Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Walter Matthaei Dr. Walter Matthaei

(22. Dezember 1874 Hamburg - 10. März 1953 ebd.)
Jurist, Senator
Adresse: Blumenau 56 (1933), Sierichstraße 76 (1934), Loogestieg 15 ( ab 1937)
Wirkungsstätte: Hamburger Rathaus, Rathausmarkt
Fuhlsbüttler Straße 756, Ohlsdorfer Friedhof, Grablage: Z 5, 108-109


Matthaei absolvierte das Johanneum und studierte in Halle an der Saale, Tübingen sowie in Berlin Jura. Nach der Promotion kam er zurück nach Hamburg und wurde 1906 zum Amtsrichter ernannt. Er engagierte sich politisch und wurde 1910 das erste Mal in die Hamburgische Bürgerschaft gewählt. Bis 1919 gehörte Matthaei der links-liberalen Fraktion „Vereinigte Liberale“ an und trat danach in die Deutsche Demokratische Partei ein, die sich später Deutsche Staatspartei nannte. Von 1921 bis 1933 bekleidete er Senatorenämter mit unterschiedlichen Ressorts. Im Zuge der Gleichschaltung der Hamburgischen Bürgerschaft und den Senatswahlen am 8. März 1933 wurde er für die Deutsche Staatspartei in den Senat gewählt und stimmte einer Koalition mit der NSDAP zu. Matthaei wurde für wenige Wochen Finanzsenator und wurde bereits im Mai 1933 wieder entlassen. Nach seinem Ausscheiden aus dem Hamburger Senat war er weiterhin am Landgericht als Zivilrichter, inzwischen zum Landgerichtsdirektor aufgestiegen, tätig. 1941 ging er in den Ruhestand.

Christof Brauers schriebt über Matthaei: Es "(...) gibt (..) zahlreiche Beispiele von Liberalen, die den Nazis den Weg ebneten und zu Kollaboration bereit waren. So war Hamburgs Finanzsenator Matthaei im Mai 1933 reichsweit der einzige Staatsparteiler, der noch einer Landesregierung angehörte. Was hatte den langjährigen politischen Weggefährten von Carl Petersen und 'Naumannianer' Matthaei veranlaßt, mit den Nazis in eine Regierung einzutreten? Fasziniert von den sozialpolitischen Reformideen Friedrich Naumanns hatte sich der junge Richter 1910 in die Bürgerschaft wählen lassen und war gier der Fraktion der Vereinigten Liberalen (...) beigetreten (...). Nach dem Krieg gehörte der Sozialliberale ab 1921 dem Senat an, verantwortlich für die Arbeits- und Sozialbehörde bevor er 1929 (...) das Amt des Finanzsenators übernahm. In all den Jahren war er mit Petersen von der Notwendigkeit überzeugt, die Interessen von Arbeiterschaft und Bürgertum zu einem Ausgleich zu bringen zum Wohle von Staat und Gesellschaft und dennoch gehörte er im Frühjahr 1933 zu den Befürwortern einer Koalition mit der NSDAP. (...) Für Matthaei offensichtlich kein Widerspruch. Naumanns sozial-reformerische Programmatik hielt er 1922 noch immer für aktuell, nicht aber die demokratischen und parlamentarischen Formen ihrer Umsetzung. In der NS-Bewegung sah er die zeitgemäßere Weiterentwicklung der Ziele Naumanns. (...)

Der Hamburger NS-Führung unter Bürgermeister Krogmann und Gauleiter Kaufmann war es im Mai 1933 dann auch fast peinlich, auf Anweisung aus Berlin, dem gewendeten Liberalen aus dem Senat entlassen zu müssen. Als leitender Zivilrichter am hamburger Landgericht behielt Matthaei jedoch auch weiterhin das Wohlwollen der neuen Machthaber (...) und blieb damit dem NS-System in Treue verbunden. Die Aufhebung der Gewaltenteilung infolge permanenter Übergriffe der Exekutive in Entscheidungen und Kompetenzen der Rechtsprechung wurden von Matthaei durchaus erkannt und auch kritisiert (...), aber trotz allem war er zur Anpassung entschlossen." [1]

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs engagierte er sich parteipolitisch in der neuen Bundesrepublik und wurde vom FDP-Kreisverband Volksdorf als Mitglied aufgenommen, was wegen seines Verhaltens im Nationalsozialismus nicht unumstritten war.
Text: Katharina Tenti