH' ('Treuhansa') unter der Leitung des Nationalsozialisten Hans Sixt Freiherr von Jena als Gesellschafterin auf." [1] Und weiter heißt es bei Bajohr: "In Hamburg waren ausschließlich NSDAP-Mitglieder als Treuhänder und Abwickler jüdischer Firmen tätig. Dabei exponierte sich besonders die 'Hanseatische Vermögensverwaltungs- und Treuhand-Gesellschaft mbH' ('Treuhansa') unter der Leitung des Nationalsozialisten Hans Sixt Freiherr von Jena. Aus der Kauf- und Liquidationsmasse jüdischer Betriebe genehmigten sich die Treuhänder nicht nur fürstliche Gehälter, sondern erwarben die verwalteten Firmen bisweilen selbst oder setzten in den Kaufverhandlungen ihre Beteiligung durch." [2]
Über Hans Sixt Freiherr von Jena heißt es in einer anderen Quelle. 1939 kaufte "eine private Finanzgruppe unter Führung des Freiherrn Hans Sixt von Jena" die "arisierte" "Brennerei und Chemische Werke Tornesch G.m.b.H, deren vorheriger Mitbesitzer Carl Levy gewesen war. [2]

Hans Sixt Freiherr von Jena gehörte auch zu den Käufern der Brennerei und Chemische Werke Tornesch G.m.b.H. Die Stadtarchivarin Annette Schlapkohl schreibt über diesen „Arisierungsprozess“, zu dem es Unterlagen im Stadtarchiv Tornesch gibt, in der Ortschronik: Tornesch. Die Geschichte der Ortsteile Ahrenlohe, Esingen und Tornesch von den Anfängen bis heute. Husum 2004, S. 244-245: „Die jüdischen Gesellschafter konnten die Sanierung ihres Unternehmens nicht mehr durchführen, da die nationalsozialistische Diktatur den Ausschluss jüdischer Kaufleute aus der Geschäftswelt betrieb. Nach einem Erlass des Reichswirtschaftsministers wurde es im Frühjahr 1938 Nichtariern verboten, Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder einer Gesellschaft zu stellen. Für die Sanierung der Brennerei eingeplante jüdische Geldgeber fielen damit weg. (§§Ebenda. Schreiben der jüdischen Gesellschafter der Brennerei an den Oberfinanzpräsidenten Nordmark in Kiel vom 25.5.1938.) Die Schaefer-Gruppe trat daraufhin an eine Berliner Bank, die Reichskreditgesellschaft, heran mit der Absicht, den Betrieb zu veräußern. Der Bank wurden die Verkaufsverhandlungen überlassen. Die Reichskreditgesellschaft  nahm Kontakt zu Herrn Freiherr Hans Sixt von Jena auf. Im Schreiben der Reichskreditgesellschaft vom 24. Oktober 1938 an von Jena heißt es: „Wir haben einen Auftrag zum Verkauf dieser Anteile, bemerken aber, daß es sich nicht etwa um eine ‚Arisierung’ im Sinne des Gesetzes handelt, sodaß irgendwelche Genehmigungen seitens staatlicher Stellen nicht erforderlich sind.“ Die militärische Wichtigkeit des Betriebes wurde betont: „Wir haben uns vom Reichsluftfahrtministerium bestätigen lassen, daß die Firma unter allen Umständen aufrecht erhalten werden muß.“ (…)

Zwei Tage später beendeten die Ausschreitungen der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 gegen die jüdische Bevölkerung die Handlungsfähigkeit der jüdischen Gesellschafter vollends. Sie wurden am Betreten ihres Werkes gehindert und in sogenannte ‚Schutzhaft‘ genommen. (…) Nun vollzog sich die geplante Übernahme des Werkes in schnellen Schritten.

Der von der Reichskreditgesellschaft als Kaufinteressent geworbene Herr von Jena besuchte das Tornescher Werk am 11. November 1938. Ein Tag darauf wurde Geschäftsführer Dr. Oscar Schaal beim Gauwirtschaftsberater in Kiel persönlich vorstellig und beantragte vor Ort schriftlich die Bestellung eines Treuhänders für die Brennerei. Am 15. November fand im Büro der Brennerei eine Sitzung statt, an welcher der Kreisleiter, der Kreiswirtschaftsberater, der Ortsgruppenleiter und der Betriebsobmann – sämtlich von der NSDAP – teilnahmen. Es wurden Maßnahmen gegen die Inhaber und Geschäftsführer und für die Weiterführung des Betriebesgetroffen. (§§AKG, Brennerei-Archiv, 6.8.1940 Schreiben von Herrn von Jena an den Herzog zu Mecklenburg.)

Die Anteile der jüdischen Unternehmer – neben den Geschäftsführern noch die Anteile von Gertrud Levi, geb. Levy – wurden am 10. März 1939 durch einen Treuhänder für 60.000 RM an die Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft (Wifo) in Berlin verkauft. Die jüdischen Unternehmer mussten zuvor am 7. Februar 1939 in Hamburg mit dem Namenszusatz Israel ihre Unterschrift leisten. Gertrud Levi, bereits in Manchester lebend, wurde durch ihren jüdischen Hamburger Rechtsanwalt Herbert Samson vertreten, der für sie mit dem Namenszusatz Sara unterzeichnen musste. Die jüdischen Geschäftsführer, die noch einen Gehaltsanspruch bis zum 31. März 1939 hatten, mussten auf diesen zugunsten des Geschäftsführers Dr. Oscar Schaal verzichten. Ihre Pensionsansprüche erloschen.

Nach vier Monaten wurden die Anteile der Brennerei am 25. Juli 1939 in gleicher Höhe an den Freiherrn Hans von Jena und den Herzog Georg zu Mecklenburg verkauft. Beide Unternehmer machten im Juni 1939 in Schriftwechseln deutlich, dass sie dem Kauf von Anteilen aus einer Arisierung nicht zugestimmt hätten und den Kauf nur tätigten, weil sie von der Reichskreditgesellschaft die Zusage erhielten, dass der Verkauf freiwillig war. (§§Ebenda. Schreiben des Direktors Heer der Reichskreditgesellschaft vom 10.6.1939 an Herrn Hans von Jena.)

Herr von Jena wurde allein zeichnungsberechtigter Geschäftsführer. Dr. Oscar Schaal verließ das Unternehmen. Stellvertretender Betriebsführer wurde Bernd von Arnim, Betriebsleiter der Tornescher Hans Jensen (Jahrgang 1898), eingetreten in den Betrieb 1928. Der von 1942-44 im Werk tätige polnische Zwangsarbeiter Henryk Bejerski bescheinigte Herrn Jensen große Menschlichkeit. (§§Schriftliche Aufzeichnungen von Hans Joachim Wohlenberg nach einem Besuch bei Bejerski im Mai 1992.)

In der Deutschen Holzverzuckerungs & Chemischen Fabrik A.G., welche 1935 zu Hauptteilen in den Besitz der Reichsmonopolverwaltung gelangt war, ging die Vertreibung der jüdischen Geschäftsführer zeitgleich vonstatten. Der Aufsichtsrat rief, wie im Protokoll vom 13. Januar 1939 vermerkt, die jüdischen Geschäftsführer Loeser und Schaefer ab und kündigte ihnen. 1940 wurde die Firma für 225.000 RM von der Reichsmonopolverwaltung an Herrn von Jena verkauft. Auf Veranlassung des Reiches stellte man die Anlagen von der Spriterzeugung auf die Futterhefeproduktion um, wegen des kriegsbedingten Eiweißbedarfes. Ziel war es jährlich 2.500 Tonnen Futterhefe zu erzeugen, die an die Proviantämter abzuliefern waren. (§§AKG, Brennerei-Archiv, Schreiben von Jena an den Herzog vom 6.8.1940.) (Freundlicher Hinweis von Jörn Penning).“ [3]