Julius Brecht Dr. Julius Brecht
(1900 - 1962)
Abgeordneter (SPD) der Hamburgischen Bürgerschaft von 1949-1953, Mitglied des Bundestages, Vorsitzender des Vorstandes und Verbandsdirektor des Gesamtverbandes des gemeinnützigen Wohnungsunternehmens. Ab 1937 Mitglied der NSDAP, 1942 Mitglied des NSRB, August 1944 Berufung in den Reichsführungsstab des Deutschen Wohnungshilfswerks.
Namensgeber für Julius-Brecht-Straße, Osdorf (1965)
Im September 2020 berief die Behörde für Kultur und Medien eine Kommission aus acht Expertinnen und Experten, die Entscheidungskriterien für den Umgang mit NS-belasteten Straßennamen in Hamburg entwickeln und Empfehlungen zu möglichen Umbenennungen aussprechen sollte.
Zur Julius-Brecht-Straße gab die Kommission im März 2022 die Empfehlung: Umbenennung mit folgender Begründung: „Durch die beruflich betriebene ‚Arisierung‘ forcierte Brecht die aktive Vertreibung jüdischer Bewohner aus Genossenschaftswohnungen. In Rede und Schrift stellte Brecht seine Tätigkeit in den Kontext des NS-Regimes, bekannte sich zum ‚Führer‘ und legitimierte den Krieg. 1950 bestritt er in einem Wiedergutmachungsverfahren, in dem die Nachkommen der Geschädigten eine Rückerstattung ihres Eigentums forderten, eine Verantwortung des Reichsverbandes, es könne nicht die Rede davon sein, dass „der Kaufvertrag erzwungen“ war. Seit 2015 wurde die nationalsozialistische Vergangenheit Brechts öffentlich thematisiert. Auch in anderen Städten (Freiburg, Hannover) kamen die dortigen Kommissionen zu dem Ergebnis, dass Julius Brecht nicht weiter mit einer Straßenbenennung geehrt werden könne. Eine Umbenennung ist geboten.“ (Abschlussbericht der Kommission zum Umgang mit NS-belasteten Straßennamen in Hamburg, Feb. 2022, www.hamburg.de/contentblob/15965308/8ee2e6d28dbd23e8df84bf75ceabda98/data/empfehlungen-kommission-ns-belastete-strassennamen.pdf)
Der Beirat „Namensgebende Persönlichkeiten“ der Landeshauptstadt Hannover für das Projekt „Wissenschaftliche Betrachtung von namensgebenden Persönlichkeiten“ gab am 1. Oktober 2015 für die sich in Hannover befindende 1963 benannte Julius-Brecht-Straße die Empfehlung: Umbenennung. Aus der Begründung: „Wirken nach der Machtübergabe 1933. Brechts Karriere setzte sich fort (Direktor/Saarpfälzische Heimstätte, Vorstand/Westfälische Bauvereinsbank). 1933 wurde er Leiter des Reichsverbandes des deutschen gemeinnützigen Wohnungswesens e. V. in Berlin. Brechts Amtsantritt fiel in die Zeit der beschleunigten Entrechtung jüdischer Mieterinnen und Mieter. Zunehmend betätigten sich die Organe der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft ‚als Multiplikatoren dieser Entwicklung‘ (Haerendel) und ausdrückliche Befürworter antisemitischen Vorgehens. In seiner Funktion wirkte Brecht auch durch Vorträge und Veröffentlichungen in den Verbandsorganen. Die geschickte Verknüpfung von Sachthemen der Wohnungswirtschaft mit dem nationalsozialistischen Gedankengut und Sprachduktus kennzeichnete seine Texte. Er bekannte sich eindeutig zur Ideologie des NS: ‚Juden gehören weder zur deutschen Volksgemeinschaft noch zu den deutschen Volksgenossen‘. Nicht namentlich gezeichnete Beiträge, die klar zu erkennen geben, dass die Vertreibung der jüdischen Mieterinnen und Mieter aus ihren gemeinnützigen Wohnungen schon lange angestrebt worden war, hatte Brecht (mit) zu verantworten.
Positionierung nach 1945
Brechts NSDAP-Mitgliedschaft ist weder in Parlamentsbiographien noch in einschlägigen Handbüchern zu finden. Er konnte seine Karriere nach 1945 fast bruchlos fortsetzen; seine Verdienste um die Wohnungswirtschaft und seine wertvolle Mitarbeit als SPD-Mitglied in demokratischen Gremien sind unbestritten. Es ist nicht bekannt, dass sich Brecht in der Nachkriegszeit jemals öffentlich zu seiner Vergangenheit geäußert hat.
Fazit
Brecht unterstützte in seiner Funktion als Reichsverbandsleiter den Prozess der Entrechtung von Mietern jüdischer Herkunft. In dieser Funktion hatte er auch Kenntnis von allen Beiträgen der Zeitschriften des gemeinnützigen Wohnungswesens. Er trug als Herausgeber direkt oder indirekt die Verantwortung für diese Beiträge. Eigene Veröffentlichungen belegen seine ‚Führer-Verehrung‘ und die Identifizierung mit den Zielen des Nationalsozialismus. Damit beteiligte er sich aktiv am Unrechtssystem.“