Biografien-Datenbank: NS‑Dabeigewesene

Andreas Walther

(10. Februar 1879 Cuxhaven - 16. Juni 1960 Hamburg)
Soziologe
Adresse: Alsterkamp 13
Wirkungsstätte: Universität Hamburg, Seminar für Soziologie, Badestraße 6


Ab 1920 Professor in Göttingen. Nach verschiedenen Reisen und mehreren Forschungsaufenthalten in den USA erhielt Walther einen Ruf an die Universität Hamburg auf den Lehrstuhl der Soziologie. "Am 1. November 1927 konnte er seine erste Vorlesung (...) halten." [1] 1929 wurde er in den Rat, den erweiterten Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) gewählt. Im Studienjahr 1932/33 wurde er Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 trat Walther, der bis dahin eher demokratische Gesinnungen vertreten hatte, in die NSDAP ein. Zudem gehörte er am 11. November 1933 zu den Unterzeichnern des „Bekenntnisses der Professoren an den deutschen Universitäten und Hochschulen zu Adolf Hitler und dem nationalsozialistischen Staat“. Axel Schildt schreibt über Walther: "Walther hatte vor 1933 nicht zu den Anhängern der NS-Bewegung gehört; seine Orientierung am angelsächsischen Pragmatismus und Empirismus wie auch am französischen Positivismus, das Verständnis für fremde Kulturen und seine Abneigung gegen die 'konservative Revolution' lassen die schließliche Konversion - am 1. Mai 1933 trat er in die NSDAP ein - insofern nicht als geradlinigen Weg erscheinen. Über seinen Entscheidungsprozess ist nichts bekannt, überliefert sind jedoch Beispiele einer schroffen Ablehnung von jedlicher Kooperation mit Kollegen, die in der Anfangszeit des NS-Regimes Distanz zum Nationalismus gewahrt hatten. Bei der Gleichschaltung des Soziologenverbandes spielte Walther, der 1933/34 auch das Amt des Dekans der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Hamburger Universität bekleidetet, eine aktive Rolle. Später engagierte er sich in der Leitung der Politischen Fachgemeinschaft der Fakultäten." [2]

Innerhalb der DGS setzte er die Gleichschaltung durch und überwarf sich auch mit seinem langjährigen Förderer. Es gelang ihm die Soziologie von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät in die Philosophische Fakultät umlegen zu lassen, was dem Fach mehr Bedeutung zumaß und Soziologie somit als Promotionsfach anerkannt wurde. Walther sah die Soziologie als Grundwissenschaft des Nationalsozialismus an, die sich all den Teilbereichen des Nationalsozialismus als Einheitswissenschaft widmen könne. In seinen Schriften vermisste er die Einheitskultur, die es in den USA und Frankreich beispielsweise gebe, aber in Deutschland fehle und ein Führer als Vorbild nötig sei.
"Die Emeritierung des Soziologen (...) erfolgte 1944. Ein Jahr später wurde er zunächst in den (unehrenhaften) Ruhestand versetzt und erlangte schließlich im Verlauf seines Entnazifizierungsverfahrens eine Pensionierung. Seine brieflichen Einlassungen aus dieser Zeit bieten wenig mehr als die allgemein verbreitete Selbstentschuldung. Zurückgezogen lebte Walther seit Kriegsende in Großhansdorf." [3]
Text: Katharina Tenti und Rita Bake