Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Gästehaus der SS

Bellevue 34
Die Villa an der Bellevue 34 gehörte dem jüdischen Kaufmann William Simon (1850- Tod beim Verhör in der Zollfahndungsstelle am 3.3.1939). Heute liegt dort ein Stolperstein.


Der Historiker Björn Eggert schreibt in seiner Biographie über William Simon unter www.stolpersteine-hamburg.de:

"In einer Liste des SS-Oberabschnitts Nordwest vom 12. Dezember 1938 wurde Willy Simon als ‚sehr vermögend‘ eingestuft. Innerhalb der nun folgenden Jahre eignete sich der NS-Staat fast das gesamte Vermögen der Eheleute Willy und Wally Simon an.
Der Eintrag für Willy Simons Firma im Fernsprechbuch 1938 (Stand 15.12.1937) dokumentierte bereits die ‚Arisierung‘ des Unternehmens: ‚S. Simon, Inh. William Danielsen u. Hans Berkes, Schiffsproviant u. Schiffsausrüstungen, Pickhuben 1‘.
Willy Simon versuchte, allen neuen Vorschriften zum Trotz, einige Wertgegenstände außer Landes zu bringen. Im Protokoll des 41-jährigen Oberzollinspektors Kurt Leuow, seit dem 1. Mai 1937 NSDAP-Mitglied und seit dem 1. Januar 1938 zur Zollfahndungsstelle Hamburg versetzt, las sich dies wie folgt:
‚Am 2. März 1939 wurde vertraulich folgendes mitgeteilt: Der Jude Willi Simon, wohnhaft Hamburg, Bellevue 34, beabsichtigt auszuwandern. Simon ist mit dem Kapitän des englischen Dampfers ‚Switzerland’ namens Ormrod bekannt. Simon hat nach Aussage eines Bordbediensteten dem Kapitän Ormrod gestern morgen Schmuckstücke übergeben, die der Kapitän für S. mit nach England nehmen soll. Der Dampfer geht am 2.3.1939 abends gegen 20 Uhr in See (Schuppen 13). Der V-Mann hielt eine gründliche Durchsuchung der Kapitänskajüte, ggfs. gründliche körperliche Durchsuchung für erforderlich.‘
Noch am selben Tag wurde der Kapitän an Bord des Schiffes vernommen und legte ein Geständnis ab. Am nächsten Tag, dem 3. März 1939, musste Willy Simon in der Amtsstelle der Zollfahndungsstelle (Poggenmühle 1) erscheinen. Zollinspektor Schröder führte die Verhandlung. Ob das Verhör tatsächlich wie vom Kanzleiangestellten Jürgensen protokolliert verlief, lässt sich nicht mehr ermitteln.
Willy Simon versuchte, die beschlagnahmten rund 20 Schmuckgegenstände als Geschenk an die Frau des langjährig bekannten Kapitäns auszugeben. Schröder ereiferte sich und wurde mit dem Satz ‚Eine derartige Antwort wagen Sie mir anzubieten?‘ zitiert. Danach soll Willy Simon erklärt haben, er sei ‚etwas herzleidend‘, worauf das Protokoll verzeichnete: ‚Die Verhandlung wird um 11.10 (Uhr) kurz abgebrochen, damit Herr Simon 1 Glas Wasser trinken kann. Da Herr Simon über Herzbeschwerden klagte, wurde sofort der Polizeiarzt Dr. Lange verständigt. Dieser sagte sein sofortiges Kommen zu. Einige Zeit nach Eintreffen des Arztes verstarb William Simon vermutlich durch einen Herzschlag.‘ Am 13. März 1939 erfolgte eine Gutschrift in Höhe von 1030 RM für die beim Kapitän beschlagnahmten Gegenstände.
Die Villa in der Bellevue, so ermittelte der Historiker Frank Bajohr, wurde 1942 auf Druck der Gestapo vom Nachlassverwalter an die Hamburger Elektrizitätswerke verkauft, die es der SS kostenlos als ‚Gästehaus‘ überließen.“ [1]