Hans Kruse
(Lebensdaten nicht bekannt)
Geschäftsführer und Inhaber Präzisionswerkzeug- und Maschinenfabrik Wilhelm Fette
Bahrenfelderstraße 92 (Wirkungsstätte)
Zwangsarbeiterlager: Bornkampsweg; Schlageterstraße 160 (heute: Stresemannstraße); Bei der Reitbahn 8
Das Entnazifizierungsverfahren am 10. Januar 1946 stufte Kruse als „belastet“ ein und entfernte ihn aus seiner einflussreichen Stellung. Doch am 20. Mai 1947 wurde Kruse von einem inzwischen eingesetzten deutschen Berufungsausschuss rehabilitiert. Aus Protest gegen die Wiedereinstellung von Hans Kruse legte die mehrheitlich sozialdemokratisch orientierte Belegschaft der Firma Wilhelm Fette auf einer Betriebsversammlung am 6. Juni 1947 die Arbeit nieder. Fünf Tage lang wurde gestreikt. Die Belegschaft warf Kruse vor, dass auf seine Veranlassung hin mehrfach Arbeiter wegen so genannter Arbeitsverweigerung der Gestapo übergeben worden waren. Einen Betriebskollegen sollte er mit der persönlichen Aufforderung, „ein Exempel zu statuieren“, der Gestapo gemeldet haben. In den Kellerräumen waren Zwangsarbeiter bei vorgehaltenem Revolver mit Gummiknüppeln verprügelt und mit Fußtritten traktiert worden. Ein Nachtschichtmeister sollte eine Ausländerin vergewaltigt und schwer verletzt haben. Hans Kruse habe diese Misshandlungen geduldet und die Vergewaltigung in seinem Betrieb nicht geahndet.
Der Streik fand starkes Echo: Die Belegschaft von Menck und Hambrock erklärte sich mit den Forderungen bei Fette solidarisch, die Hamburger Werftarbeiter spendeten einen halben Stundenlohn für die Streikkasse. Die Altonaer SPD und KPD forderten in Solidaritätsadressen die Entfernung von Kruse. Die Vertreterversammlung der IG Metall in Hamburg würdigte den Streik als Zeichen von Solidarität. Erreicht wurde die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Kruse. Im März 1948 versuchte Kruse erneut die Leitung des Betriebes zu übernehmen, obwohl er noch nicht entnazifiziert war. „Kruse ist da, Maschinen aus“, titelte die Hamburger Volkszeitung vom 14. April 1948. Mit einem einmonatigen Streik gelang es der Fette-Belegschaft, Kruse bis zu dem Berufungsspruch aus dem Betrieb fernzuhalten. Doch 1949 war Hans Kruse wieder in der Leitung seiner Firma tätig – offensichtlich hatte der deutsche Berufungsausschuss positiv für ihn entschieden.
In der Nachkriegszeit expandierte die Firma schon nach kurzer Zeit wieder. 1952/53 verlagerte man die gesamte Produktion nach Schwarzenbek am Sachsenwald. Das Unternehmen zählte 700 zum Teil hochqualifizierte Arbeitskräfte. Ein großer Teil der Spitzenkräfte wollte nicht mit nach Schwarzenbek und kündigte; der Firmenleiter Kruse bezeichnet sie als „Fahnenflüchtige“ und setzte sich damit erneut der Kritik aus der Belegschaft aus. Die Firma Fette expandierte weiterhin, die Zahl der Beschäftigten sollte bis 1967 auf über 1300 steigen. Nach dem Ausscheiden von Carl Fette als Teilinhaber im Jahre 1955 wurde Hans Kruse Alleininhaber der Firma. Seit 1963 Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer zu Lübeck, wurde ihm 1966 im Alter von 70 Jahren das Bundesverdienstkreuz verliehen. Seine umstrittene Vergangenheit schien vergessen.
1971 verkauft Hans Kruse das Unternehmen an den Saarberg-Konzern, die Einzelfirma wurde in eine GmbH umgewandelt. Seit Ende der 1980er Jahre gehört Fette mit dem Standort Schwarzenbek und den Produktionsschwerpunkten Präzisionswerkzeuge und Tablettiertechnologie zur LMT Leitz Metalworking Technology Group.
Text: Birgit Gewehr