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Walter Busch

(24. Juli 1897 in Hamburg-Harburg – unbekannt)
Angestellter der Stadtverwaltung der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH), Sozialbehörde
Adressen: Reeseberg 65 (1946), Liliencronstraße 35 (1948/49), Ehestorferweg 113 (1953), alle in Hamburg-Harburg
Wirkungsstätte: Wohlfahrtsamt Harburg, Mengestraße 19 (1933–1939)


Walter Busch absolvierte nach dem Schulbesuch eine kaufmännische Lehre in einer „Krämerei“, einem Einzelhandelsgeschäft, und war anschließend in der Privatwirtschaft tätig. 1916 wurde der 19-Jährige als Funker zu einer Fliegertruppe an die Front in Frankreich eingezogen. Nach dem Krieg sei er in einer „untergeordneten Stelle“ bei der Phoenix-Versicherung in Harburg tätig gewesen, bis er in der Weltwirtschaftskrise im Juli 1929 in die Erwerbslosigkeit geriet. Seine Familie und er lebten nun von der Unterstützung durch das Hamburger Wohlfahrtsamt. Eigenen Angaben zufolge trat Busch bereits am 1. Mai 1932 in die NSDAP ein und gehörte damit zu den „alten Kämpfern der Partei. Parteiämter habe er jedoch nicht ausgeübt, gab er auf seinem Entnazifizierungsfragebogen vom 29. September 1946 an.[1] Als Gründe für seinen Parteieintritt nannte Busch die eigene Erwerbslosigkeit seit Juli 1929 und das Angebot eines vor 1945 verstorbenen Geschäftsmannes, ihn nach einem Parteieintritt wirtschaftlich zu unterstützen und in ein Beschäftigungsverhältnis zu vermitteln. Weil er mit seiner Familie „wirtschaftlich am Ende“ gewesen sei, hätte er zugestimmt, rechtfertigte sich Busch nach dem Krieg.

Im Oktober 1932 trat der zu dem Zeitpunkt immer noch erwerbslose Busch der „SA-Reserve“ bei, der er bis Juli 1934 angehörte. Sein höchstes Amt war das eines Rottenführers, gab er auf seinem Entnazifizierungsfragebogen an. In der sogenannten Reserve der SA wurden ehemalige Stahlhelm-Angehörige sowie ältere Männer zusammengefasst. Außerdem trat Busch 1934 in die beiden NS-Massenorganisationen Deutsche Arbeitsfront (DAF) und Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) ein.

Im Mai 1933 erhielt der nach wie vor Erwerbslose schließlich eine Anstellung als „Schreiber“ bzw. „Ermittler“ – so ein von ihm abschriftlich vorgelegtes Zeugnis der Gemeindeverwaltung von April 1946 – beim Wohlfahrtsamt der Sozialbehörde in der Gemeindeverwaltung Hamburg. Busch war im Sachgebiet „Allgemeine Fürsorge“ unter Leitung eines Beamten für die Errechnung der Leistungen an Hilfsbedürftigen zuständig, fertigte Niederschriften an, führte Fürsorgeakten und ermittelte Unterhaltspflichtige. Sein Jahresgehalt in der niedrigsten Tarifgruppe VIII betrug anfangs 280 RM, ab 1937 dann 300 RM. Die Anstellung sei auf Vermittlung des Arbeitsamts geschehen, nicht auf Drängen der Partei, behauptete Busch später.

1943 wurde der inzwischen 45-Jährige zum Kriegsdienst in der Wehrmacht einberufen. Bis Kriegsende war er bei der Luftwaffe im Range eines Unteroffiziers tätig.

Nach seiner Rückkehr aus dem Krieg entließ ihn die Hamburger Gemeindeverwaltung am 31. Juli 1945 wegen „Zugehörigkeit zur NSDAP vor dem 1. April 1933“. Die britische Militärregierung bestätigte die Entlassung mit Schreiben vom 31. Dezember 1945. Im September 1946 legte Busch gegen seine fristlose Entlassung und Einstufung in Kategorie III (ab März 1946 „Minderbelastete“) im Rahmen des Entnazifizierungsverfahrens Berufung ein und verlangte seine Wiedereinstellung. Dabei führte er zu seinen Gunsten an, bereits 1934 mit einem Austritt aus der NSDAP geliebäugelt zu haben, als ihm klar geworden sei, dass die Hitlerpartei „insbesondere in der Behandlung der Judenfrage niemals eine glückliche Lösung“ erreichen werde. Infolgedessen sei es auch zu „Auseinandersetzungen mit dem O.G. Leiter [Ortsgruppenleiter, d. Verf.]“ gekommen. Ein Parteiaustritt sei ihm aber „fast unmöglich“ gewesen, weil „mit großen Gefahren verbunden“. Zudem hätte er seine Familie in wirtschaftliche Not gestürzt. Laut dem Politikwissenschaftler Jürgen W. Falter, der mehrere große empirische Forschungsprojekte zur NSDAP durchführte, verließen insgesamt rund 760.000 Mitglieder die NSDAP freiwillig wieder, von denen 40 Prozent zwischen 1925 und Januar 1933 eingetreten waren.[2] Wer austrat, so Falter, musste eventuell berufliche Nachteile in Kauf nehmen. Manche, die der NSDAP den Rücken kehren wollten, gaben später an, man habe ihnen gedroht, sie würden im KZ landen. Ihm sei aber kein Fall bekannt, in dem das geschehen wäre.[3] Im November 1946 reichte Busch als Beweis die Abschrift eines Schreibens der Personalabteilung vom 22. Januar 1942 vor: Danach lehnte die Sozialbehörde Buschs Bitte um Beförderung damals ab, weil er sich weigerte, neben seiner „geringfügigen Tätigkeiten als Preisüberwacher“ ein weiteres Amt in der Partei zu übernehmen, wozu ihn sein Ortsgruppenleiter aufgefordert hätte. Die Militärregierung erkannte das zwar an, wies aber den Einspruch zurück und erlaubte Busch nur, sich in der freien Wirtschaft zu betätigen, mit Ausnahme von leitenden Stellungen.

Buschs Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom April 1947 wurde rund vier Monate später vom Fachausschuss 2 der Zentralstelle für Berufungsausschüsse abgelehnt. Der Berufsausschuss ging davon aus, dass Busch ohne seine frühe Parteizugehörigkeit und ohne seine Tätigkeit in der SA zwischen Oktober 1932 bis Juni 1934 angesichts „seiner offenbar bescheidenen Fortbildung und Intelligenz nie eine Tätigkeit beim Staatsdienst gefunden“ hätte. Auch gegen diesen Bescheid legte Busch prompt Widerspruch ein. Unter Nennung von Leumundszeugen bat er um erneute Prüfung zwecks Wiedereinstellung und Rehabilitierung. Am 1. August 1947 lehnte der leitende Ausschuss eine Wiederaufnahme des Verfahrens ab, weil Busch, ein „aktiver Kämpfer, bereits vom Berufungsausschuss gehört worden sei und kein neues entlastendes Material beigebracht habe.

Knapp zwei Jahre später, im Mai 1949, beantragte Busch eine periodische Neuüberprüfung seiner Einstufung. In deren Zuge stufte ihn der Fachausschuss 1a im Juni 1949 nunmehr in Kategorie IV („Mitläufer“) ein – mit der Einschränkung, keine Tätigkeit im Staatsdienst mehr ausüben zu dürfen, was die von Busch angestrebte Wiedereinstellung verhinderte. Auch dagegen ging er vor und erreichte im Oktober 1949 die Einstufung in Kategorie V („Entlastete“) zum 1. Januar 1950. Geholfen war ihm damit nicht, weil der Berufungsausschuss betonte: „Die Frage einer Wiedereinstellung im Staatsdienst scheidet dadurch aus, dass es sich hier nicht um eine Wiederaufnahmeverfahren handelt, sondern nur um eine periodische Neuüberprüfung, so dass der Berufungsausschuss schon aus diesem Grund gar nicht berechtigt ist, dies Frage eines Eintritts in den öffentlichen Dienst zu erörtern.“ Busch protestierte erneut und sprach dem Ausschuss das Recht ab, seine Fähigkeiten und seine Intelligenz beurteilen zu können. Er sei nur entlassen worden, weil er einer damals in seinen Augen „legalen Partei“ angehört hätte. Doch der Ausschuss blieb bei seiner Haltung: Busch sei ein „alter Kämpfer“ und hätte ohne seine Parteizugehörigkeit nie eine Stellung im Staatsdienst erlangt.

Anfang Dezember 1949 beantragte Busch erneut eine Wiederaufnahme seines Verfahrens, schrieb allerdings: „Weiteres Entlastungsmaterial kann ich nicht beibringen und ist meines Erachtens auch wohl nicht erforderlich.“ Seine Fähigkeiten und Kenntnisse hätte er zur Genüge durch seine zwölfjährige Tätigkeit und die Zeugnisse nachgewiesen. Im August 1950 stellte er erneut einen Antrag auf Wiedereinstellung, nun gemäß Paragraph 6 des Hamburger Gesetzes zum Abschluss der Entnazifizierung vom 10. Mai 1950. Im Januar 1952 teilte ihm der Hamburger Staatskommissar für die Entnazifizierung und Kategorisierung mit, dass der Leitende Ausschuss seinen Antrag abgelehnt habe. Eine nochmalige Überprüfung sei nicht möglich, da sich Busch bereits seit dem 1. Januar 1950 in Kategorie V befände und ab diesem Zeitpunkt keinerlei Beschränkungen unterliege.

Am 18. April 1952 zog Busch vor das Bundesverfassungsgericht und legte Verfassungsbeschwerde ein. Der Hamburger Senat hätte am 25. Juni 1949 die Hamburger Behörden angewiesen, nicht nur die Wiedereinstellungsansprüche aller in Kategorie V Eingestuften anzuerkennen, sondern auch die der in Kategorie IV Eingestuften. Der Erste Senat unter Mitwirkung des Präsidenten Dr. Dr. Hermann Höpker-Aschoff als Vorsitzenden verwarf die Beschwerde jedoch am 21. Januar 1953.[4] Buschs Arbeitsverhältnis sei 1945 rechtswirksam gekündigt worden und ein Anspruch auf Wiedereinstellung oder Gehaltszahlung nicht vorhanden. Zur Begründung führten die Richter aus: „Denn die Tatsache, dass er Altparteigenosse und erst zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft in den Verwaltungsdienst übernommen worden war, stellt einen wichtigen Grund zur Kündigung dar.“ Sofern daher nicht zwingend gesetzliche Hindernisgründe dem entgegenstanden, „war die endgültige Entfernung nationalsozialistisches Verwaltungsrecht und Pflicht der Behörden.“[5]

Text: Frauke Steinhäuser